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Polizei rechtfertigt die „lange Leine“ für Corona-Spaziergänger in Dorsten
Coronavirus
Nach dem sogenannten „Spaziergang“ von Impfgegnern in Dorsten steht die Polizei in der Kritik. Sie schritt nicht ein, obwohl das Treffen weder zufällig noch angemeldet war.
Sie behinderten nicht den Verkehr, hatten keine Plakate dabei, verhielten sich bei ihrem „Spaziergang“ durch die Altstadt von Dorsten friedlich und ziemlich still. Und doch hallt das Treffen von etwa 100 Impfgegnern am Sonntagnachmittag nach. Denn die Polizei ließ sie gewähren, obwohl das Treffen weder angemeldet noch zufällig war.
Verstoß gegen das Versammlungsrecht
Im Messenger-Dienst „Telegram“ hatten sich die Teilnehmer verabredet und wurden auf dem Platz der Deutschen Einheit von zahlreichen Einsatzkräften erwartet. Die blieben allerdings auf Abstand, beobachteten die Szenerie lediglich, überwachten die Verkehrssicherheit und schrieben anschließend eine Anzeige wegen des Verstoßes gegen das Versammlungsrecht. Gegen Unbekannt, weil es ja keinen Versammlungsleiter gab.
Laut Corona-Schutzverordnung sind Privattreffen im Freien mit mehr als zehn Personen nicht erlaubt. Was beispielsweise in der Silvesternacht galt und somit Nachbarn davon abhielt, vor der Tür gemeinsam aufs neue Jahr anzustoßen, war am übernächsten Tag in der Fußgängerzone nicht mehr so wichtig? Und wenn die Polizei einen Verstoß feststellt und in einer Anzeige dokumentiert, warum schreitet sie dann nicht ein?
Polizeisprecher Andreas Wilming-Weber begründete dies am Montag mit der Rechtslage und den Vorgaben des Innenministeriums: „Es handelte sich aus unserer Sicht um eine Versammlung, das ist anders zu bewerten als eine private Zusammenkunft.“ So etwas aufzulösen, dafür müsse es schon stichhaltige Gründe geben. „Da gilt es u.a., die Gefahrensituation genau abzuwägen.“ Die Polizei, so die Vorgabe, solle möglichst deeskalierend wirken.
„Spaziergänge“ sind rechtlich nicht vorgesehen
Das „Katz-und-Maus-Spiel“ zwischen Impfgegnern und Ordnungsbehörden hat mittlerweile in vielen Städten Methode. „Spaziergänge“ sind im Versammlungsrecht nicht vorgesehen, das hat sich vor Jahren schon die radikale „Pegida“-Bewegung zunutze gemacht. Und an das im Grundgesetz garantierte Recht zur kollektiven Meinungsäußerung - ob lauthals oder schweigend - sind Vorgaben geknüpft. Die Veranstaltung muss angemeldet sein, ein Versammlungsleiter muss benannt werden.
In Dorsten ist am Sonntag beides nicht passiert. Eine angemeldete Demonstration wurde kurz vor dem Termin abgesagt, es blieb beim „Spaziergang“, der aber reichlich Personal band. Auch im Rathaus. Denn Verstöße gegen die Corona-Schutzverordnung werden in der Regel vom Kommunalen Ordnungsdienst geahndet.
Mehrere Ordnungswidrigkeitenverfahren eingeleitet
„Das Ordnungsamt der Stadt Dorsten hat die Prüfung von Ordnungswidrigkeitenverfahren gegen verschiedene Personen eingeleitet“, bestätigte Stadtsprecher Christoph Winkel am Montag auf Anfrage. „Dabei geht es nicht nur um mögliche Verstöße gegen die Coronaschutzverordnung, sondern auch um Verstöße aus dem allgemeinen Ordnungsrecht.“ Die Rede ist zum Beispiel von einem fehlenden Maulkorb bei einem Listenhund oder dem Wegschnippen von Zigarettenkippen, das in Dorsten ebenfalls mit einem Bußgeld geahndet wird.
Außerdem wird das Ordnungsamt der Polizei verschiedenes Bild- und Videomaterial sowie festgestellte Namen von Personen bei dem Zusammentreffen zur weiteren Auswertung zur Verfügung stellen.
Veränderungen gab es immer, doch nie waren sie so gravierend. Und nie so spannend. Die Digitalisierung ist für mich auch eine Chance. Meine journalistischen Grundsätze gelten weiterhin, mein Bauchgefühl bleibt wichtig, aber ich weiß nun, ob es mich nicht trügt. Das sagen mir Datenanalysten. Ich berichte also über das, was Menschen wirklich bewegt.
