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Wie die AfD in Dorsten Politik im Verborgenen macht
AfD-Veranstaltungen
Ein Spitzenpolitiker der AfD hat auf Einladung seiner Partei in Dorsten gesprochen. Die Zuhörer waren handverlesen, der Ort wurde geheimgehalten - für die AfD ein notwendiges Vorgehen.
Gastredner Guido Reil, Mitglied des Bundesvorstandes und auf Listenplatz 2 der AfD für die Europawahl 2019, soll am vergangenen Donnerstag (13. Dezember) für ein „volles Haus“ in Dorsten gesorgt haben, heißt es in einer Mitteilung der Partei. Von weit über 50 Zuhörern ist die Rede, der Ort der Veranstaltung wird allerdings nicht erwähnt.
„Wirtsleute müssen ungenannt bleiben“
AfD-Sprecher Marco Bühne dankt in einer Pressemitteilung drei Tage nach der Veranstaltung auch den Wirtsleuten für ihren Mut. „Aus offensichtlichen Gründen müssen sie ungenannt bleiben.“ Bühne bestätigte am Montag auf Nachfrage, dass „unsere Wirtsleute nicht in der Presse erscheinen möchten. Das müssen wir akzeptieren.“ Da ist wohl die Sorge, Kundschaft zu verlieren, groß.
Die regelmäßigen „Stammtische“ des Stadtverbandes, der Anfang Oktober in Dorsten offiziell gegründet wurde, finden stets hinter verschlossenen Türen statt. Sie werden über die Facebook-Seite (1250 Freunde) angekündigt, nicht aber der „Systempresse“ mitgeteilt. Interessenten müssen per E-Mail oder über die Facebook-Seite ihr Interesse bekunden und werden dann persönlich eingeladen. „Wir möchten ungefähr abschätzen, wieviele Leute teilnehmen“, argumentiert Bühne. Pressevertreter sind bislang nicht erwünscht.
Viele wollen mit der AfD nicht in Verbindung gebracht werden
Unter den am Donnerstag anwesenden Besuchern sowie den Stammtischgästen waren laut Bühne auch eine Reihe von Bürgern, “die uns ausdrücklich gebeten haben, nicht auf Fotos zu erscheinen“. Sie seien Beamte bzw. im öffentlichen Dienst, in anderen Parteien oder Gewerkschaften tätig. „Andere wiederum befürchten Nachteile für ihre Kinder, so sie denn noch zur Schule gehen.“ Ob das alles stimmt, lässt sich derzeit schlecht überprüfen.
Gegendemo beim Infostand auf dem Marktplatz
Einen einzigen öffentlichen Auftritt der AfD gab es bislang in Dorsten: einen Info-Stand auf dem Marktplatz im Oktober. Da bildete sich schnell eine kleine und friedliche „Demonstration“. Die AfD-Gegner hielten Plakate hoch und sangen Lieder, u.a. die Europahymne.
Guido Reil will auch nach Europa, ins europäische Parlament. Trotzdem gab es in Dorsten anlässlich des vermeintlich hochrangigen Besuchs keine offizielle Mitteilung im Vorfeld. Dabei ist Guido Reil eine durchaus interessante politische Erscheinung. 26 Jahre war er Mitglied der SPD in Essen, trat wegen eines heftigen Richtungsstreits über die Flüchtlingspolitik vor zweieinhalb Jahren aus der Partei aus und wurde vor einem Jahr als Beisitzer in den Bundesvorstand der AfD gewählt.
„Das Ruhrgebiet zur Herzkammer der AfD machen“
Der Mann „von der Basis“, so die AfD, der mithelfen will, das Ruhrgebiet „zur Herzkammer der AfD“ zu machen, sprach in Dorsten vor einem ausgewählten Kreis von Zuhörern. Parteisprecher Bühne beschreibt das so: „Trotz eines weitgespannten Themenspektrums lag der inhaltliche Schwerpunkt des Abends auf dem sozialen Profil unserer Bürgerpartei. Ausgehend von vielen Fragen an den Referenten, entwickelte sich eine sehr breit geführte Diskussion über das in der Entstehung begriffene kommunalpolitische Programm des Stadtverbandes Dorsten, in dem der soziale Aspekt eine große Rolle spielen wird.“
„Zunächst sach- und detailkundig machen“
Bislang hat sich die AfD auf ihrer Facebook-Seite kommunalpolitisch zurückgehalten. Ein bisschen Kritik an der geplanten Sanierung des Rathauses gab es, ein bisschen Kritik auch an den Parkgebühren. Man wolle sich „zunächst sach- und detailkundig machen“, hieß es im Oktober, „um in zwei Jahren mindestens entsprechend der AfD-Stärke bei den Landtags- und Bundestagswahlen auch im Rat der Stadt Dorsten vertreten sein zu können“.
Schärfer im Ton wird es auf der vor vier Jahren gegründeten privaten Facebook-Seite „Wir sind Dorsten“ (3000 Mitglieder). Wer hier mitreden möchte, muss zunächst einige Fragen beantworten wie „Was verbindet Dich mit Dorsten?“, auch wenn es in den Beiträgen häufig um die Flüchtlingspolitik des Bundes und ganz allgemein um Kriminalität von Ausländern geht. Ob man aufgenommen wird in die Gruppe, entscheiden drei Administratoren. Einer von ihnen: AfD-Sprecher Marco Bühne.
Veränderungen gab es immer, doch nie waren sie so gravierend. Und nie so spannend. Die Digitalisierung ist für mich auch eine Chance. Meine journalistischen Grundsätze gelten weiterhin, mein Bauchgefühl bleibt wichtig, aber ich weiß nun, ob es mich nicht trügt. Das sagen mir Datenanalysten. Ich berichte also über das, was Menschen wirklich bewegt.
