Kult-Koch Kay Fräder sprang dem Tod von der Schippe „Am ganzen Körper lief mir der Schweiß runter“

Drama um Kult-Koch Kay Fräder: „Bin dem Tod von der Schippe gesprungen“
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Der 17. Oktober 2024, es ist ein Donnerstag, beginnt für Kay Fräder wie jeder Tag. Nichts deutet nach dem Aufstehen darauf hin, dass der 55-Jährige wenig später in eine lebensbedrohliche Situation gerät. Es ist der Tag, der den selbst ernannten „Dieter Bohlen der Pommesbuden“ für Monate aus seinem Alltag reißen wird – und den der gebürtige Westerfilder rückblickend zu seinem zweiten Geburtstag ernennen könnte.

„Ich habe mich wie jeden Morgen vor der Arbeit in die Badewanne gelegt“, erzählt Kay Fräder, der jahrelang im Dortmunder Westen, vor allem in Kirchlinde und Huckarde, für seine Burger und seine direkte, manchmal raue Art geliebt wurde. Sein Gesicht war das Aushängeschild der damaligen Gastro-Betriebe, sein Name wurde zur Marke, er selbst zum Kult-Koch. Ein Image, das Kay Fräder bis heute anhaftet.

Fräder: „Nach Luft geschnappt“

„Plötzlich hat es in der Badewanne ,Peng‘ gemacht, ich musste nach Luft schnappen, das Wasser fühlte sich kochend heiß an, und ich bekam heftige Schweißausbrüche“, erzählt Kay Fräder von dem Moment, der einen dramatischen Wendepunkt in seinem Leben markiert. Doch der 55-Jährige zwingt sich zunächst zur Ruhe: „Ich habe kalt geduscht, mich aufs Bett gelegt. Schließlich habe ich mich angezogen und bin zur Arbeit gefahren.“

Kay Fräder steht mit einem Einkaufswagen vor der Verkaufshalle der  Dembra Food & More in Dortmund.
Nach seinem schweren Herzinfarkt ist Kay Fräder bei der Dembra food & more in Dortmund in der Wiedereingliederung. © Beate Dönnewald

Seit seinem Rückzug aus der Gastronomie arbeitet Kay Fräder bei der „Dembra food & more GmbH“ an der Franziusstraße im Verkauf. Im April 2024 schwärmte er im Interview mit unserer Reporterin von den geregelten Arbeitszeiten, die er bislang nie hatte, und davon, dass sich sein neues Leben abseits der Gastronomie für ihn wie ein „Sabbatjahr“ anfühle. „Doch vielleicht war es zu spät, die Reißleine zu ziehen. Ich hatte ja schon länger gespürt, dass etwas nicht mit mir stimmt“, sagt er rückblickend.

Auf der Arbeit hält Kay Fräder nicht lange durch. „Am ganzen Körper lief mir der Schweiß in Strömen runter“, erinnert er sich. In diesem Moment realisiert er, dass die Lage für ihn mehr als ernst ist. Zu seinen Kolleginnen und Kollegen sagt er: „Leute, ich habe was Schlimmes, ich muss abhauen.“

Achtstündige Not-Operation

Kay Fräder fährt nach Hause und legt sich zunächst wieder auf sein Bett. Zweimal schläft er ein. Dann kontaktiert er einen seiner besten Kumpel, packt eine Tasche mit den nötigsten Sachen und lässt sich zur Notaufnahme des St. Johannes-Hospitals in der Dortmunder Innenstadt fahren. Dort erhält er die Diagnose: Kay Fräder hatte am Morgen in der Badewanne einen schweren Herzinfarkt erlitten. „Ich bin dem Tod von der Schippe gesprungen“, sagt er heute.

Denn Ärzte retten in einer achtstündigen Not-Operation sein Leben. „Einen Katheter konnten sie schon nicht mehr legen, es war alles dicht“, erzählt Kay Fräder. Fast klingt es, als würde er über einen anderen Menschen und nicht über sich sprechen, als er weitererzählt: „Die haben den Brustkorb aufgesägt, das Herz herausgeholt und neue Leitungen gelegt.“ Vier Bypässe bekommt er. Die Venen werden Fräder aus dem Arm und dem Bein entnommen.

Der Dortmunder Koch Kay Fräder sitzt in einer Eisdiele in Mengede.
Kay Fräder im April 2024: Damals berichtete der Dortmunder Koch von seinem Ausstieg aus der Gastronomie. © Beate Dönnewald (A)

Die nächsten vier Tage verbringt der Dortmunder auf der Intensivstation: „Du bist voll mit Schläuchen und Kabeln, du kannst nicht husten, nicht niesen, alles tut so weh“, erinnert er sich. Weitere vier Tage folgen auf der Normalstation, danach geht es für Kay Fräder für drei Wochen in eine Reha-Klinik in Bad Waldliesborn.

Der Kult-Koch weiß, dass er Glück im Unglück hatte. Und das nicht nur einmal. „Es kann dir nichts Schlimmeres passieren, als nach einem Herzinfarkt einzuschlafen. Viele wachen nicht mehr auf“, weiß er. Auch die Weitsicht seines Freundes habe ihn gerettet: „Er hat darauf bestanden, mich sofort zur Notaufnahme zu fahren.“ Natürlich sei er auch den Ärzten dankbar, die die richtige Diagnose gestellt und ihn direkt operiert haben.

Fräder: Angst um den Job

Was fühlt man, was geht einem in einem solchen Moment zwischen Leben und Tod durch den Kopf? Kay Fräder zuckt mit den Achseln: „Es prasselt alles auf dich ein, es geht alles schnell. Ich kann wirklich nicht sagen, was ich vor der Not-Operation gedacht habe.“ Anders sei das gewesen, als er nach der OP wieder wach war: „Mein erster Gedanke galt der Arbeit. Ich war ja noch ganz frisch dabei und dann so ein heftiges Dingen. Ich hatte Angst, meinen Job zu verlieren.“ In diesem Moment sei eine Welt für ihn zusammengebrochen.

Fräder ruft so schnell wie möglich seinen Chef Serhat Demir an und kann aufatmen, als er seine Worte hört: „Für dich läuft alles weiter.“ Er soll sich alle Zeit nehmen, die er für die Genesung brauche, sagt Demir, und ganz allein den Zeitpunkt seiner Rückkehr bestimmen. Noch einmal Glück im Unglück für den Kult-Koch.

Der Dortmunder Koch Kay Fräder lehnt an einer Telefonzelle.
Ein Bild aus alten Tagen: Fast so legendär wie Kay Fräder ist auch seine Telefonzelle, die in Friedchens Bahnhof in Dortmund-Huckarde stand. Im Restaurant galt Handy-Verbot, wer telefonieren wollte, musste in die Zelle. © Beate Dönnewald (A)

Die unfreiwillige Auszeit, unter anderem in der Reha, nutzt Kay Fräder, um über sein bisheriges Leben nachzudenken und einiges zu ändern. „Ich habe meine Ernährung komplett umgestellt, ich esse nur noch einmal pro Woche Fleisch, ansonsten viel Gemüse und Reis.“ 18 Kilogramm habe er bereits abgenommen, weitere 15 Kilogramm möchte er noch verlieren. Dabei helfen soll regelmäßiger Sport.

Seinen Oberkörper muss er schonen, doch Fahrradfahren oder entsprechendes Gerätetraining seien erlaubt, sagt er. „Ein Jahr lang darf ich beispielsweise nicht mehr als zwei Kilogramm heben.“ Tatsächlich sei er in der Bewegung noch sehr eingeschränkt: „Wenn ich mich im Bett umdrehen will, meldet sich sofort mein Brustkorb.“

„Nie mehr in die Badewanne“

Nicht nur sein Herz, auch seine Psyche habe gelitten, sagt Fräder. „Ich werde nie mehr in die Badewanne gehen.“ Auch das Duschen falle ihm schwer. „Ich bin immer froh, wenn ich unter der Dusche wegkomme.“ Er würde seit dem Herzinfarkt viel mehr in seinen Körper hineinhorchen. „Bei jedem kleinsten Stich machst du dir Gedanken und fragst dich, was könnte das sein?“

Ihm sei bewusst, dass er psychologische Hilfe in Anspruch nehmen sollte. Zu einer entsprechenden Behandlung habe er sich bislang aber nicht durchringen können. „In den ersten vier Wochen hatte ich einen Nervenzusammenbruch. Ich habe eine Stunde lang geheult, dann war alles wieder gut.“ Ein wenig klingt er in diesem Moment wie der „alte“, Kay Fräder, wie der starke, harte Kerl von früher, den nichts umhauen kann.

Kay Fräder mit Fadil Ahmetaj (l.) stehen in der Küche im „Schlemmertreff“ auf dem Höchsten in Dortmund.
Sobald es seine Gesundheit zulässt, möchte Kay Fräder mit Fadil Ahmetaj (l.) die Aktionstage im „Schlemmertreff“ auf dem Höchsten fortsetzen. © Jörg Bauereld (A)

Doch in alte Muster zurückfallen möchte der 55-Jährige auf keinen Fall. „Früher war ich ein HB-Männchen, heute will ich alles gelassener sehen und mit mehr Ruhe angehen.“ Aber mit zu viel Ruhe – damit kommt auch der „neue“ Kay Fräder nicht zurecht. Hände in den Schoß legen, Däumchen drehen, das alles ist nicht sein Ding. Deshalb hat er sich nur knapp drei Monate nach der Herz-Operation dazu entschieden, wieder in seinen Job zurückzukehren.

Seit dem 6. Januar 2025 ist er bei „Dembra“ in der Wiedereingliederung. „Mein Hausarzt hätte mich noch monatelang krankgeschrieben, aber das wollte ich nicht.“ Er habe ihm versprochen, auf sich Acht zu geben. „Ich fahre mit dem Auto zu den Kunden, das ist doch nicht anstrengend, da kann nichts passieren.“ Alle Kollegen hätten sich über seine Rückkehr gefreut. Kay Fräder rührt das: „Die sind alle so herzlich hier, das kannte ich bislang so nicht.“

Neue Ideen für die Gastronomie

Dennoch: Ganz loslassen kann er nicht, was seine Leidenschaft als Koch betrifft. Deshalb hatte er bereits im vergangenen September begonnen, als Gastkoch im Rahmen von Aktionstagen am fremden Herd zu stehen. Premiere war im Schlemmertreff auf dem Höchsten. Dies könne er sich nach der für ein Jahr verordneten Schonzeit durchaus wieder vorstellen. Auch andere Gastro-Ideen habe er im Kopf, die aber noch nicht spruchreif seien.

Am Ende unseres Gesprächs wird Kay Fräder noch einmal sehr nachdenklich. „Ich hätte früher auf meinen Körper hören sollen“, sagt er. Denn bereits im Sommer 2023 habe er wegen Schmerzen im linken Arm und im Unterkiefer die Notaufnahme eines Krankenhauses aufgesucht. „Das MRT war damals in Ordnung.“ Danach habe er die „Sache“ einfach vergessen und sich wieder vom Stress in der Gastronomie auffressen lassen. Ein fataler Fehler.