Die Staatsanwaltschaft München hat den 26-Jährigen wegen Mordes in zwei Fällen sowie wegen versuchten Mordes und gefährlicher Körperverletzung in sechs Fällen angeklagt. Einer der Patienten des Angeklagten war offenbar Hans Magnus Enzensberger, wie die „Süddeutsche Zeitung“ berichtet. Die Tatserie fand laut Staatsanwaltschaft im Jahr 2020 statt.
Enzensberger, einer der prägenden Autoren der bundesdeutschen Nachkriegsliteratur, zählt nicht zu den Todesopfern in dem Fall. Er starb zwei Jahre später, im November des vergangenen Jahres, im Alter von 93 Jahren. Sein Umfeld und Verlag äußerten sich auf Anfrage zunächst nicht zu dem Fall.
Beruhigungsmittel
Enzensberger war laut Süddeutscher Zeitung im November 2020 nach einem Sturz ins Krankenhaus eingeliefert worden, wo der Dorstener erst seit Kurzem arbeitete. Als Enzensberger am 6. November habe aufstehen wollen, habe er den Pfleger gerufen. Dieser habe aber in der Nacht zuvor große Mengen Alkohol getrunken und seinen Rausch ausschlafen wollen. Deshalb soll er Enzensberger Beruhigungsmittel gespritzt haben, woraufhin der damals 90-Jährige bewusstlos wurde. Den Ärzten kam Enzensberger am nächsten Morgen seltsam müde vor.
Bei einer weiteren Schicht habe der Dorstener laut Süddeutscher Zeitung dem Schriftsteller sofort ein starkes Beruhigungsmittel gespritzt und sogar noch mehr davon, als die Wirkung nicht sofort eintrat. Erheblich verschlechterte sich dadurch Enzensbergers Zustand. Der damals 24-Jährige aus Dorsten soll ihm sechs Ampullen Adrenalin gespritzt haben. Enzensberger musste laut Süddeutscher Zeitung auf der Intensivstation beatmet werden und überlebte nur knapp. Versuchten Mord nennt das laut Süddeutscher die Staatsanwaltschaft.
Heimtücke als Motiv
Ein 80 und ein 89 Jahre alter Patient des Angeklagten überlebten die Tatserie nicht. In ihrer Anklage geht die Staatsanwaltschaft von zwei Mordmerkmalen aus: Heimtücke und niedrige Beweggründe. Der Pfleger soll die Arg- und Wehrlosigkeit der Opfer ausgenutzt und sie sediert haben, damit er laut Anklage seine Ruhe hatte, um auf dem Handy zu spielen oder seinen Kater auszukurieren. „Hierbei nahm er in Kauf, dass die Sedierung der Patienten tödlich wirken konnte“, teilte die Staatsanwaltschaft zur Anklageerhebung mit.
Nach Angaben seines Anwalts Ömer Sahinci wird der Angeklagte die Vorwürfe im Prozess einräumen: „Mein Mandant wird sich in der Hauptverhandlung selbst ausführlich zu den Taten äußern und ein Geständnis ablegen“, sagte er der Deutschen Presse-Agentur.
Oberarzt wurde stutzig
Die Taten waren anderen im Krankenhaus aufgefallen: Ein aufmerksamer Oberarzt am Klinikum rechts der Isar war stutzig geworden, weil sich der Zustand von zwei Patienten plötzlich und unerklärlich verschlechtert hatte. Interne Ermittlungen ergaben Hinweise auf einen ähnlichen Fall, bei dem auch der Beschuldigte Dienst hatte.
Der Verdacht: Der Pfleger spritzte den Patienten eine Überdosis eines Medikaments, das ihnen nicht verabreicht werden sollte. Spuren dieser nicht verordneten Medikamente wurden im Blut der Patienten gefunden. Die Klinik zeigte den Pfleger an.
Der ausgebildete Altenpfleger, gebürtig aus Dorsten, war seit Juli 2020 über eine Zeitarbeitsfirma in die Klinik gekommen und dort vor allem auf der sogenannten Wachstation im Einsatz, einer Zwischenstation zwischen Intensiv- und normaler Station, auf der Kranke rund um die Uhr betreut wurden.
Mit Material von dpa
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