Claudia Marold leidet an Multipler Sklerose und ist auf Rollator und Rollstuhl angewiesen. Bis vor Kurzem konnte sie selbst einkaufen, doch das ist jetzt vorbei, seit die Stadt am Brahmsweg und Brucknerweg zwei Sperrpfosten aufgestellt hat. Ihre Einkäufe vom Garagenhof mehr als 100 Meter zum Haus zu tragen? „Das kann ich nicht“, sagt Claudia Marold. Auch ihr Mann ist erkrankt und nun muss ihr Sohn jeden Einkauf tätigen.
Nicht nur Claudia Marold ist sauer, sondern auch viele Anwohner der Bungalow-Siedlung im Stadtsfeld. Manche sprechen von einer „Nacht-und-Nebel-Aktion“ der Stadt vor rund einer Woche. „Als ich am Dienstag von der Arbeit kam, stand der Poller da“, erinnert sich Ursula Nitsch. Dieter Sossna ärgert sich, dass die Poller nicht herausnehmbar, sondern „brutal einbetoniert“ sind. Nun ist es für die Anwohner unmöglich, zum Be- und Entladen vors Haus zu fahren.
„40 Jahre gut gegangen“
Wilfried Zimmermann hat einen Schwerbehindertenausweis. „Es ist doch 40 Jahre gut gegangen“, sagt er zur Situation vor Ort. Niemand habe in den Straßen geparkt, sondern nur ausgeladen. Eine Anwohnerin, die seit dem Bau der Siedlung dort wohnt, sagt, dass das Ein- und Ausladen von Autos immer geduldet gewesen sei.

Rainer Dorow hat Titanplatten im Rücken und drei kaputte Nackenwirbel: „Ich darf nicht schwer heben.“ Seine Frau Christiane hat Arthrose in der Hüfte. Das Paar hat einen Kaminofen, der regelmäßig Brennstoff braucht. Rainer Dorow könnte noch mit dem Auto in den Brucknerweg einfahren: „Aber ich müsste den ganzen Weg mit dem Anhänger wieder rückwärts fahren. Das ist doch viel gefährlicher als vorher.“ Denn dann wäre er durch den Brahmsweg vorwärts wieder herausgefahren.
Auf die Beschwerde der Anwohner, die bei der Stadt mit Unterschriften einging, antwortet Sprecher Ludger Böhne. Es habe mehrere Beschwerden gegeben - aber nicht gegen die Poller. Denn das Thema sei seit drei Jahren bekannt. So habe ein Anwohner etwa 2021 gefordert, „dass hier kein Kraftfahrzeugverkehr mehr stattfindet“.
Anwohner wurden informiert
Die Stadt habe damals Anwohnerschreiben („Gehwege respektieren!) zusammengestellt und diese seien im Frühsommer 2021 in den Briefkästen verteilt worden. 2022 sei aber der Bürgermeister von mehreren Anwohnern angesprochen worden: Ordnungsamt und Polizei würden die Augen vor der illegalen Benutzung der Gehwege verschließen. Böhne: „In diesem Jahr gab es erneute Beschwerden und eine Sachbeschädigung durch ein Auto mit Fahrerflucht.“

Ludger Böhne erinnert an eine gleichartige Diskussion, die 2020 in Wulfen-Barkenberg geführt wurde. Dort habe die Wulfen-Konferenz ein eindeutiges Votum getroffen: „Für die Poller.“ Ähnlich wie dort sei das Stadtsfeld „autoarm“ geplant. Was Nachteile (lange Wege auch bei schlechtem Wetter), aber auch Vorteile habe: weniger Abgase und Autolärm, viel Sicherheit für schwächere Verkehrsteilnehmer, etwa Kinder. Verkehr sei ein „Generationen-Konflikt“, so Böhne: Im Stadtsfeld beginne seit einigen Jahren der Generationenwechsel - es seien einige junge Familien zugezogen.
Poller seien für die Stadt „immer nur das letzte Mittel“, sagt Böhne, aber die Rechtslage ist eindeutig. Rechtswidriges Befahren von Gehwegen werde mit mindestens 55 Euro Bußgeld, bei Behinderung, Gefährdung oder Unfall sogar mit bis zu 100 Euro bestraft. Eine flächendeckende Kontrolle sei aber nicht möglich. Wenn Anwohner ausführten, „das Befahren der Geh- und Radwege sei jahrelang geduldet worden, dann war dies kein explizites behördliches Dulden, sondern die Nachbarn untereinander haben dies geduldet“, so Böhne. Nun sei die Situation eine andere.
Ausnahmegenehmigung
Sehr enge Grenzen setze der Gesetzgeber bei Ausnahmegenehmigungen beim Befahren von Gehwegen, so Böhne: für private Fahrten zum Haus sei zumindest ein Behindertenausweis mit dem Merkmal „aG“ (außergewöhnliche Gehbehinderung) notwendig. Ein Befahren zum Be- und Entladen sei hingegen „grundsätzlich unzulässig“.
Dass Anwohner sich vor „vollendete Tatsachen“ gestellt fühlen, kommentiert Luder Böhne so: „Über die Duldung einer fortgesetzten Begehung von Ordnungswidrigkeiten kann man nicht abstimmen und auch die Sammlung von Unterschriften kann bundeseinheitliches Recht am Ende nicht außer Kraft setzen.“
Hinweis der Redaktion: Dieser Artikel erschien ursprünglich am 15. August 2023.
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