Rosi Soggeberg sitzt auf dem Stuhl im Tattoo-Studio „Pott Art Tattoo“ in Dorsten. Ihr bereits von einigen farbenfrohen Tattoos verzierter linker Arm liegt auf einer Lehne, während Tätowierer André Plechinger alles für das nächste kleine Kunstwerk vorbereitet. Im Hintergrund läuft leise Green Days „Boulevard of Broken Dreams“ im Radio.
„Die Musik gefällt mir dabei“, sagt Rosi Soggeberg. Die 60-Jährige Dorstenerin wirkt entspannt. „Träumen“ wird sie während der knapp einstündigen Sitzung zwar nicht. Beim Erzählen über die Entstehung ihrer bisherigen Tattoos schwelgt sie aber in Erinnerungen.
Die Geschichten, wie es zu ihren jeweiligen Tattoos gekommen war, gingen im wahrsten Sinne des Wortes unter die Haut. Auf dem rechten Knöchel trägt sie eine bunte Krake mit sich. Der Hintergrund ist berührend: „Im Januar ist mein Sohn gestorben. Er hatte das Down-Syndrom und hat immer gerne in Malbüchern gemalt. Da hat er genau diese Krake ausgemalt“, erzählt Soggeberg.
Nun verdeckt die bunte Krake ihre Narben am Knöchel, die das Ergebnis eines schweren Fahrradunfalls sind. Auch zu den anderen Tattoos, die sich hauptsächlich am linken Arm befinden, gibt es stets einen emotionalen Hintergrund. „Bei mir hat jedes Tattoo eine Bedeutung“, betont sie. Den Baum des Lebens trägt sie ebenfalls auf der Haut. Dieser begleitet die Dorstenerin symbolisch auch in diversen Schmuckstücken.
Tattoo für Organspender
Um das Leben geht es auch beim Organspende-Tattoo „Opt.Ink“. Der Verein „Junge Helden“ hat das Projekt ins Leben gerufen. Die Idee: ein einheitliches, kostenloses Tattoo, das die Bereitschaft zur Organspende symbolisiert und wie ein Ausweis die Organspender identifiziert. Auf dem Tattoo ist ein Kreis mit zwei darunter nacheinander folgenden Halbkreisen zu sehen. „Ein Halbkreis wird mit einem weiteren Halbkreis zum Ganzen. Ein Symbol für das Geschenk des Lebens“, heißt es auf der Website von „Opt.Ink“.

Bereits mehr als 3.500 Menschen haben sich das Symbol stechen lassen. Rosi Soggeberg gehört nun dazu. Lange darüber nachgedacht hat sie nicht, denn sie hat selbst ein Spenderorgan. „Ich halte es für sehr, sehr wichtig, da ich selbst transplantiert bin. Das, was ich erhalte, will ich auch weitergeben“, sagt die Organspenderin. Aufgrund ihrer angeborenen Krankheit Keratokonus – eine langanhaltende Verformung und Verdünnung der Hornhaut – war sie auf eine Hornhaut-Spende angewiesen.
Gemeinsam mit ihrer Freundin Sandra Kalz entschied sie sich schnell für das Organspende-Tattoo. Kalz ist schon lange Organspenderin. „Ich wusste schon immer, dass das für mich in Frage kommt. Das Tattoo unterstreicht das jetzt nochmal“, sagt die 43-Jährige. Sie ist deutlich aufgeregter als ihre Freundin, denn das neue Tattoo wird ihr bislang größtes. Doch sie tut es für einen guten Zweck: „Dass ich einem anderen Menschen Leben schenken kann, wenn mir etwas passieren sollte“.
Besondere Tattoo-Varianten
Auch Tätowierer André Plechinger findet das Thema Organspende wichtig. Er selbst sei zwar noch kein Organspender, habe es aber noch vor. Nicht umsonst entschloss er sich dazu, das Projekt des Organspende-Tattoos zu unterstützen. „Als ich davon gehört habe, fand ich es ziemlich cool. Ich habe meine Kunden gefragt, was sie davon halten. Die Resonanz war klasse und hat das nur noch bestärkt, mitzumachen“, sagt er. Ungefähr 20-mal hat Plechinger das Tattoo bereits gestochen – in den verschiedensten Varianten.
So hat auch Rosi Soggeberg als Künstlerin – 23 Jahre lang leitete sie eine Malschule in Dorsten – eine klare Vorstellung, wie das Tattoo zusätzlich verschönert werden soll. „Schlicht wäre nicht ich“, erklärt sie
Freudestrahlend betrachtet sie nach einer Stunde ihr fertiges Kunstwerk. Am oberen Kreis des Tattoos ragen Zweige heraus, die herzförmigen Blätter sind bunt. Am unteren Halbkreis fallen hingegen die schwarzen Schatten der Blätter ab. Die Blätter symbolisieren das gehende und das kommende Leben.
Der Schriftzug „New life for you“ rundet das Tattoo ab. Genau so hat es sich Rosi Soggeberg gewünscht.
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