Vinylcafe-Besitzer Heinz-Bernd Töns erfüllt sich den Traum von der Selbstständigkeit

© Robert Wojtasik

Vinylcafe-Besitzer Heinz-Bernd Töns erfüllt sich den Traum von der Selbstständigkeit

rnExistenzgründung

Den sicheren und gut dotierten Job aufgeben? Familienvater Heinz-Bernd Töns (47) hat dies gewagt und ein Vinylcafe in Dorsten und einen Online-Plattenhandel aufgemacht. Ein mutiger Schritt.

Dorsten, Hervest

, 01.11.2018, 04:55 Uhr / Lesedauer: 5 min

Heinz-Bernd Töns ist noch kräftig am Aufräumen, als wir uns montagsmorgens in seinem „Vinylcafe“ zum vereinbarten Gespräch treffen. „Waren ein paar heftige Tage“, erzählt er, während er ein Bühnenelement verstaut. Am Donnerstag zuvor fand hier die „Acoustic Open Stage“ statt. Am Freitag stieg mit 100 Leuten eine Party mit „Chill-Out-Beats“, auf der ein DJ auflegte. Am Samstag feierte er bei sich im Laden nach dem Auftritt der Band-Legende „Birth Control“ in der benachbarten Traumfänger-Galerie noch eine After-Show-Party mit der Dorstener Rock-Gruppe „Flametree“. Am Sonntag war es schon wieder voll, als zum bestens besuchten Saison-Finale des US-Car-Treffens das Duo „Art of Random“ auf seiner Bühne stand.

Der Terminkalender ist voll

Und nebenbei hatte er über seinen Online-Platten-Shop noch ein paar Vinyl-LPs verkauft. Doch über Stress will sich Töns nicht beklagen: „Genauso habe ich es ja gewollt.“ Bis Ende des Jahres stehen rund 25 weitere Veranstaltungen an: öffentliche Partys, Konzerte, Sessions, private Feiern für geschlossene Gesellschaften. Sein voller Terminkalender zeigt dem 47-jährigen Schermbecker: „Ich denke, ich habe alles richtig gemacht.“ Der Sprung ins kalte Wasser hat sich also gelohnt.

Das Vinylcafe befindet sich im ehemaligen Trafo-Gebäude der Schachtanlage Fürst Leopold.

Das Vinylcafe befindet sich im ehemaligen Trafo-Gebäude der Schachtanlage Fürst Leopold. © Privat

Denn Heinz-Bernd Töns hat vor ein paar Monaten einen sicheren und gut dotierten Job als Servicetechniker für Schweißgeräte aufgegeben, um sich ganz seinen bisherigen Freizeitaktivitäten widmen zu können: Seit gut acht Jahren handelt er im Internet mit Vinyl-Platten und CDs, und Ende 2016 eröffnete er im Trafogebäude der ehemaligen Schachtanlage Fürst Leopold in Dorsten einen Treffpunkt der besonderen Art: Auf 120 Quadratmetern gleichermaßen rauer wie gemütlicher Industrie-Chic-Fläche findet sich hier eine kleine Gastronomie mit Theke, Bühne, Tischen und Stühle für 80 bis 90 Gäste, in einem Nebenraum können die Besucher in Plattenkisten stöbern und die runden Scheiben gleichzeitig auch auflegen.

Ein paar Straßen weiter befindet sich zudem der gut 100 Quadratmeter große Lagerraum für seine Internet-Handelsplattform: bestückt mit 20.000 Vinyl-LPs und 70.000 Singles, dazu noch mal die gleiche Anzahl an CDs. „Den habe ich angemietet, nachdem ich vor ein paar Jahren den Nachlass eines verstorbenen Plattensammlers erworben habe“, sagt Töns: „100.000 Singles und 25.000 LPs standen bei ihm, 8,5 Tonnen schwer.“

„Schwarzes Gold“ heißt der Veranstaltungsort

„Schwarzes Gold“ hat Töns seinen Veranstaltungsort genannt - Hommage an die alten Kohle-Zeiten, aber auch eine Namensverbindung zu den schwarzen Scheiben, die er hier präsentiert. Für den im Dorstener Stadtteil Hervest aufgewachsenen Geschäftsgründer schließt sich dabei ein Kreis: Von 1988 bis 1990 machte er auf der damals noch existierenden Zeche eine Ausbildung zum Elektriker, arbeitete jahrelang unter Tage, bevor er beim seinerzeitigen Stewing-Nachfolger „S & O“ im Gewerbegebiet Barbarastraße als Betriebselektroniker anheuerte.

„Dort waren 40 Schweißgeräte im Einsatz, da habe ich mich in die Schweißtechnik reingearbeitet“, erzählt er. Im Jahr 2000 wechselte Töns zur Firma „TST“. Als seine beiden Chefs schließlich die Schweißtechnikfirma „Reiz“ (Hattingen, jetzt Essen) übernahmen, folgte er ihnen. Der Schermbecker war dort für die elektrischen TÜV-Prüfungen und die Reparatur von Schweißgeräten verantwortlich. „Unsere Kunden saßen in ganz Nordrhein-Westfalen“, sagt er. „Vom kleinen Krauter bis hin zu Groß-Unternehmen wie Uniper, BP, das Kraftwerk Scholven oder die Bogestra.“

Natürlich darf auch eine Juke-Box (rechts) im Vinylcafe nicht fehlen.

Natürlich darf auch eine Juke-Box (rechts) im Vinylcafe nicht fehlen. © Privat

Gute Arbeit, guter Lohn. „Ich habe dort immer gerne gearbeitet“, bekräftigt der Schermbecker. Und dennoch: Wegen seiner „Nebenjobs“ hatte er immer weniger Zeit für seine Familie. Außerdem: „Die Fahrerei zu den Kunden wurde wegen der vielen Staus und Baustellen unterwegs immer anstrengender und zeitaufwändiger.“ Und der Job selbst erfüllte Heinz-Bernd Töns in der Praxis immer weniger: „Früher gab es 30 Prozent Prüfungen und 70 Prozent Reparaturen, das hat sich wegen der vielen bürokratischen Vorgaben komplett gedreht.“

Rückkehr in die Firma möglich

Im Sommer entschloss er sich deshalb dazu, sich komplett ins Abenteuer „Selbstständigkeit“ zu stürzen. Nun muss er selbst für seine Altersvorsorge und seine Krankenversicherung aufkommen. „In der Firma habe ich ja immer erzählt, was ich nebenbei so mache“, sagt er, „deswegen war meine Entscheidung für meine Chefs keine allzu große Überraschung“. Dass die Firmen-Inhaber dem Schermbecker anboten, „jederzeit in Teil- oder Vollzeit wieder zurückkehren zu können“, machte nicht nur Heinz-Bernd Töns glücklich. „Auch für meine Frau war dies eine Erleichterung.“ Dajana Töns war anfangs schwer besorgt, ob denn künftig genügend Geld da ist - immerhin wollen mit Lina (8) und Laura (12) auch zwei kleine Töchter versorgt sein.

Jeden zweiten Donnerstag können sich Singer/Songwriter bei der „Acoustic Open Stage“ präsentieren.

Jeden zweiten Donnerstag können sich Singer/Songwriter bei der „Acoustic Open Stage“ präsentieren. © Privat

Heinz-Bernd Töns hat zwar ein Gewerbe angemeldet, „aber ansonsten habe ich mich weder beraten lassen noch mich bei irgendwelchen Förderprojekten für Existenzgründer angemeldet“, sagt er. „Und ich hatte das Glück, dass ich den größten Teil des Mobiliars umsonst bekommen habe, das hat bei Anschubfinanzierung echt entlastet.“ Er ist froh, dass seine Frau und seine Schwägerin von Anfang mit zum Unterstützer-Team des „Vinylcafes“ gehörten und immer wieder hinter der Theke aushelfen.

Zwei 450-Euro-Kräfte im Visier

Inzwischen ist dort gut zu tun: „Ich werde wohl zwei 450-Euro-Kräfte einstellen müssen, alleine schaffen wir das gar nicht mehr“, sagt er. Vor allem jeden zweiten Donnerstag im Monat, wenn Töns gemeinsam mit dem Dorstener Miguel Bernabeu bei freiem Eintritt die „Acoustic Open Stage“ anbietet und damit Singer-Songwritern aus der Region Live-Auftrittsmöglichkeiten gibt, ist das Cafe voll. „Wir haben ein festes Stammpublikum, das uns von Anfang an die Treue hält“, sagt Töns.

Künftig verstärkt Partys an Wochenenden

Bislang hatte das Vinylcafe regelmäßig donnerstags ab 19 Uhr und samstags ab 12 Uhr auf, nun hat Heinz-Bernd Töns genügend Zeit, auch mal bei Buchungen und Konzerten an anderen Tagen die Türen zu öffnen, immer in Absprache mit der Agentur „Nightaffairs“, die regelmäßig die Traumfänger-Galerie nutzt und seine Vermieterin ist.

Der Schermbecker hat die Erfahrung gemacht: „Die Gäste kommen dann, wenn gleichzeitig ein Event stattfindet.“ Künftig wird er deshalb verstärkt Partys an Wochenenden organisieren, im nächsten Jahr wird es an jedem Donnerstag Live-Auftritte geben, außerdem Weinverkostungen, Whisky-Tasting, Brunch-Angebote. „Und es melden sich immer mehr Leute an, die das Cafe für Geburtstage oder Firmenfeiern mieten wollen“, sagt er. Wie die Lehrer der Gesamtschule Wulfen, die hier demnächst ihre Weihnachtsfeier begehen. „Die Leute wissen, dass es bei uns einfach zugeht – aber gerade das schätzen sie.“

In den ersten Wochen hat sich gezeigt: 50 Prozent der Einnahmen erzielt das „Vinylcafe“, die andere Hälfte kommen aus den Erlösen des Online-Plattenhandels. „Vinyl ist wieder im Kommen“, weiß Töns. Mit Musik hatte er schon in jungen Jahren zu tun. Seine Eltern betrieben „Töns Tenne“ (heute sind dort die Kanuten der „Lippepiraten“ beheimatet), dort traten regelmäßig Bands wie die „Flophouse String Band“ auf: „Und da habe ich auch meine ersten Partys veranstaltet und Platten aufgelegt.“

Heinz-Bernd Töns inmitten der Mitglieder der Rocklegende „Birth Control“, die im Vinylcafe eine After-Show-Party feierten.

Heinz-Bernd Töns inmitten der Mitglieder der Rocklegende „Birth Control“, die im Vinylcafe eine After-Show-Party feierten. © Privat

Um das Jahr 2000 herum bot er seine alten Platten zum Verkauf an, vergebens. Auch bei einem der größten Trödelmärkte am Niederrhein während des PPP-Stadtfestes in Wesel versuchte er erfolglos sein Glück. „Wie das Schicksal es wollte, habe ich aber dort selbst eine Sammlung von 2000 LPs erworben.“ 200 Euro hatte Töns dafür bezahlt – und anschließend versucht, einzelne Platten zu verkaufen. Mit Erfolg: „Allein mit 30 Platten aus der Sammlung habe ich damals 400 Euro und damit 100 Prozent Gewinn erzielt.“

Tief in die Schallplatten-Historie eingetaucht

Der Schermbecker fing an, auf Trödelmärkten und Plattenbörsen mit LPs zu handeln. „Anfangs hatte ich keine Ahnung“, gesteht er. „Da habe ich 120 Euro Standgebühr bezahlt, aber nur 150 Euro Umsatz gemacht.“ Mit den Jahren eignete er sich die Rock-Musikhistorie an und auch die Geschichte(n) der Platteneinspielungen, informierte sich darüber, welche Plattencover, Labels und Editionen selten und deshalb gewinnversprechend sind. „In der Auslaufrille ist eine Nummer eingestanzt, danach und nach dem Zustand bemisst sich der Wert der Platte“, erklärt Töns: „Anhand der Nummer kann man nämlich erkennen, ob es womöglich eine der begehrten Erstpressung ist, von der immer nur 1000 bis 1500 Exemplare von der Mutterplatte hergestellt werden.“

Heinz-Bernd Töns veranstaltet seit 2015 in der Lohnhalle regelmäßig Schallplatten- und CD-Börsen. Die nächste findet am 24. November (Samstag) statt.

Heinz-Bernd Töns veranstaltet seit 2015 in der Lohnhalle regelmäßig Schallplatten- und CD-Börsen. Die nächste findet am 24. November (Samstag) statt. © Ralf Pieper

Oft kauft der Schermbecker Plattensammlungen en bloc und in hoher Stückzahl, hin und wieder sind echte Ringeltäubchen dabei. Einmal habe er vier Platten für insgesamt 1500 Euro weiterverkaufen können, „für die komplette Sammlung hatte ich vorher nur 100 Euro auf den Tisch gelegt“. Ein anderes Mal hatte er von einem Dachboden die Kollektion einer verstorbenen Seniorin abgeholt. „Ich hatte keine großen Erwartungen, aber es befand sich eine seltene LP der deutschen Band „Eloy“ darunter, die 600 Euro eingebracht hat.“

5000 Schallplatten regelmäßig im Online-Angebot

Befinden sich Schlager-, Volksmusik- oder Klassik-LPs unter den gekauften Objekten, sortiert Heinz-Bernd Töns sie zumeist aus, nur die erfolgversprechenden Platten landen auf seiner Internet-Seite. „Zu 99 Prozent sind auch die Veröffentlichungen von bekannten Stars nichts wert.“ Aber wenn er obskure Cover in der Hand hält oder neuwertige LPs von Bands, die er nicht kennt, erwacht sein Instinkt: „Dann mache ich mich im Internet auf die Suche nach Informationen und stelle die Platte zum Verkauf ein.“ Derzeit bietet er 5000 Artikel an, „60 bis 80 Platten gehen durchschnittlich im Monat weg“. Der Umsatz hänge auch von der Jahreszeit ab. „Bis 1000 Euro sind es im Sommer, im Vorweihnachtszeit können es auch mal bis zu 4000 Euro sein.“

Nächste Plattenbörse am 24. November

Einen Teil seiner Lagerware wird übrigens Heinz-Bernd Töns am 24. November (Samstag) verkaufen - neben 15 anderen Händlern auf insgesamt 100 Metern Standfläche. Dann wird der Schermbecker zum sechsten Mal (natürlich unter dem Namen „Schwarzes Gold“) eine „Schallplatten- und CD-Börse“ im Creativ-Quartier Fürst Leopold veranstalten. Und zwar in der Lohnhalle - dort also, wo er schon als junger Bergwerkselektriker ausbezahlt wurde. Und anschließend steigt im Vinyl-Cafe ab 21 Uhr die Rewriting-History-Party. Ist natürlich schon ausverkauft.

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