Halbes Jahr nach Amokdrohung an der Neuen Schule Dorsten Ermittler beschäftigen zwei Handlungsstränge

Halbes Jahr nach Amokdrohung an Neuer Schule: Ermittlungen ziehen sich
Lesezeit

Der 22. November 2023 wird zahlreichen Schülerinnen und Schülern sowie deren Eltern noch gut in Erinnerung sein. An diesem Tag räumten schwer bewaffnete Elitepolizisten des Spezialeinsatzkommandos (SEK) die Neue Schule Dorsten an der Juliusstraße in Holsterhausen. Hintergrund: ein Amokalarm, wohl ausgelöst durch den Anruf einer 14-jährigen Schülerin.

Seitdem sind mittlerweile fast sechs Monate vergangen. Zu den Hintergründen ist öffentlich bislang nur wenig bekannt. Lediglich häppchenweise drangen Details nach außen.

Zwei Handlungsstränge

Fest steht: Es gibt auf jeden Fall zwei Handlungsstränge, mit denen sich die Polizei, die Staatsanwaltschaft und auch die Bezirksregierung Münster als zuständige Aufsichtsbehörde beschäftigen müssen. Dennoch bleiben viele Fragen unbeantwortet.

Schwer bewaffnete Polizisten haben im November die Neue Schule Dorsten geräumt.
Schwer bewaffnete Polizisten haben im November die Neue Schule Dorsten geräumt. © Guido Bludau (A)

Monatlich erneuert diese Redaktion deshalb die Anfrage nach dem aktuellen Ermittlungsstand bei Dr. Leif Seeger, Pressesprecher der zuständigen Staatsanwaltschaft Essen.

Dieser schreibt, dass aufgrund des komplexen Verfahrens noch „mit einer Ermittlungsdauer von mehreren Monaten zu rechnen“ sei. Ein chronologisch geordneter Blick auf die Anfragen an die Staatsanwaltschaft sowie deren Antworten verdeutlichen dies.

22. November 2023

Die Polizei Münster veröffentlicht am Tag der Amokdrohung eine erste Pressemeldung zum Abschluss des Einsatzes an der Neuen Schule. Eine 14-jährige Schülerin wurde vorläufig festgenommen.

Sie wurde verdächtigt, den Anruf mit einer vom Computer generierten Stimme in den Morgenstunden getätigt zu haben. Daraus ergibt sich der erste Handlungsstrang.

Zudem sei zwischenzeitlich ein Video im Umlauf gewesen, auf dem ein Schüler augenscheinlich in einem Klassenzimmer mit einem vermeintlichen Messer zu sehen war.

Der entsprechende Schüler sowie zwei weitere Schüler, die im Zusammenhang mit dem Video stehen sollen, seien vorläufig festgenommen worden. Dies stellt den zweiten Handlungsstrang dar. Die Polizei stellt bereits zu diesem Zeitpunkt klar, dass die drei Schüler nicht mit dem Drohanruf in Verbindung stehen sollen.

14. Dezember 2023

Staatsanwalt Dr. Leif Seeger kann noch „keine umfassenden Angaben zum Verfahrensstand machen.“ Die Ermittlungsakte liege bei der Polizei und sei noch nicht bei der Staatsanwaltschaft Essen eingegangen.

Zudem würden mehrere sichergestellte Mobiltelefone ausgewertet werden. Die Einschätzung des Pressesprechers: Es dürfe „sich um die relevantesten Beweismittel handeln“. Es seien gerichtliche Beschlüsse erwirkt worden, damit die Anbieter die Verbindungsdaten für die betroffenen Mobilnummern und die Festnetznummer der Schule herausgeben.

9. Januar 2024

Der Sachstand sei unverändert, so die Staatsanwaltschaft Essen. Die Ermittlungsakte sei noch immer bei der Polizei - „insbesondere zur Auswertung der Mobiltelefone“.

14. Februar 2024

Noch immer befinde sich der Vorgang bei der Polizei zur Auswertung der Mobiltelefone. Eine neue Information kann Staatsanwalt Dr. Leif Seeger dennoch nennen. Diese bezieht sich auf den zweiten Handlungsstrang, das zwischenzeitlich aufgetauchte Messervideo.

Demnach handele es sich in dem Video nicht um ein „echtes“ Messer, sondern um ein „Butterfly-Trainingsmesser“ mit einer stumpfen Klinge. Gerüchte, dass das Messer nicht echt, sondern nur eine Attrappe sei, bestanden bereits seit Dezember 2023.

Die Bezirksregierung Münster teilt mit, dass die Neue Schule Dorsten gegenüber den beteiligten Schülerinnen und Schülern erzieherische Maßnahmen und Ordnungsmaßnahmen durchgeführt habe - in Zusammenarbeit mit den ermittelnden Behörden, den Eltern und den Schülerinnen und Schülern.

Zu den einzelnen Maßnahmen äußert sich die Bezirksregierung mit Verweis auf die Persönlichkeits- und Datenschutzrechte nicht. Dabei hieß es im Rahmen der Infoveranstaltung zur Amokdrohung für Eltern im November 2023, dass die Beteiligten bis zum Ende der Weihnachtsferien nicht mehr am Präsenzunterricht teilnehmen. Inzwischen würden alle wieder in Präsenz beschult. Auch zum Messer-Video äußert sich die Behörde nicht, da der Fall Gegenstand polizeilicher Ermittlung sei.

28. März 2024

Mehrere Zeugen würden noch polizeilich vernommen. Im Anschluss daran würden mehrere rechtliche Vertreter der Beschuldigten Akteneinsicht sowie Gelegenheit zur Stellungnahme erhalten. Erst im Anschluss daran und unter Berücksichtigung der Ermittlungsergebnisse werde eine rechtliche Bewertung vorgenommen.

Auf die Frage, was die Auswertung der Mobiltelefone ergeben hat, geht der Staatsanwalt nicht ein. Gleiches gilt für die Frage, weshalb das verdächtigte 14-jährige Mädchen den Drohanruf getätigt hat.

Außerdem ist unklar, wie und warum das Messervideo parallel zum laufenden Amok-Einsatz entstehen konnte. Unbeantwortet bleibt die Frage, warum die Lehrkraft das Spielen mit dem augenscheinlich unechten Messer während der Bedrohungslage geduldet oder gar erlaubt hat.

6. Mai 2024

Ein Urlaubsvertreter von Staatsanwalt Dr. Leif Seeger meldet sich. Er bittet, die Anfrage in zwei Wochen nochmal zu erneuern.