Karl-Heinz Einhaus, alias "Horses Henn", sitzt im Salon der Western-Stadt "Old Buffalo".

Karl-Heinz Einhaus, alias "Horses Henn", hat mit dem "Old Buffalo" mitten im Rhader Wald eine Western-Stadt gebaut. © Niklas Berkel

Old Buffalo: Dorstens letzter Cowboy gibt sein Lebenswerk verloren (mit Fotostrecke)

rnOld Buffalo

Unscheinbar, versteckt mitten im Rhader Wald, liegt die Stadt „Old Buffalo“. Der Western-Fan Karl-Heinz Einhaus (89) hat sie errichtet. Jetzt hat sie ihren Sinn verloren, sagt er.

Rhade

, 12.07.2022, 05:30 Uhr / Lesedauer: 3 min

Der Boden knarzt unter den Füßen. Es riecht nach in altes Holz gezogenes Bier. An der Decke klebt eine Südstaaten-Flagge, an der Wand hängt ein Gewehr. Der Schädel eines Büffels begrüßt den Gast, wenn er durch die Schwingtür geht. Wer diesen Saloon betritt, taucht ein in eine längst vergangene Zeit.

Der Wilde Westen - mitten in Rhade. Gibt es nicht? Gibt es doch. Die Western-Stadt „Old Buffalo“ - erbaut von „Horses Henn“ - steht gut versteckt, nur schwierig zu finden, zwischen vielen Bäumen in einem Waldstück im Norden von Dorsten.

Der Weg raus aus dem Saloon führt geradeswegs zum Sheriff-Office. „Horses Henn“, der eigentlich Karl-Heinz Einhaus heißt, öffnet die Tür. Wieder hängt ein Gewehr an der Wand, in der Ecke ist ein Kamin, ein Schaukel-Stuhl steht im Raum. Hinten rechts in der Ecke eine Gittertür. Sie führt in einen spartanisch eingerichteten Raum: die Zelle.

Ein rotes Bett in der Ecke, zwei Stühle und ein Tisch. Wenigstens eine Dartscheibe hätten Verbrecher hier, um die Zeit totzuschlagen. Ist Karl-Heinz Einhaus der Sheriff? „Das war ich.“ Früher.

Einhaus (89) ist der Gründungsvater der Cowboy-Stadt mitten im Rhader Wald, die - so typisch für den Wilden Westen - mittlerweile eine Geisterstadt ist. Einhaus ist der einzige Einwohner. Das Club-Leben, das einst für viel Leben an diesem Ort sorgte, gibt es nicht mehr.

Karl-Heinz Einhaus: „Wir haben diese Zeit gelebt“

Früher war in Old Buffalo mächtig was los. Der gleichnamige Club ging hier einem Hobby nach. „Wir haben nicht einfach Cowboy und Indianer gespielt, wir haben diese Zeit gelebt“, sagt Einhaus. Er und seine Freunde tauchten ein in die Kolonialzeit Nordamerikas. „Wir hatten Nord- und Südstaaten-Uniformen, waren wie Ranger und Cowboys gekleidet, auch Indianer waren da“, sagt „Horses Henn“.

Regelmäßig veranstalteten sie große Feste. Die Cowboy-Fans kamen auch aus dem Ausland - aus Belgien, den Niederlanden und der Schweiz. Mit der Zeit entwickelten sich zahlreiche Freundschaften.

Sogar Hochzeiten haben „Horses Henn“ und seine Freunde in Old Buffalo gefeiert. In einer selbstgebauten Kirche. Einst brannte sie nieder - 2006 war das. Keinen Tag nach dem Brand machte sich Einhaus an den Wiederaufbau. Orgel und Bänke erhielt er aus der evangelischen Kirche in Wulfen. „Ein Priester hat die Kirche geweiht.“

Von innen wirkt sie wie aus einem Lucky-Luke-Comic. Die Bänke sind schmal. Ein kleiner Gang führt zum Altar. Einige Bilder zieren die Wände. Über dem Altar hängt ein Kreuz. Mittlerweile wirbelt der Staub auf, mit jedem Tritt.

Wie kam all das mitten in den Rhader Wald?

„Die Cowboy-Stadt ist über die Jahre gewachsen“, sagt der 89-Jährige. Über 50 Jahre, seit den 70er-Jahren. Damals war er um die 40 Jahre alt und übernahm das Pferd seiner Tochter. Mit dem Reiten begann Einhaus, Cowboy zu spielen. Er lernte Leute kennen, die ähnlich tickten wie er. Und so gründeten sie den Club „Old Buffalo“.

Doch ein richtiger Verein braucht ein Clubhaus, sagt Einhaus. Da lag es nahe, das große Waldgrundstück neben seinem Zuhause zu nutzen, das ihm gehört. Der Saloon entstand als Erstes. Lange Nächte saßen sie zusammen und gingen ihrer Leidenschaft nach - es entstanden Ideen, sie begannen zu träumen. „Nach und nach haben wir die Träume umgesetzt.“ Alles in Eigenleistung.

FOTOSTRECKE
Bildergalerie

Old Buffalo: Eine Westernstadt mitten in Rhade

Mitten in Rhade hat Karl-Heinz Einhaus eine Westernstadt in den Welt gezimmert. Früher war hier viel los. Den Club gibt es aber nicht mehr. Das Grundstück verfällt.
12.07.2022

Neben Sherriff-Office und Kirche gruben die Western-Freunde eine Goldmine aus. Was ist schon eine Western-Stadt ohne Gold? Sie bauten eine Holzhütte, in der Schlafplätze waren. Sie errichteten eine Destilliere. Ein Gebäude war für den Zahnarzt und den Friseur. Alles natürlich nur Attrappen - aber täuschend echt.

Zerina Sandkühler, Alias „Kate Jones“, erzählte gegenüber unserer Redaktion vor 15 Jahren: „Jeder hier hat seine Geschichte, was man verkörpert, wer man ist. Alles Private bleibt außen vor.“ Wer Old Buffalo betritt, versteht, was „Kate Jones“ damals meinte. Die Wirklichkeit zieht für einen Moment vorbei. Für kurze Zeit fühlt es sich an, als gäbe es Zeitreisen tatsächlich.

Old Buffalos Friedhof ist voll

Doch heute ist in Old Buffalo nichts mehr los. Den Club gibt es nicht mehr. Der Friedhof der Westernstadt neben der Kirche ist voll. Hier hat „Horses Henn“ ausgetretene und verstorbene Mitglieder mit ihrem Alias beerdigt.

„Die Western-Szene war weit verbreitet“, erzählt Karl-Heinz Einhaus. „Aber mittlerweile ist sie praktisch tot.“

Der Nachwuchs hat andere Interessen, andere Hobbys. Die große Zeit der Western-Freunde ist vorbei - vorläufig zumindest. „Vielleicht kommt sie irgendwann wieder“, sagt „Horses Henn“. Aber nicht jetzt, glaubt er.

„Die Stadt hat ihren Sinn verloren“

Einhaus ist jetzt 89 Jahre alt. Die Pflege seines Lebenswerkes will er nicht mehr in der Weise fortsetzen, wie er es bislang getan hat. „Wozu auch? Die Stadt hat ihren Sinn verloren. Sie soll nicht mehr gepflegt werden.“

Die Stadt - seine Stadt - gibt es nur für einen Zweck, sagt er: für Menschen, die die Leidenschaft besitzen, in eine längst vergangene Zeit einzutauchen. In die Kolonialzeit Amerikas. Und nur für diesen Zweck soll sie genutzt werden. Die Türen Old Buffalos hat „Horses Henn“ geschlossen. Wohl für immer.

Schlagworte:
Lesen Sie jetzt