
© Oskar Neubauer
„Schmierenkomödie“ um den Tisa-Brunnen: Wer wusste wann was?
Tisa-Brunnen
Der Nachbau des Tisa-Brunnens soll auf den Kirchplatz St. Agatha. Das war wohl nicht so überraschend, wie es in der entscheidenden Ratssitzung schien. Doch wer wusste was? Und wann?
Als „Schmierenkomödie“ hat ein Internet-Portal die Entscheidung des Stadtrates bezeichnet, einen Nachbau des Tisa-Brunnens auf den Kirchplatz St. Agatha zu setzen. Doch war das Votum tatsächlich von langer Hand eingefädelt und die Öffentlichkeit bewusst im Unklaren gelassen worden, bis schließlich Bürgermeister Tobias Stockhoff „das Kaninchen aus dem Hut zauberte“, wie Kritiker monieren?
Der Reihe nach: Der Kunstbeirat der Stadt hatte im Juni nach langer und wie gewohnt nicht-öffentlicher Beratung vorgeschlagen, den Tisa-Brunnen überhaupt nicht mehr aufzubauen. Über diese Sitzung ist ein langes Protokoll verfasst worden, das in Auszügen auch veröffentlicht worden ist. Folgende Passage ist aber u.a. unter Verschluss gehalten worden.
„Herr Bürgermeister Stockhoff berichtet außerdem von einem Bürgerhinweis zur Möglichkeit, den Brunnen ggf. auf dem Platz zwischen St.-Agatha-Kirche und Altem Rathaus neu zu positionieren. Hier müsse allerdings auch geprüft werden, welchen Einfluss Bepflanzung und Bewurzelung des Platzes auf solch ein Vorhaben haben würden. Darüber hinaus befände sich der Platz im Eigentum der kath. Kirchengemeinde St. Agatha.“
Politik kannte die Idee bereits weit vor der Sitzung
Damit ist klar, dass der optionale Standort zwischen Kirche und Alten Rathaus nicht erst kurz vor der Ratssitzung in die politische Debatte geworfen wurde, sondern mindestens etwa zwei Wochen zuvor. In dem Beirat sitzen ja nicht nur Kunst-Sachverständige, sondern auch Vertreter der Ratsfraktionen.
In der Ratssitzung am 30. Juni wurde allerdings durchaus der Eindruck erweckt, als habe sich die neue Möglichkeit ganz kurzfristig ergeben. Eine Tischvorlage, wie in anderen Fälle durchaus üblich, gab es deshalb wohl nicht, konnte man meinen. Die Sitzung wurde eigens unterbrochen, um Pfarrer Dr. Stephan Rüdiger Rederecht zu ermöglichen: „Im Kirchenvorstand gab es nur eine Gegenstimme“, sagte er.

Pfarrer Dr. Stephan Rüdiger (St. Agatha) präsentierte der Öffentlichkeit in der Ratssitzung am 30. Juni den alternativen Brunnenstandort. © Bistum Münster
Dass die Fraktionen anschließend um eine zehnminütige Beratungszeit baten, hat auch eine pikante Note. Tobias Stockhoff bestätigte auf Anfrage, dass das Original-Protokoll der Beiratssitzung, das der Öffentlichkeit vorenthalten wurde, allen Ratsmitgliedern Tage vor der Sitzung zum Download angeboten wurde. „Wer davon Gebrauch gemacht hat und ob es dann auch gelesen wurde, weiß ich natürlich nicht.“
Die ,Geheimniskrämerei“, wie Kritiker im Nachhinein die Vorgehensweise bezeichnen, rechtfertigt der Bürgermeister u.a. damit, dass es sich um den Hinweis eines namentlich nicht genannten Bürgers gehandelt habe, der aber zum damaligen Zeitpunkt „noch nicht geprüft worden“ war. Und: Der Kirchplatz sei ein privates Grundstück, das die Stadtverwaltung nicht einfach zum Gegenstand einer öffentlichen Debatte machen könne.
Umzug des Brunnens ist technisch machbar
Inzwischen jedoch hat es Gespräche mit der Gemeinde St. Agatha und der Firma Ipe gegeben. Ihr gehört das alte Sparkassen-Gebäude (heute C&A) am Marktplatz, in dessen Keller die Brunnentechnik noch liegt. Die Chance, dass das Wasserspiel im nächsten Jahr tatsächlich auf dem Kirchplatz nachgebaut wird, stehen nach Meinung von Tobias Stockhoff nicht schlecht. „Die Fachleute sagen: technisch aufwändig, aber machbar.“
Und es gilt offenbar auch als gut möglich, dass nicht ein einziger Baum vor dem Kirchenportal gefällt werden muss. Im Herbst 2022 wird das Laub dann wohl nicht nur auf den Asphalt, sondern auch in den neuen Tisa-Brunnen fallen können.
Veränderungen gab es immer, doch nie waren sie so gravierend. Und nie so spannend. Die Digitalisierung ist für mich auch eine Chance. Meine journalistischen Grundsätze gelten weiterhin, mein Bauchgefühl bleibt wichtig, aber ich weiß nun, ob es mich nicht trügt. Das sagen mir Datenanalysten. Ich berichte also über das, was Menschen wirklich bewegt.
