Als „kleines Happy End“ bezeichnet der Verein Wolfsschutz-Deutschland, dass das Verwaltungsgericht Düsseldorf kurz vor Weihnachten mit Zwischenverfügungen vorerst verhindert hat, dass Wölfin Gloria geschossen werden darf. Der Kreis Wesel hatte daraufhin die Beauftragung einer „sachkundigen Person“ gestoppt, die die Entnahme der Wölfin durchführen soll. Nun wird auf die endgültige Entscheidung des Gerichts gewartet.
Der Kreis Wesel hatte in seiner Verfügung geschrieben: „Vorliegend ist kein Rudel betroffen, sondern es existiert in dem (...) Gebiet nur ein weiterer Wolf.“ Gemeint ist das Gebiet, in dem der Abschuss erlaubt werden soll. Der Kreis habe damit die Existenz eines Rudels geleugnet, so Wolfsschutz-Deutschland. Der Verein hat ein Video veröffentlicht, das aus September 2023 stammen soll und zwei Welpen und einen „Babysitter“ im Wolfsgebiet Schermbeck zeigen soll. „Insgesamt muss von fünf Wölfen ausgegangen werden.“
Für eine gerichtliche Bewertung könnte dies relevant sein, da Muttertiere, von denen Welpen abhängig sind, nicht geschossen werden dürfen. Allerdings fällt sofort in der Aufnahme auf, dass als Datum der 14. Juni 2022 genannt wird, während die Uhrzeit auf 11.35 Uhr steht. „Das Datum in der Kamera stimmt nicht“, so Wolfsschutz-Deutschland. Die Aufnahme soll von einer Wildkamera stammen, die von Ehrenamtlichen betreut wird für das „vereinseigene Monitoring“.
„Normalerweise sind dies Daten, die wir nicht öffentlich machen, in diesem Fall dient die Veröffentlichung aber dem Schutz des Rudels und sie macht auch deutlich, wie wichtig unser vereinseigenes Monitoring ist“, so Wolfsschutz-Deutschland.
„Hat man lange liegen lassen“
Birgit Kaiser de Garcia vom Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz NRW ist auf Nachfrage von dieser Vorgehensweise nicht begeistert: „Wenn die Wölfe im September beobachtet wurden, hat man das aber lange liegen lassen.“ Aufnahmen wie Fotos oder Videos, die Wölfe zeigen könnten, sollten immer „direkt ans LANUV geschickt werden“. Dafür gebe es eine Bereitschaft, die rund um die Uhr arbeite. „Die Aufnahmen werden dann bei uns geprüft und beim LUPUS Institut für Wolfsmonitoring und -forschung.“
In der Vergangenheit hätten sich vermeintliche Aufnahmen von Wölfen oft als „wiederkehrende Fotos“ erwiesen. Kann man aber überhaupt eine Video-Aufnahme, die von einer Nachtsicht-Kamera aufgenommen wurde, auf Echtheit prüfen? „Da sieht man nachts meistens nicht so viel“, räumt Kaiser de Garcia ein, aber die Fachleute würden etwa die Umgebung und Vegetation prüfen. „Die haben ihren Blick, ob so etwas echt ist oder nicht.“
„Nicht mehr als Gerüchte“
Kaiser de Garcia: „Im Internet kursieren noch weitere angebliche Sichtungen von Welpen aus dem Sommer/Herbst 2023. Allen ist gemeinsam, dass die Bilder und Videos dem LANUV auch auf Nachfrage nicht gemeldet wurden. Folglich konnte keine Verifizierung durchgeführt werden. Und damit bleiben es leider nicht mehr als Gerüchte.“
Deshalb könne das LANUV im aktuellen Monitoring-Jahr bislang im Bereich der Förderkulisse Westmünsterland keinen Nachweis einer Reproduktion führen. „Das LANUV arbeitet nach wissenschaftlich begründeten Monitoringstandards. Das verbietet uns, uns an Spekulationen zu beteiligen.“

Neun Welpen
Offizieller Stand ist aktuell, dass Gloria neun Welpen hatte: 2020 einen, 2021 vier und auch 2022 vier. Der Welpe aus 2020 wurde 2021 in der niederländisch-belgischen Grenzregion nachgewiesen. Vom 2021er-Wurf wurde ein weiblicher Welpe im Juni 2021 versehentlich von einem Spaziergänger aufgegriffen, weil er sie für eine verletzte Hündin hielt. Die Wölfin wurde gefüttert und geduscht. Erst der Tierarzt identifizierte das Tier als Wölfin, die noch am selben Tag ausgesetzt wurde.
„Das Tier ist seitdem verschollen“, so der Kreis Wesel in der Verfügung. Von zwei männlichen Welpen gab es zuletzt im Dezember 2021 und Februar 2022 Nachweise. Ein weiterer männlicher Nachkomme verließ das Rudel Richtung Niedersachsen und sorgte Ende 2022/Anfang 2023 mit zahlreichen Rissen für Aufsehen.
Tod auf der A31
Von den vier Welpen aus dem 2022er-Wurf wurde ein Männchen im Dezember 2022 bei einem Verkehrsunfall auf der A31 getötet. Von zwei weiteren Welpen fehlt seit Dezember 2022 beziehungsweise Februar 2023 jeglicher Nachweis. Ein weiblicher Welpe aus dem Wurf konnte zuletzt im August 2023 im Wolfsgebiet nachgewiesen werden. „Es ist davon auszugehen, dass sich aktuell das Individuum GW3044f aus der Reproduktion 2022 im Territorium aufhält“, so der Kreis.
Damit liegt die „offizielle“ Zahl der Wölfe in der Region bei drei: Gloria, ihre Tochter sowie der Wolfsrüde GW3616m, der erst seit Juni 2023 im Gebiet nachgewiesen werden konnte. Von Glorias Bruder (GW1587m), mit dem sie die Nachkommen zeugte, fehlt seit Januar 2022 jede Spur.
Bärendienst
Mit dem Zurückhalten des Videos von angeblichen Welpen könnten die Mitglieder von Wolfsschutz-Deutschland Gloria also einen Bärendienst erwiesen haben. Birgit Kaiser de Garcia: „Wenn ein Interesse besteht, das Tier zu schützen, sollte man so ein Video bestätigen lassen. Damit sie zeigen, dass sie recht haben.“
Hinweis der Redaktion: Dieser Artikel erschien ursprünglich am 7. Januar 2024.
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