Die Entscheidung der Stadtverwaltung und die Beschlüsse der Politik, für die zukünftige Unterbringung von jeweils bis zu 50 Flüchtlingen einen Neubau an der Halterner Straße/Ecke Hellweg zu realisieren und das ehemalige „Perspektive-Hauses“ in der Straße „An der Molkerei“ zu erwerben, hat zum Teil auch zu kritischen Reaktionen und Leserbriefen geführt.
Wie aber sieht die derzeitige Auslastung in den städtischen Flüchtlings-Unterkünften aus? Mit welchen Zahlen rechnen Stadt und Politik in Zukunft? Sie müssten jedenfalls dringend Vorsorge treffen, betonen sie öffentlich.
Denn in 2024 beziehungsweise in 2025 werden die beiden in Dorsten ansässigen Zentralen Unterbringungseinrichtungen (ZUE) des Landes auslaufen, in denen zeitweise insgesamt bis zu mehrere hundert Flüchtlinge übergangsweise unterkommen, bevor sie auf andere Kommunen verteilt werden.
Derzeit profitiert die Stadt davon, dass sie diese beiden Standorte (altes Petrinum und Sportplatz der ehemaligen Gerhardt-Hauptmann-Realschule an der Bismarckstraße) dem Land zur Verfügung stellt - denn im Gegenzug werden Dorsten vom Land NRW weit weniger Flüchtlinge zugewiesen, als die Lippestadt laut Verteilungsschlüssel normalerweise in ihre städtischen Unterkünfte aufnehmen müsste.
2022 ein Ausnahmejahr
„Durch die beiden großen Einrichtungen hat die Stadt ihre Aufnahmeverpflichtung in der jüngeren Vergangenheit immer erfüllt“, erklärt Ludger Böhne, der Pressesprecher der Stadt.
Dies zeige sich in den niedrigen Zuweisungszahlen für die städtischen Unterkünfte in 2021 und 2023 mit jeweils unter 50 Flüchtlingen. Nur in 2022 waren es mehr als 200. „Das war mit dem russischen Überfall auf die Ukraine ein Ausnahmejahr“, so Böhne. Die ukrainischen Flüchtlinge seien aber „schnell in den regulären Wohnungsmarkt integriert worden“.
Ab Frühjahr 2024 wird sich die Zuweisungssituation allerdings ändern. Dann wird als erstes die Landeseinrichtung an der Bismarckstraße dauerhaft aufgelöst. Heißt: Dorsten ist gesetzlich verpflichtet, mehr „kommunale Flüchtlinge“ unterzubringen.
Zwar ändert sich zum Jahreswechsel die Anrechnung der „Landes-Plätze“. Die Plätze im alten Petrinum werden dann stärker als bisher zugunsten der Stadt gewichtet. „Und sie werden aktuell durch den Bau von Mobilheimen zudem von 250 auf 350 erhöht“, so Böhne.
Dennoch: Angesichts der aktuellen Zahlen rechnet die Stadt derzeit damit, dass sie nach Schließung der Landesunterkunft an der Bismarckstraße im Laufe des nächsten Jahres „nach und nach 150 bis 200 schutzsuchende Menschen zusätzlich aufnehmen muss“.

Derzeit leben in den Wohnungen der aktuell acht städtischen Dorstener Flüchtlingsunterkünfte in der Altstadt (Crawleystraße), der Feldmark (Hammer Weg), in Hervest (An der Wienbecke), in Holsterhausen (Luisenstraße und Apostelstiege), in Wulfen-Barkenberg (Beckenkamp) und in Alt-Wulfen (Verspohlweg) knapp 180 Menschen. Zudem hat die Stadt 24 Wohnungen angemietet, in denen theoretisch 166 Bewohner Platz finden würden.
Von diesen insgesamt fast 350 Plätze sind zwar derzeit fast 100 (davon fast 70 in den Flüchtlingsheimen) nicht belegt - dass die Wohnungen aber in der Praxis im Augenblick nicht bis zum Maximum belegt werden können, hat aber laut Stadt mehrere Gründe.
Vermehrt kämen nämlich Flüchtlingsfamilien unterschiedlicher Größe nach Dorsten. Darüber hinaus gäbe es auch medizinische oder psychologische Notlagen, die einer Unterbringung in Wohngemeinschaften entgegen stünden. Und auch religiöse und soziale Hintergründe seien zu beachten. „Hierdurch reduzieren sich Kapazitäten, da die Wohneinheiten nicht nach statistischen Zahlen, sondern nach den tatsächlichen Notwendigkeiten belegt werden müssen“, heißt es.
Mit diesen aktuell freien Plätzen, den zusätzlichen Plätzen in dem geplanten Neubau am Hellweg und dem angekauften Mehrfamilienhaus An der Molkerei sowie unter Berücksichtigung einer ständigen Belegungsfluktuation sei die Stadt darauf vorbereitet, die ab Frühjahr 2024 zusätzlich erwarteten geflüchteten Menschen „angemessen, dezentral, wirtschaftlich vernünftig und mit Angeboten der Begleitung unterzubringen“, so Ludger Böhne. Und könne es so vermeiden, „absolute Notunterkünfte zum Beispiel in Turnhallen einrichten zu müssen“.
Langfristige Planung unmöglich
Ludger Böhne betont: „Gleichwohl bleibt eine langfristige Planung unmöglich.“ Denn niemand könne vorhersagen, ob es wie 2015 in Syrien oder 2022 in der Ukraine zu unerwarteten, dynamischen Fluchtbewegungen kommt, auf die dann letztlich die Kommunen reagieren müssen.
„Ebenso ist nicht absehbar, ob die von der Stadt Dorsten dringend eingeforderten politischen Entscheidungen auf nationaler oder europäischer Ebene die Zuwanderung von Schutzsuchenden begrenzt oder besser in Europa verteilt.“
Außerdem: Wenn in 2025 die zweite Dorstener Landesunterkunft schließt, hätte Dorsten womöglich weitere Zuweisungen zu erwarten und müsste noch mehr Unterbringungsmöglichkeiten schaffen.
Andersherum aber: „Ein mögliches Ende des Krieges in der Ukraine würde sicherlich dazu führen, dass viele von dort geflüchtete Menschen wieder in die Heimat zurückkehren.“ Auch das hätte erneut Auswirkungen auf die Zuweisungsquoten und auf den Wohnungsmarkt, so Böhne.
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