Es ist ein Mittwochnachmittag, kurz vor 16 Uhr. Draußen, vor dem Wohnzimmerfenster der Familie Kleeschulte reiht sich Auto an Auto in Richtung Süden, es staut sich, wie immer um diese Zeit; oft zurück bis zur B 54. Morgens zieht sich der Stau dann in Gegenrichtung. Dass der Hacheneyer Kirchweg mehr abenteuerliche Schlaglochpiste als Straße ist, macht die Sache umso schlimmer. Wenn es sich gerade mal nicht staut, fahren nur die wenigsten Autofahrer das wegen der Schlaglöcher angesagte Tempo 30, sagt Christine Kleeschulte (57). Die schnellere Geschwindigkeit merke man direkt in ihrem Wohnzimmer. Dann klingeln die Gläser im Schrank.
Dass die Straße auch der Weg zahlreicher Buslinien ist, verschärft das Problem. Es ist laut, es ist eng: „Die Busse fahren nicht selten ein Stück über die Bürgersteige“, sagt Kleeschulte. Direkt vor dem Haus der Familie gibt es seit geraumer Zeit eine Spedition auf dem gegenüberliegenden Gelände. Morgens ab 5.30 Uhr sei es mit der Ruhe vorbei, sagt Kleeschulte. Dann biegen die großen Lkw vor ihrem Haus auf den Hacheneneyer Kirchweg ab. Auch Kleeschultes über 80-jährige Mutter wohnt in dem Haus, das 1936 gebaut wurde. Das Schlafzimmer liegt zur Straße hin. „Meine Mutter wird um 5 Uhr das erste Mal wach“, sagt Kleeschulte. Vor knapp 90 Jahren hat sich wohl niemand vorstellen können, welcher Verkehr hier vor dem Fenster tobt.

Nun ist es nicht so, als wäre das alles nicht hinlänglich bekannt und auch nicht so, als hätten die Anlieger des Hacheneyer Kirchweg nicht versucht, an den Zuständen etwas zu ändern. Im Februar 2020 gründete Kleeschulte gemeinsam mit Daniela Becker eine Bürgerinitiative. „Ich weiß nicht, wie viele Sitzungen von Bezirksvertretungen wir besucht haben, wie viele Anträge wir geschrieben haben“, sagt Kleeschulte fünf Jahre später resigniert. Auf die Frage, ob sie glaubt, dass sich in den nächsten Jahren, vielleicht bis zu ihrer Rente, langfristig entscheidend etwas tun werde, antwortet sie mit einem entschiedenen „Nein“. „Wir reden seit fünf Jahren über diesen Mist“, sagt die 57-Jährige. Bis auf Tempo 30-Schilder (seit Dezember 2020) sei nichts geschehen. „Wir erwarten schon gar nichts mehr“, sagen Kleeschulte und Becker unisono, „wir wollen einfach nur in Sicherheit leben.“ Für Fußgänger und Radfahrer sei es lebensgefährlich, weil nicht selten Fahrer auch auf den Bürgersteig auswichen.

Überfälliges Konzept
Des Übels Wurzel liegt in dem seit Jahren überfälligen Gesamtkonzept für den Stadtteil: Was ist mit der Erschließung des Gewerbegebietes mit dem Hellweg Baumarkt und einer Zufahrt direkt von dort aus zur B54? Möglich wäre das ohne Probleme, es gibt Platz, der Weg wäre nicht weit. Dann könnte parallel die aus den 1950er Jahren stammenden – und eigentlich nur als Behelfsausfahrt gedachte – jetzige Zu- und Abfahrt zur B 54 vom Hacheneyer Kirchweg wegfallen. Und was ist mit Abriss der ehemaligen Erstaufnahmeeinrichtung? Bleiben doch entgegen der Abriss-Ankündigungen einige Gebäude stehen? Oft hängt eines vom anderen ab, unterm Strich geht‘s nicht voran. Dabei, daran erinnert sich Christine Kleeschulte noch gut, habe damals, als der Hellweg Baumarkt schräg gegenüber auf der Brache siedelte, der damalige Oberbürgermeister Ullrich Sierau den Hacheneyern noch versprochen, sie müssten sich keine Sorgen machen, denn die Gewerbefläche werde von der anderen Seite erschlossen – also weg vom Hacheneyer Kirchweg.

Infoveranstaltung
Im Sommer 2024 gab es eine erste Infoveranstaltung in Sachen Verkehrskonzept. Christine Kleeschulte und Daniela Becker waren auch da. Große Hoffnung habe ihnen das nicht gemacht. Wie habe man sagen können, es handele sich um eine „mittelstark befahrene Straße“. „Da bin ich fast vom Stuhl gefallen“, sagt Kleeschulte. Der Eindruck vom Wohnzimmer-Fenster der Kleeschultes ist ein anderer. Zu den Stoßzeiten im Berufsverkehr sowieso, Spiele des BVB garantieren ebenfalls Blechlawinen vor dem Fenster. „Es gibt Tage, da denke ich, ich werde verrückt“, sagt die 57-Jährige.
Ab und zu komme eine Kolonne vorbei und schmeiße die dicksten Löcher in der Straße mit Kaltasphalt zu. Das halte keine zwei Wochen, sagen die beiden Frauen. Dafür hätten sie dann die Brocken der provisorischen Füllungen, die die Autos herausfahren, in den Vorgärten liegen.

Jetzt, im Frühjahr 2025, sollte es eine zweite Info-Veranstaltung in Sachen Verkehrskonzept geben. Die ersten drei Monate sind um, einen von der Stadt kommunizierten Termin gibt es bisher nicht. Auf Anfrage teilt die Stadt Dortmund mit: „Die gutachterlichen Arbeiten zur Verkehrsuntersuchung Hacheney liegen noch nicht vollständig vor.“ Sobald diese „vollständig geprüft vorliegen“, bereite die Stadt wie angekündigt die zweite Veranstaltung vor. Diese werde voraussichtlich noch in der ersten Jahreshälfte stattfinden.

Sanierung kommt im Herbst
Eine gute Nachricht aber gibt es: Vor gut einem Jahr, im Februar 2024, wurde bekannt, dass der Hacheneyer Kirchweg im Maßnahmenpaket des Tiefbauamtes steht, in der „Straßenoffensive 2024/25“. Damals hieß es: Vorbereitungen liefen und es gebe Gespräche mit der Verkehrsbehörde darüber, wie während der Bauzeit Umleitungen aussehen können. Klar war schon damals: Vor Sommer 2025 passiere vor Ort nichts. Und nun, im März 2025, wie ist der Stand kurz vor dem Sommer? Auf Anfrage teilt die Stadt mit: „Die Fahrbahnsanierung soll in der zweiten Jahreshälfte umgesetzt werden“. Einen konkreten Termin für Baustart gebe es aber noch nicht. Er liege aber voraussichtlich im Spätsommer oder im Herbst.
Damit wären die Schlaglöcher erst einmal Vergangenheit. Dann gilt voraussichtlich wieder Tempo 50 auf der Straße. Der Hacheneyer Kirchweg gehört zum sogenannten Vorbehaltsnetz, in dem grundsätzlich „50“ die Regel ist. Tempo 30 war nur wegen der Straßenschäden eingeführt worden. Allerdings: Die Verwaltung hat in einer Antwort an die Hörder Bezirksvertreter auch geschrieben: „Wenn gewünscht, kann aber unter Betrachtung der dann vorherrschenden verkehrlichen Situation eine erneute Überprüfung zur Temporeduzierung erfolgen“.