Viele Dorstener haben Ende September Anteil genommen am Tod von Bahila. Am Zaun zur Weide in Holsterhausen wurden Bilder und Blumen abgelegt.

© Guido Bludau (A)

Mysteriöser Pferde-Tod: Polizei muss nun doch wieder ermitteln

rnTierquälerei?

Der mysteriöse Tod einer Stute in Dorsten wird noch nicht zu den Akten gelegt. Die Polizei muss weiter ermitteln, obwohl der Fall für sie abgeschlossen war. Es gibt weitere Ungereimtheiten.

Dorsten

, 03.12.2020, 04:45 Uhr / Lesedauer: 3 min

Mehr als zwei Monate sind vergangen, seit Peter Büning seine Stute Bahila auf einer Weide in Holsterhausen tot auffand. „Das geht uns immer noch nicht aus dem Kopf“, sagt er. Denn inzwischen mehren sich die Zweifel, dass das Pferd eines natürlichen Todes gestorben ist.

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Mehr als einen Monat lag die Akte „Bahila“ auf dem Tisch des zuständigen Dezernenten bei der Staatsanwaltschaft Essen, nachdem die Polizei ihre Ermittlungen für beendet erklärt hatte. Jetzt ist die Akte nach Recklinghausen zurückgeschickt worden. „Die Polizei ist um ergänzende Ermittlungen ersucht worden“, bestätigte Oberstaatsanwältin Anette Milk. „Ein unnatürlicher Tod des Pferdes erscheint zumindest möglich - ohne dass allerdings damit Hinweise auf einen Täter verbunden wären.“

Ihre Nachforschungen hatte die Polizei eingestellt, nachdem Anfang Oktober der Bericht des Veterinäruntersuchungsamtes in Münster vorlag. „Eindeutig“ sei die 26-jährige Stute eines natürlichen Todes gestorben, hieß es. Die schrecklichen Wunden seien post mortem „durch Tierfraß“ entstanden. „Das Pferd ist sehr gründlich in Augenschein genommen worden“, sagte Polizeisprecherin Ramona Hörst damals.

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Hörsts Kollegen, die am 26. September die tote Stute im Zaun liegend auf der Weide sahen, hatten in ihrem Bericht allerdings von „Tierquälerei“ gesprochen. Ohne Mutmaßungen, ohne Fragezeichen. Diese erste Pressemeldung der Polizei ist inzwischen gelöscht worden. Mögliche Spuren am vermeintlichen Tatort wurden damals wohl nicht gesichert.

Für Anja Bohm vom Verein „Equitrans“ ist das nur eine von ganz vielen Ungereimtheiten in diesem mysteriösen Fall. Sie glaubt, dass die Ermittlungen und vor allem die Untersuchungen des toten Pferdes „an Dilettantismus nicht zu übertreffen“ seien. „Da steckt etwas Größeres dahinter“, meint sie. „In Frankreich stirbt mittlerweile jeden Tag ein Pferd.“

Anja Bohm ist Sprecherin des Vereins „Equitrans". Der Verein „in Gründung" dient Pferdefreunden als Plattform, um sich auszutauschen und zu informieren.

Anja Bohm ist Sprecherin des Vereins „Equitrans". Der Verein „in Gründung" dient Pferdefreunden als Plattform, um sich auszutauschen und zu informieren. © privat

Zur Sache

Der Verein „Equitrans“

  • Equitrans war mal ein Pferdetransportunternehmen. Der professionelle Transport wurde vor rund zwei Jahren aus gesundheitlichen Gründen eingestellt, seitdem wird nur noch für den Tierschutz gefahren. Der Verein ist nach Angaben von Sprecherin Anja Bohm ein „Verein in Gründung“, „weil immer noch überlegt wird, ob die Gemeinnützigkeit beantragt und das gesamte Vereinsprocedere durchlaufen werden soll“.
  • Es gibt absichtlich keine Webseite und auch kein Impressum, sondern nur eine Facebook-Seite, weil die Initiatoren „im Zusammenhang mit Tierschutz-Aktivitäten bedroht wurden“. Der Name des Unternehmens wurde erhalten, um den „bereits zuvor erzielten Bekanntheitsgrad weiter als Basis zu nutzen“.

Und auch in Deutschland häufen sich offenbar die Tiermisshandlungen. Anja Bohm kennt „30 bis 50 Fälle“. Vier Beispiele aus den letzten Monaten:

  • In Altennümbrecht (Oberbergischer Kreis) wurde ein Pferd Anfang Oktober durch Schnittverletzungen schwer verletzt.
  • In Ballstädt (Landkreis Gotha) musste ein Pferd wenige Tage zuvor eingeschläfert werden, weil ihm schwere Verletzungen zugefügt worden waren.
  • Das gleiche Schicksal ereilte Ende August ein Pferd in Oberzent (Südhessen), nachdem ihm „schwere Verletzungen durch Menschenhand“ zugefügt worden waren, wie die dortige Polizei mitteilte.
  • Im Kreis Heidelberg fahndet eine Ermittlungsgruppe „Koppel“ seit Juni, weil mehreren Pferden „durch Schneidwerkzeuge Wunden im Schulter- und Genitalbereich zugefügt“ wurden.

Anja Bohm ärgert sich, dass der Tod von Bahila bislang offenbar isoliert betrachtet wurde. „Da sind Profis am Werk, die die Tiere gezielt betäuben, um sie dann zu quälen.“ Von Wettbewerben im Darknet ist die Rede, bei denen den Tieren Ohren und Genitalien abgetrennt und später als Trophäen gezeigt werden. Auch Bahila fehlten das rechte Ohr und die Milchleiste, als Peter Büning sie fand.

Blut und Organe nicht untersucht

Das linke Ohr verlor die Araber-Stute dann auf dem Obduktionstisch. „Um die Wundränder zu vergleichen“, hat Peter Büning erfahren. Sein Anwalt durfte ihm aus dem Bericht der Veterinäre vorlesen, ihn aber nicht aus der Hand geben. Das Blut des Pferdes ist demnach nicht auf Narkosemittel untersucht worden, Leber und Milz wurden nicht kontrolliert. „Manche Betäubungsmittel kann man ohnehin nur binnen 48 Stunden nachweisen“, weiß Anja Bohm.

Doch Bahila blieb, von einer Plane notdürftig verdeckt, übers Wochenende auf der Weide an der Borkener Straße, wurde dann laut Peter Büning „auf einem offenen Hänger, mit dem sonst Laub transportiert wird“, nach Münster gebracht. Und nicht in einem geschlossenen Container, wie es nach Ansicht von Experten üblich ist.

Pathologe glaubt an Einsatz eines Messers

Zweifel an den Erkenntnissen des Veterinäruntersuchungsamtes in Münster hat auch der Leiter der Tierärztlichen Hochschule Hannover, Wolfgang Baumgärtner. Der Pathologe hat sich die Fotos der toten Bahila angesehen und sprach in der „Drehscheibe“ (ZDF) kürzlich von „scharfkantigen Abgrenzungen“ und „eindeutigen Traumatisierungen“, die zum Beispiel beim Einsatz eines Messers entstehen.

Peter Büning glaubt nicht an einen natürlichen Tod seiner Stute Bahila und hofft mit seiner Frau, dass die Hintergründe eines Tages aufgeklärt werden.

Peter Büning glaubt nicht an einen natürlichen Tod seiner Stute Bahila und hofft mit seiner Frau, dass die Hintergründe eines Tages aufgeklärt werden. © Guido Bludau (A)

Peter Büning und seine Frau hoffen, dass die weiteren Ermittlungen zu neuen Erkenntnissen führen und den Schmerz über den Verlust ihres Pferdes ein wenig lindern. Bahila wird allerdings nicht noch einmal untersucht werden können. Der Kadaver ist wahrscheinlich längst entsorgt worden. „Wir wissen es nicht genau. Niemand hat uns gesagt, was mit Bahila nach der Obduktion passiert ist, obwohl wir doch die Besitzer sind.“