Pfarrer Stephan Rüdiger in der leeren Agathakirche

Pfarrer Dr. Stephan Rüdiger sieht den massiven Mitgliederschwund mit Sorge. Erfolglose Gespräche mit Austrittswilligen findet er deprimierend. © Stefan Diebäcker (Archiv)

Exodus: Wie ein Pfarrer in Dorsten um jedes Mitglied seiner Gemeinde kämpft

rnKirche

Fast 1.000 Gläubige sind in den letzten zwei Jahren in Dorsten aus der katholischen Kirche ausgetreten. Ein Pfarrer berichtet, wie er versucht hat, einen Mann zum Bleiben zu bewegen.

Dorsten

, 01.07.2022, 18:30 Uhr / Lesedauer: 2 min

Pfarrer Dr. Stephan Rüdiger, Geistlicher von St. Agatha und Dechant in Dorsten, hat immer wieder Menschen zu Gast, die aus der Kirche austreten wollen, die es sich aber nicht zu leicht machen und zumindest das Gespräch suchen. „Das finde ich erst einmal großartig. Und dafür werbe ich ja auch.“

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Die Gründe für einen Austritt hat Stephan Rüdiger rasch aufgezählt: Missbrauch, Kirchensteuer bzw. Geldknappheit, Zölibat, Frage nach Frauen in Weiheämtern, Machtstrukturen, Umgang mit Schwulen und Wiederverheirateten. Er berichtete jetzt auf Anfrage angesichts des sich fortsetzenden Exodus aus der katholischen Kirche beispielhaft von einem Gespräch mit einem etwa 60-jährigen Mann, der austreten wollte. „Er hat mich konkret gefragt, wie ich zu all den Kritikpunkten stehe und wie wir vor Ort die Dinge handhaben.“

Natürlich werden bei uns auch Schwule gesegnet, wenn sie es wünschen.“
Pfarrer Dr. Stephan Rüdiger

In der Gemeinde St. Agatha werden „natürlich Schwule gesegnet, wenn sie das wünschen“. Der Pfarrer erklärt, dass „ich natürlich den Mitarbeitern und Ehrenamtlichen auf Augenhöhe begegne, dass wir alle als Getaufte und Gefirmte gleichermaßen Kirche sind und hier bei uns nicht alles am Priester hängen muss, dass wir in St. Agatha eine eigene synodale Gruppe haben, die sich mit diesem Thema auseinandersetzt und es in die Gremien trägt“.

„So etwas ist echt deprimierend“

Der austrittswillige Herr sei dann ganz still geworden und habe gemeint, dass es ja gut sei, „wenn bei uns die Uhren anders ticken“. Einige Wochen später stellte Stephan Rüdiger fest, dass der Mann doch ausgetreten ist. „So etwas ist echt deprimierend. Sind wir vor Ort so unglaubwürdig? Ich rede mir den Mund fusselig und komme mit gut gemeinten Worten nicht weiter.“

Der Dechant glaubt, dass viele Menschen zwar immer wieder mal in ihrem Leben nach Gott oder einer „höheren Macht“ fragen, „aber offenbar braucht es beim Suchen nach Gott keine Kirche mehr“. Diese Haltung ziehe sich mittlerweile durch Generationen.

Diese zunehmende Entfremdung führt nach Meinung von Stephan Rüdiger auch dazu, dass es immer weniger Priester gibt. „Aber wo sollen die Priester herkommen, wenn Heranwachsende damit nicht mehr vertraut gemacht werden und sie kirchliche Gemeinschaft nicht mehr erleben?“

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