Erste Erfahrungen mit dem von der TU München und der Universität zu Köln entwickelten Lernsystem KI-ALF sind laut einer Mitteilung positiv: „Mir gefällt, dass es sich nicht wie Mathe anfühlt, sondern wie ein Spiel“, sagt eine Wulfener Schülerin.
KI-ALF steht für „KI-basierte adaptive Lernunterstützung zur Diagnostik und Förderung der mathematischen Basiskompetenzen im inklusiven Kontext“.
Ein langer Titel - aber was bedeutet das? Ein Beispiel: Ein Schüler sitzt an einem Rechner und bekommt Mathe-Aufgaben gestellt: Er soll etwa herausfinden, wie viele Punkte in einer Tabelle mit zehn Reihen dargestellt sind.
Nur in der letzten Reihe fehlen ein paar Punkte. Kinder, die stark in Mathe sind, schauen ziemlich schnell auf die letzte Reihe und zählen rückwärts. Wer nicht nur die Reihen, sondern auch alle Punkte einzeln zählt, gehört zu denen, die Förderbedarf haben.
Webcam schaut zu
Bei KI-ALF erkennt das System anhand einer Webcam am Computer, wohin der Schüler beim Lösen der Aufgaben geschaut hat. Je nach Aufgabe, von denen Mathematik-Professorin Maike Schindler Hunderte mit ihrem Team an der Uni in Köln entwickelt hat, ergeben sich bestimmte Muster, die digital auf einer Karte dargestellt werden können. Wo die Kinder häufig hinschauen, färbt sich die Karte rot, wo sie nur kurz hinschauen, grün. Professor Achim Lilienthal (TU München) hat bereits mit Eyetrackern bei einem humanoiden Roboter gearbeitet, doch die speziellen Systeme kosten Tausende von Euro.
Zu viel für die meisten Schulen. Webcams sind ungenauer, aber billiger. Ein paar Tricks mussten die Forschenden deshalb anwenden, aber laut Lilienthal habe das System gelernt, mit der Ungenauigkeit umzugehen. „Es macht für unsere Anwendung heute keinen Unterschied mehr, ob wir mit unseren Webcams oder High-End-Eyetrackern arbeiten.“ Gebraucht werden nur noch eine Webcam, ein aktueller PC und eine gute Grafikkarte.
Eigenes Arbeitstempo
Mit der Heatmap kann die KI-basierte Software analysieren, welche Stärken und Schwächen das Kind hat und spezielle Lernvideos und Übungsaufgaben für jedes Kind auswählen. Lehrerin Vanessa Trabert sagt: „Die Kinder genießen ihren Freiraum und, mal in Einzelarbeit und in Ruhe an diesem Programm arbeiten zu können.“ Ohne dass vielleicht Mitschüler sie drängen. So könnten die Kinder in ihrem eigenen Arbeitstempo vorgehen.
Fünf Schüler können derzeit gleichzeitig mit KI-ALF in Wulfen arbeiten - unterstützt von einer Lehrkraft. Die bekommt am Ende einen Bericht darüber, wie das Kind bei den Aufgaben vorgegangen ist und welche Förderung es bekommen hat. „Ein Komplettpaket“ nennt dies Maike Schindler, das Lehrkräfte entlasten könne.
Fokus auf schwächere Schüler
Derzeit liegt der Fokus des Systems auf der Förderung schwächerer Schüler. An der Gesamtschule Wulfen hatte ein standardisierter Mathe-Test ergeben, dass von 180 Kindern zu Beginn der fünften Klasse ein Drittel „Rechenschwierigkeiten“ hat. Schulleiter Hermann Twittenhoff: „Wir freuen uns, dass wir mithilfe des KI-basierten Lernsystems jetzt deutlich mehr Kinder als vorher in ihren mathematischen Basiskompetenzen fördern können. Dadurch können wir mehr Lernenden bei der Verbesserung der Mathematikleistungen helfen, als wir es mangels Lehrkräften bisher konnten.“
Perspektivisch ist nach Einschätzung von Lilienthal auf dieser Basis aber auch ein „individuell angepasster Unterricht“ für besonders leistungsstarke Kinder möglich. Gefördert wird das Forschungsprojekt vom Bundesministerium für Bildung und Forschung.