Nadine Mattes (Vorsitzende des Bundesverbands Parkinson-Youngster) und ihr Verlobter Alberto Ruibal Gonzalez (Angehörigen-Vertreter im Landesverband) organisieren die Radtour nach Berlin. Das Paar selbst nimmt mit E-Lastenrädern teil, die vom Dorstener Punta Velo-Store gestellt werden.

© Michael Klein

Mit dem Rad und Prominenz nach Berlin: Tour für Parkinson-Betroffene

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Ein ganzer Tross von Radfahrern macht sich bald von Dorsten auf nach Berlin. Die Tour soll auf die Belange von Parkinson-Betroffenen aufmerksam machen. Auch Prominenz ist unterwegs dabei.

Dorsten

, 15.08.2021, 05:00 Uhr / Lesedauer: 3 min

Nadine Mattes hat Parkinson, eine Krankheit, die das zentrale Nervensystem befällt. Die Nebenwirkungen der Medikamente, die sie nehmen muss, sorgen dafür, dass sie immer rastlos ist, nie zur Ruhe kommt. „Ich habe gemerkt, dass mir sportliche Bewegung gut tut“, sagt die Dorstenerin. „Weil ich nebenbei auch meine Ernährung umgestellt habe, konnte ich so die Zahl meiner täglichen Tabletten von 23 auf 3 reduzieren.“

Weil sie auf einem normalen Rad das Gleichgewicht schwer halten kann, fährt die Vorsitzende des Bundesverbandes „Parkinson-Youngster“ seit sechs Wochen ein E-Lastenrad: „Mindestens 50 Kilometer am Tag, auch zu offiziellen Verbands-Terminen.“

Neues Bewegungsgefühl

Dieses neue Bewegungsgefühl hat sie mit dazu bewogen, auf große Reise zu gehen. Zusammen mit anderen Parkinson-Patienten und Angehörigen, mit Mitgliedern des Dorstener Radsport-Clubs und Begleitfahrzeugen - um auf wichtige Anliegen von Parkinson-Kranken aufmerksam zu machen.

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Am 31. August (Dienstag) startet der rund 15-köpfige Tross um 10 Uhr am Dorstener Rathaus. Das Ziel am 8. September heißt Berlin. Dort werden die Teilnehmer von Sabine Weiss, Parlamentarische Staatssekretärin im Bundes-Gesundheitsministerium, empfangen. „Dass wir dort unsere Konzepte vorstellen können, ist ein großer Erfolg für einen kleinen Verband wie den unseren“, sagt die Dorstenerin.

Die Tour-Teilnehmer sind vom Dorstener Rad-Fachgeschäft mit eigenen Trikots ausstaffiert worden.

Die Tour-Teilnehmer sind vom Dorstener Rad-Fachgeschäft mit eigenen Trikots ausstaffiert worden. © Privat

Nadine Mattes und ihren Mitstreitern geht es vor allem um eine Patientenversorgung, die alle Parkinson-Altersgruppen in den Blick nimmt. „Derzeit ist fast alles auf Reha-Angebote für die Generation 70plus ausgelegt“, sagt sie. „Doch wir würden gerne im Bereich Sport neue Präventionsangebote ins Gespräch bringen. Neue Wege, die zu Regelleistungen der Krankenkassen werden sollten.“ Viele junge Parkinson-Betroffene leben nur mit einer kleinen Rente, haben nicht die Mittel, sich die Bewegungskurse leisten zu können, die sie brauchen.

Die Radtour wird finanziell unterstützt von Unternehmen aus dem Pharma- und Medizinbereich, die Tour-Trikots hat das Dorstener Radsporthaus Bomm gestiftet. Übernachtung und Verpflegung für die Teilnehmer sind frei. Nadine Mattes und ihr Verlobter Alberto Ruibal Gonzalez transportieren auf ihren vom Dorstener Punta-Velo-Store gestellten E-Lastenrädern die Snacks und Getränke für unterwegs.

Als Tour-Guides sorgen Mitglieder des RSC Dorsten dafür, dass die Radgruppe immer den richtigen Weg findet, auch ein Pannen- und Radtransportfahrzeug für den Fall der Fälle ist dabei. Und auch ein Transportbus fährt mit, „es kann immer mal sein, dass ein Parkinson-Patient spontan zu einem Arzt oder in ein Krankenhaus gebracht werden muss.“

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80 bis 100 Kilometer soll eine Etappe durchschnittlich lang sein, ein Tour-Tagebuch in den sozialen Medien wird die Erlebnisse in Wort und Bild festhalten. Ehrenamtlich mit dabei sind Sarah Wieck und Niklas Michalak vom Dorstener Start-up „Film Orbit“, das anschließend einen Image-Film über die Fahrt produzieren wird.

Für Aufmerksamkeit der Medien wird sicherlich Markus Maria Profitlich sorgen. Der bekannte Kabarettist ist selbst an Parkinson erkrankt, wird als Schirmherr des „Young-Parkinson“-Bundesverbandes die ganze Zeit mitradeln.

Umweg nach Coburg

Unterwegs gibt es einen 250-Kilometer-Umweg nach Coburg, wo ein TV-Team samt Bürgermeister die Dorstener Gruppe im Rathaus erwarten wird, auch Prinz Andreas von Sachsen-Coburg-Gotha ist dabei - er ist ebenfalls ein Parkinson-Patient, der sich gerne in den Dienst der guten Sache stellt.

Alberto Ruibal Gonzalez, der nicht nur als Lebenspartner von Nadine Mattes, sondern auch als offizieller Angehörigen-Vertreter des „Young-Parkinson-Landesverbandes“ die Tour mitorganisiert, betont: „In Deutschland ist Versorgung in Sachen Parkinson nicht schlecht, aber da ist noch viel Luft nach oben.“ Ihm ist es wichtig, auf der Tour auf die Situation der Angehörigen aufmerksam zu machen. „Wir sind dabei nicht auf Krawall gebürstet, wollen aber einige Dinge klar ansprechen.“

Der selbst an Parkinson erkrankte Kabarettist Markus Maria Profitlich (hier mit Nadine Mattes) begleitet auf dem Rad als Schirmherr die Tour nach Berlin.

Der selbst an Parkinson erkrankte Kabarettist Markus Maria Profitlich (hier mit Nadine Mattes) begleitet auf dem Rad als Schirmherr die Tour nach Berlin. © Privat

Denn für Eheleute, Kinder und Familie kann das Alltagsleben mit Parkinson-Patienten zur fortwährenden Belastung werden. Die Nebenwirkungen der Medikamente sorgen häufig für Impulskontrollstörungen und dafür, dass Parkinson-Erkrankte die unterschiedlichsten Süchte entwickeln, dass ihr Befinden zumeist von der Tagesform abhängig ist.

Viele Belastungen

„Das führt, dazu dass viele Partnerschaften zerbrechen“, sagt der Dorstener. „Und dabei sind Parkinson-Patienten doch extrem von uns gesunden Angehörigen abhängig.“ Deswegen will die Gruppe aus Dorsten im Bundesgesundheitsministerium ein Papier vorlegen, das eine „ganzheitliche Versorgung“ von Familien vorsieht.

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Ein in Dorsten schon mit Erfolg praktiziertes Pilotprojekt kann Nadine Mattes vorweisen: Mit der aus Dorsten stammenden und an der Uni-Klinik Marburg als Parkinson-Expertin tätigen Ärztin Dr. Franziska Thieken, die den Bundesverband wissenschaftlich begleitet, hat sie „Camps“ veranstaltet, in dem ein Therapie-Team Erkrankten und ihren Angehörigen in zehn Tagen Hilfen aufgezeigt hat.

Parkinson-Klinik als Wunschtraum

„Eine gemeinsame Kur für mehrere Familienmitglieder anzubieten, ist kostengünstiger und sinnvoller als sie zu unterschiedlichen Kuren zu schicken“, sagte Nadine Mattes. Und sie hofft, dass auch das Ministerium dies so sieht. Denn die Dorstenerin hat einen Wunschtraum: eine spezielle Parkinson-Klinik: „Die würde ich gerne hier in Dorsten aufbauen wollen.“