Der Albtraum hört nicht auf Richter über Unfallfolgen geschockt

Der Albtraum hört nicht auf: Richter über Unfallfolgen geschockt
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Dieser Anblick war nur schwer zu ertragen. Der junge Mann, der am Essener Landgericht in einem Rollstuhl in den Gerichtssaal geschoben wurde, hatte nur eine kurze Hose an. Das rechte Bein war fixiert, völlig vernarbt und teilweise verfärbt. Ob es gerettet werden kann, ist unklar.

Es war der 8. September 2021, als er gemeinsam mit einem Freund mit dem Motorrad auf der L608 (Hervester Straße) unterwegs war. Kurz vor der Auffahrt zur A52 stand rechts ein Auto. Nichts deutete auf eine Gefahr hin. Doch dann gab der Autofahrer plötzlich Gas, zog seinen Wagen über die Fahrbahn. Er wollte wenden - trotz durchgezogener Mittellinie. Die Motorradfahrer hatten keine Chance.

Nur noch zu Hause

Sie krachten ungebremst in die Fahrerseite des Kleinwagens. Dass sie überlebt haben, gleicht fast einem Wunder. Als die Richterin im Prozess die endlos scheinende Liste der Verletzungen vorlas, legte sie immer wieder Pausen ein und schüttelte den Kopf. Mehrere Wirbel waren gebrochen, zahlreiche Knochen, die Lunge war gequetscht.

„Er hat mein Leben – so wie es war – beendet“, sagte der Auszubildende, der nun auf einen Rollstuhl angewiesen ist, mit stockender Stimme. Dabei zeigte er auf den Angeklagten. „Ich kann die Wohnung nur noch verlassen, wenn ich ins Krankenhaus muss.“ Alles andere sei viel zu riskant.

Immer wieder Komplikationen

22-mal ist er nun schon operiert worden. Vor allem am Oberschenkel. Zuletzt Anfang Februar. Es gab immer wieder Komplikationen. Bis August darf das Bein nicht belastet werden. Mindestens. Als der Unfall passierte, hatte der Herner gerade eine Ausbildung als Pflegefachkraft begonnen. „Mein Traum war es, Menschen zu helfen“, sagte er den Richtern. „Jetzt falle ich meinen Angehörigen nur noch zur Last.“

Auch sein Freund ist damals schwer verletzt worden. Auch er kann seinen Beruf als Kfz-Mechatroniker nicht mehr ausüben. In der Hand hat sich nach dem Unfall Arthrose gebildet. Trotzdem hatte er mehr Glück. Er kann zumindest wieder laufen. Wenn auch nicht mehr so wie früher. Ein Bein ist leicht verkürzt.

Erstes Urteil zu niedrig

Das Amtsgericht Dorsten hatte den 28-jährigen Autofahrer in einem ersten Prozess zu einer Geldstrafe in Höhe von 1.800 Euro (60 Tagessätze) verurteilt - wegen fahrlässiger Körperverletzung. Doch das wollte vor allem die Staatsanwaltschaft nicht akzeptieren. Sie hielt das Urteil wegen der schweren Verletzungsfolgen für viel zu niedrig.

Genau so sahen es am Ende auch die Berufungsrichter am Essener Landgericht. Sie verhängten sieben Monate Haft auf Bewährung. Der Angeklagte hatte erklärt, dass er sich verfahren hätte und wenden wollte, um nicht auf die Autobahn auffahren zu müssen. Die beiden Motorradfahrer hatte er nicht gesehen.