Kerstin McNichol ist in Hervest aufgewachsen. Sie hat eine Biografie über ihre traumatische Beziehung zu einem Mann veröffentlicht.

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Weltfrauentag: Freund wollte Dorstenerin töten - „Das begleitet mich bis heute“

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Eine Dorstenerin hatte ein schreckliches Erlebnis: Ihr Freund wollte sie umbringen. Das ist die Geschichte einer Frau, die Gewalt erlebt und diese auf besondere Weise verarbeitet hat.

Dorsten

, 07.03.2022, 05:30 Uhr / Lesedauer: 3 min

Kerstin McNichol ist gebürtige Dorstenerin. Sie ist in Hervest aufgewachsen und zur Schule gegangen. Zu ihren Großeltern hatte die 53-Jährige eine innige Beziehung. Dort wuchs sie auf. Und dort begegnete sie irgendwann auch dem vermeintlichen Mann ihres Lebens. „Heute weiß ich: Er ist ein Psychopath“, so die Frau. Ihre Erlebnisse hat sie in einer packenden Biografie verarbeitet. Ursprünglich hießt der Titel des Buches „Lügenherz“, doch den fand die Buchautorin „missverständlich“. Und so nennt sie ihre Lebensgeschichte aus jungen Jahren „Die Ewigkeit dauert ein Jahr - Lügenherz vergeht, die Angst besteht“ (https://kerstinmcnichol.wixsite.com/kerstinmcnichol/luegenherz-1).

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Angst empfindet Kerstin bis heute vor dem Mann. Mit ihm kreuzen sich ihre Wege, als sie zwölf Jahre alt ist. „Eine Freundschaft beginnt, die ich aber als Kind anders wahrgenommen habe als der zwölf Jahre ältere Mann aus Malaysia.“ Der will sie mit 16 Jahren heiraten, um eine Scheinehe einzugehen und dadurch ein Aufenthaltsrecht zu erwerben. Als Kerstin den Antrag ablehnt, verschwindet er aus ihrem Leben.

Geliebter führt ein Doppelleben

„Plötzlich tauchte er wieder auf, als ich schon erwachsen war. Ich habe mich in ihn verliebt“, sagt sie. Doch die Liebe erfährt Risse. Er macht ihr weis, dass er mit seiner Schwägerin und deren Kindern unter einem Dach lebt und die Kinder von seinem Bruder sind. Sie zieht zu ihm in diese merkwürdige Wohngemeinschaft mit Frau und Kindern. Heute weiß sie: „Ich habe in einer Art Harem gelebt und zunächst nicht begriffen, was sich dort abspielte.“ Dass die vermeintliche Schwägerin eigentliche die Ehefrau ihres Freundes war und er mit ihren und den Gefühlen seiner Frau spielte, das weiß sie heute. „Wenn‘s ernst wurde, sprach er Kantonesisch mit ihr. Sie war eifersüchtig und piesackte mich, wann es nur ging.“

Kerstin McNichol vor Schloss Lembeck mit ihrer Familie, Ehemann Dave und den Söhnen William und Stuart. Das Heimweh treibe sie um, sagt sie.

Kerstin McNichol vor Schloss Lembeck mit ihrer Familie, Ehemann Dave und den Söhnen William und Stuart. Das Heimweh treibe sie um, sagt sie. © privat

Und auch das Verhältnis zu ihm entpuppt sich zunehmend als schwierig. „Er manipulierte mich und drohte mir.“ Als er sie erstmals schlägt, schlägt sie zurück. Körperliche Gewalt unterlässt er dann an ihr, schwenkt zu Drohungen um: „Wenn Du mich verlässt, bringe ich Dich um“, sagt er. Erst nimmt sie das in ihrer benebelten Verliebtheit nicht ernst, dann macht ihr die spürbare Aggression des Mannes zunehmend Angst. Sie hat die Nase von ihm voll und verlässt ihn.

Stalking bis zum Tod

Darauf stalkt er sie. „Eines Tages stand er unvermittelt vor der Tür, schubste mich in die Wohnung und legte mir hinterrücks einen Spanngurt um den Hals und zog den zu.“ Sie ist der Bewusstlosigkeit nahe, als ihre Großmutter beherzt eingreift und dem Mann mehrfach mit ihrem Krückstock schlägt. Der lässt von ihr ab und verschwindet. Die Würgemale sind deutlich zu sehen, Kerstin erstattet Anzeige bei der Polizei. „1994 war häusliche Gewalt unter Partnern für die Polizei offenkundig kein Grund, rauszufahren“, sagt sie. Sie müsse schon zur Wache kommen, um Anzeige zu erstatten, sagt man dem Gewaltopfer. Kerstin macht das. Und doch führt die Anzeige nicht zum Erfolg, obwohl ein Arzt die Würgemale attestiert und alle Anzeichen für eine gefährliche Körperverletzung gegeben sind. „Die Polizei hat mich nicht ernst genommen.“

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Wohl auch deshalb, weil der „Verlobte“ selbst auf der Wache erscheint und sich auf eine „Affekthandlung“ bei dem Angriff auf die junge Frau beruft. „Damals hat er mir die Schuld dafür gegeben, dass er mich gewürgt hat“, sagt sie bitter.

Dass sie diese grässlichen Erlebnisse vom 9. August 1994 in der Vennstraße in Hervest in einer Biografie umgehend aufgeschrieben hat, war für Kerstin McNichol so etwas wie Traumabewältigung. „Je älter man wird und je mehr man versucht hat, zu verdrängen, desto mehr kommt in einem hoch“, weiß sie. Das wollte sie sich nicht antun und schrieb ihre furchtbaren Erlebnisse mit dem Mann auf.

Ihr Buch ist über Amazon erhältlich (ISBN 9783754950357). Die Menschen, die es gelesen haben, „haben mir gesagt, dass ihnen das Buch Mut gemacht hat“. So stellt Kerstin McNichol sich das auch vor: „Dass es anderen Frauen hilft, ihre Erfahrungen zu bewältigen, sich Hilfe zu suchen und den Mann zu verlassen, der ihnen Gewalt antut.“

Geschichte endet tragisch

Für die Ehefrau des Malaysiers, dem Kerstin über einige Zeit in Liebe ergeben war, endet die Geschichte übrigens scheußlich und in einer Tragödie. Und sie ist keine Fiktion: „Er hat sie umgebracht“, sagt McNichol. Das weiß sie, weil sie als Zeugin in seinem Prozess auftrat, in dem er wegen Totschlags an seiner Ehefrau zu einer langjährigen Freiheitsstrafe verurteilt worden ist.

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Seit geraumer Zeit lebt Kerstin McNichol mit ihrem Ehemann Dave und ihren beiden Söhnen in Großbritannien. Hier hat sie mit dem ehemaligen Muna-Soldaten, den sie in Dorsten im Irish Pub im damaligen Lippetor-Center kennen gelernt hat, ein neues, glückliches und zufriedenes Leben aufgebaut. Sie hat weitere Bücher geschrieben und veröffentlichen lassen. Doch die Angst vor dem ehemaligen Freund und Lebenspartner ist immer noch nicht vergangen: „Er ist nach Verbüßung seiner Haftstrafe nach Malaysia aus Deutschland ausgewiesen worden und ich hoffe, er bleibt weit weg“, sagt sie. Das schleichend schlechte Gefühl, er wolle ihr vielleicht aus Rache etwas antun, kann sie nämlich nicht abschütteln. „Ich weiß, wozu er fähig ist.“

Kerstin McNichol mit ihren Söhnen in einem Wikingerschiff. Sie mag Events, die sich mit dem frühen oder Mittelalter beschäftigen.

Kerstin McNichol mit ihren Söhnen in einem Wikingerschiff. Sie mag Events, die sich mit dem frühen oder Mittelalter beschäftigen. © privat

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