Das Eis, auf dem sich der wegen versuchten Totschlags angeklagte Mann (23) aus Rhade bewegt, wird immer dünner. Seine Version, dass ein Bekannter zugestochen habe, glauben Richter und Staatsanwalt nicht. Inzwischen sehen sie ihre Zweifel offenbar bestätigt.
Denn dem Schwurgericht in Münster liegt ein Brief des Angeklagten vor, den er aus der Haft an seine Kumpel schicken wollte. Die Gefängnisleitung fing den Brief aber ab. Darin wollte er seine zum Teil ebenfalls beschuldigten Begleiter aus der Tatnacht auf seine Version einschwören. Sollten sie nun als Zeugen falsch aussagen, dann droht ihnen nicht nur Ärger wegen Mittäterschaft, sondern auch wegen Falschaussage.
Am Donnerstag (4.4.) saß die Mutter des Angeklagten auf dem Zeugenstuhl. Sie hatte die Razzia samt Spezialkommando in ihrem Haus am 6. September, also drei Wochen nach der Tat, miterlebt. Dabei fand die Polizei unter anderem Drogen im Puppenwagen der kleinen Schwester des Angeklagten.
Vor allem aber fand sie eine schwarze Adidas-Hose mit weißen Streifen. Ein solche Hose und die dazugehörige Jacke hatte der Täter mutmaßlich in der Tatnacht getragen. Auf einem Tankstellenvideo, das eine Gruppe kurz vor der Tat auf dem Weg von der Heidener Innenstadt zur Schützenfestwiese zeigt, trägt ein Mann eine solche Adidas-Jacke. Die Beschreibung passt zum Angeklagten: groß, schlank, blond.
„Alles erstunken und erlogen“
Bei der Durchsuchung am 6. September hatte die Mutter des Rhaders gesagt, dass ihr Sohn eine zur Adidas-Hose passende Jacke besessen habe. Vor Gericht widersprach sie jetzt: Sie habe nie von einem passenden Kleidungsstück, sondern nur von einer schwarzen Kapuzenjacke ihres Sohnes gesprochen.
Da platzte einem Richter der Kragen. „Was sie uns hier auftischen, ist doch erstunken und erlogen.“ Natürlich sei das alles schrecklich für sie und sie wolle ihren Sohn schützen. Aber wenn sie vor Gericht die Unwahrheit sage, dann mache sie sich strafbar.
Seit der Tatnacht ist die Jacke, an der möglicherweise Blut des Opfers klebte, verschwunden. Der Angeklagte erzählte, er habe in der Nacht kurz mit einem ihm unbekannten Mädchen rumgeknutscht. Da sie fror, habe er ihr die Jacke umgelegt. Weder das Mädchen noch die Jacke habe er je wiedergesehen.