Zum fünften Mal Krebs Dorstener Josef Schürmann (67) „müsste seit 15 Jahren tot sein“

Josef Schürmann hat zum fünften Mal Krebs und bleibt positiv
Lesezeit

Josef Schürmann (67) sitzt in seinem Wohnzimmer in Dorsten. Tränen rinnen dem großgewachsenen Mann die Wange herunter, als er erzählt. An Silvester habe er im Krankenhaus in Dorsten auf der Terrasse gesessen. Dort habe er sich eine Zigarette angezündet und das Feuerwerk angesehen. Seine allerletzte Zigarette. „Ich habe gedacht, es wird vielleicht mein letztes Silvester.“ Nur wenige Tage zuvor hatte er erfahren, dass er Krebs hat. Zum fünften Mal.

Der 67-Jährige hat eine bewegende Leidensgeschichte. Eine Leidensgeschichte, die aber auch Mut macht. Die zeigt, dass es sich lohnt, nicht aufzugeben. „Eigentlich müsste ich seit 15 Jahren tot sein“, sagt der privatversicherte Dorstener.

Geboren am 29. Oktober 1955 am Ostgraben in Dorsten als Sohn eines Ingenieurs der Dorstener Maschinenfabrik, ging Schürmann aufs Gymnasium Petrinum. Wegen ausbleibender Lernerfolge ging es einen Schritt zurück zur Gerhart-Hauptmann-Realschule, wo er seinen Abschluss machte. Nur um aufs Gymnasium St. Ursula zu wechseln – wo er das Vollabitur knapp verfehlte.

Doch zur Polizei – wie seine Eltern ihm rieten – wollte der 2,04-Meter große Handballbegeisterte nicht. Er wollte Maschinenbauer werden. So machte er sein Diplom an der Fachhochschule in Münster. Er lebte später unter anderem in Düsseldorf und Bochum. Dort begann seine Leidensgeschichte.

2002 wurde bei ihm Hodenkrebs diagnostiziert. Behandelt haben ihn die Ärzte im St. Josef-Hospital in Bochum mittels Bestrahlung. „Ich spürte nichts, hatte danach aber Magenschmerzen“, erzählt Schürmann. Ein lautes Niesen kündigte sich damals bei ihm an, wenn er wieder Magenschmerzen bekam. Das ging ein paar Jahre so. Bis er 2007 – um Ostern war das – wieder dachte, niesen zu müssen. Doch diesmal entwischte ihm „das Frühstück rückwärts“.

„Im Grunde hatte ich Glück, dass immer etwas passiert ist, dass der Krebs entdeckt worden ist“, sagt Josef Schürmann heute. Er sitzt auf seinem Sofa in seiner Wohnung in Dorsten. Über dem Sofa hängt ein Gemälde an der Wand. Es zeigt ein einsames Haus in der Landschaft. Der Boden ist schneebedeckt. Im Hintergrund ist ein Fels. Neben dem Haus steht ein einsamer Baum.

Wegen der Magenschmerzen, die die Niesattacken ankündigten, ging Schürmann damals zum Arzt. Doch CT, MRT sowie Magen- und Darmspiegelung ließen nichts erkennen.

Zweiter Krebs und Schlaganfall

Erst als er zum Grönemeyer-Institut in Bochum nebenan ging, konnte „ein älterer Radiologe“ dem Dorstener helfen. Er machte ein Bild bis zur Mitte des Oberschenkels. Und dort erkannte der Arzt: Schürmanns Lymphknoten in der Leiste waren viel zu groß. Der Krebs war zurück. Doch wieder konnten die Ärzte den Dorstener erfolgreich behandeln.

Ein weiterer Schicksalsschlag ereilte den 67-Jährigen im Jahr 2014. „Ich hatte einen Stressjob, bin von Bochum nach Osnabrück gependelt.“ Als er irgendwann ein starkes Herzklappern bemerkte, ging er zu seinem Hausarzt. Das 24-Stunden-EKG zeigte 160 Herzschläge pro Minute – viel zu viele. Deshalb sollte er sich von einem Spezialisten untersuchen lassen. „Der Termin hat mir das Leben gerettet“, sagt Josef Schürmann heute.

Denn sonst wäre er wohl ganz normal zur Arbeit gefahren. So aber saß er auf seiner Bettkante, als er sich den Schuh anzog. „Es war, als schieße mir ein Pfeil durch den Kopf. Ich wollte aufstehen und fiel einfach nur um.“ Er rief seine beste Freundin an, die in Düsseldorf wohnte. Sie sagte: „Schlaganfall“ – und rief den Rettungsdienst.

Dritte Diagnose

Die dritte Krebsdiagnose erhielt er der Dorstener im Dezember 2016. Bei einer Nachuntersuchung, die der Dorstener alle drei Monate macht, stellten die Ärzte einen erhöhten PSA-Wert fest, ein Hinweis für Prostatakrebs. Was in diesem Fall auf Schürmann zutraf.

Er ließ den Eingriff nach der Da-Vinci-Methode machen. „Die Da-Vinci-Methode ist das modernste minimal-invasive Operationsverfahren zur Entfernung der Prostata, die sogenannte Roboter-assistierte Prostatektomie“, schreibt das Vivantes Prostatazentrum Berlin. „Mit Unterstützung des OP-Roboters wird die Präzision offener OP-Verfahren erreicht, ohne dass ein großer Bauchschnitt gemacht werden muss. Operationen mit dem Da-Vinci-System gelten daher als schonende Alternative zu offenen Operationen.“

Josef Schürmann sitzt auf seiner Couch in seiner Wohnung in Dorsten.
Josef Schürmann sitzt auf seiner Couch in seiner Wohnung in Dorsten. © Niklas Berkel

Doch diese Operation hatte Nebenwirkungen - „soziale“, wenn man sie so nennen will. Immer wieder laufen während des Gesprächs Tränen sein Gesicht hinunter – doch Josef Schürmanns Stimme bleibt fest. „Früher musste ich immer raus. Vier Wochenenden zu Hause sitzen, das konnte ich nicht.“ Heute geht er selten vor die Tür.

„Was habe ich verbrochen?“

Vor Krebs hatte er dann endlich Ruhe. Dachte Josef Schürmann. Im Januar 2022 erhielt der Dorstener einen Anruf seiner Urologin. Es sei ein Rezidiv in seiner Prostatagegend festgestellt worden. Ein lokales Rezidiv bezeichnet unter anderem eine erneute Tumorbildung am Ort der Operation. „Da war ich echt fertig. Was habe ich verbrochen, dachte ich?“

Diesmal ließ sich Schürmann in der Praxis Borad von Dr. med. Andreas Göhlert in Dorsten behandeln. Mittlerweile war er in seine Heimatstadt zurückgekehrt. Hier habe er seine engsten Freunde. Mit ihnen geht er einmal die Woche essen. Einsam – wie das Gemälde hinter dem Sofa vermuten lässt – ist Schürmann also nicht.

35 Bestrahlungen bis April halfen ihm, auch das Rezidiv zu bekämpfen. Für die radiologische Praxis am St. Elisabeth-Krankenhaus hat er nur lobende Worte übrig. Genauso für die Mitarbeiter des Krankenhauses selbst.

Als aber bei Schürmann kurz vor dem Jahreswechsel die fünfte Krebserkrankung diagnostiziert wurde, dachte er endgültig, dass es vorbei ist. Nach seiner vierten Diagnose riet ihm sein Arzt, eine Immuntherapie zu machen. Doch noch bevor er sie beginnen konnte, bekam er Rückenschmerzen. Drei Bandscheiben seien quasi nicht mehr existent, meinte sein Orthopäde. Schürmann solle eine Knochenszintigraphie machen.

Bittere Nachricht

Mit der Knochenszintigraphie können Knochentumore oder Metastasen in den Knochen nachgewiesen werden. Festgestellt wurde aber nichts. Es war dann der 28. Dezember des vergangenen Jahres, als Schürmann vom Sofa aufstehen wollte und einfach umkippte. „Ich konnte mein linkes Bein zwar noch spüren, aber nicht mehr bewegen.“

Nach rund eineinhalb Stunden sei es wieder gegangen. „Ich dachte, das geht bestimmt wieder weg.“ Doch als er auch am nächsten Morgen wieder Probleme hatte, rief er seinen Orthopäden an. Er sagte, Schürmann solle schnellstmöglich ins Krankenhaus.

Die bittere Nachricht nach einem CT am 29. Dezember: Metastasen im Gehirn. Einen Tag später die noch schlechtere Nachricht: Tumor an der Lunge. „Ich habe am Rad gedreht.“ Die Dorstener Ärzte wollten den 67-Jährigen in die neurologische Klinik in Recklinghausen überweisen. Doch die lehnte den Patienten ab. „Weil sie auf dem Bild eine Metastase am Hirnstamm sahen, wollten sie mich nicht.“

Diese Maske trugt Josef Schürmann bei seiner letzten Behandlung im Krankenhaus in Dorsten, um den Lungentumor zu behandeln.
Diese Maske trugt Josef Schürmann bei seiner letzten Behandlung im Krankenhaus in Dorsten, um den Lungentumor zu behandeln. Er nahm sie als Erinnerung mit. © Niklas Berkel

Also ging es für den Dorstener auf die pneumologische Station in Dorsten zu Chefarzt Dr. Hermann Thomas. Der noch schlechtere Nachrichten hatte: Der Tumor an der Lunge sei ein kleinzelliger, also schnell wachsend. Dazu habe er insgesamt sechs Metastasen am Gehirn.

Wieder ließ sich Schürmann in der Praxis Borad am Dorstener Krankenhaus behandeln. Er bekam bereits mehrere Bestrahlungen und Chemotherapie gegen den erneuten Krebs. „Der Arzt sagt mir, ich soll mir keine Sorgen machen. Ich werde nach modernsten Maßstäben behandelt“, sagt Schürmann. Die letzte Zigarette habe er sich trotzdem auf der Terrasse an Silvester angezündet.

Schürmann will Danke sagen

Der eigentliche Grund aber, warum sich der 67-Jährige bei der Dorstener Zeitung meldete, um über sein Schicksal zu sprechen: Er wollte Danke sagen. „Die Schwestern, Azubis, Pflegehilfskräfte, Putzfrauen, Physio- und Psychotherapeuten - alle haben dazu beigetragen, dass es mir wieder besser geht. Sie haben mir Brötchen geschmiert und boten mir an, meine Mahlzeiten zu zerkleinern. Sie haben alles getan, was sie konnten. Sie waren sowas von klasse. Dass sie sich so engagieren, ist einfach toll.“

Am 31. Januar hatte Schürmann seinen ersten Besprechungstermin in der onkologischen Praxis von Dr. Dirk Pott, die sich ebenfalls im Gesundheitszentrum am St. Elisabeth-Krankenhaus befindet. Hier wird die weitere ambulante Chemo- und Immuntherapie durchgeführt. Schürmann ist von dieser Praxis ebenso überzeugt wie von den bereits erwähnten Ärzten. Und so sagt er überzeugt: „Die Zigarette an Neujahr 2023 um 0 Uhr war definitiv meine letzte. Aber es war nicht mein letztes Silvester!“

Dorstener Sponsorenlauf gegen Brustkrebs : Prominenter Mediziner aus Haltern macht Werbung

Emotionale Nachricht: Dorstens bekanntester Imbiss-Besitzer macht Krebserkrankung öffentlich

Familie Joswig aus Dorsten kämpft um Delfin-Therapie für Jonah (13)