Michael Gerdes (SPD) hat den Bundestag verlassen „Benehmt euch wie Menschen!“

Michael Gerdes (SPD) hat Bundestag verlassen: „Benehmt euch wie Menschen!“
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Michael Gerdes hat einen eleganten Abschied aus dem Bundestag gewählt. Nicht die Wählerinnen und Wähler aus dem Wahlkreis 124 (Bottrop, Gladbeck, Dorsten) haben darüber entschieden, sondern er selbst hat vor längerer Zeit wegen seines Alters (64) und einer schweren Erkrankung vor einigen Jahren auf eine erneute Kandidatur verzichtet.

„Es waren schöne Zeiten“, sagt der Bottroper, der seit 2009 zwischen Ruhrgebiet und Berlin pendelte. „Meistens jedenfalls.“ Dass sein Abschied von der bundespolitischen Bühne durch die vorgezogene Neuwahl am 23. Februar sieben Monate früher kam als gedacht, hat er als SPD-Abgeordneter mit dem Bruch der Ampelkoalition ein Stück weit mit verantwortet. „Die letzten anderthalb Jahre haben wirklich keinen Spaß gemacht. Sie waren zum Kotzen“, sagt er offen.

Michael Gerdes (SPD) spricht im Deutschen Bundestag
Etwa 90 Reden hat Michael Gerdes seit 2009 im Plenum des Deutschen Bundestages gehalten. Arbeits- und Sozialpolitik war das Spezialgebiet des gelernten Elektrohauers. © picture alliance/dpa

Deutliche Worte fand Michael Gerdes deshalb am 20. Dezember 2024 im Deutschen Bundestag. „Ich wünsche mir, dass jedem bewusst ist, wie wichtig eine scharf in der Sache, aber fair im Umgang geführte Debattenkultur auch für die Menschen ist, die uns zuhören“, sagte er.

Es war die letzte von etwa 90 Reden, die Michael Gerdes seit 2009 vor allem in seinem Spezialgebiet, der Arbeits- und Sozialpolitik, gehalten hat. Seinen Kolleginnen und Kollegen, auch den nachfolgenden, gab er - frei nach der Holocaust-Überlebenden Margot Friedländer - mit auf den Weg. „Seid doch Menschen, benehmt euch wie Menschen!“

Vertrauensvolle Zusammenarbeit

Anhaltenden Applaus gab es damals von allen Fraktionen für dieses Schlusswort. Die Abgeordneten der SPD, der CDU/ CSU, von Bündnis 90/Die Grünen und einige der FDP erhoben sich für den früheren Bergmann sogar von den Sitzen. Da wurde Michael Gerdes schon ein wenig wehmütig.

Besuchergruppe und Michael Gerdes im Deutschen Bundestag
Michael Gerdes (vorne r.) hat immer wieder Besuchergruppen aus Bottrop, Gladbeck und Dorsten im Deutschen Bundestag empfangen. © Oliver Mann (Archiv)

Dorstens Bürgermeister Tobias Stockhoff beschreibt die Zusammenarbeit mit Michael Gerdes als „stets vertrauensvoll und konstruktiv“. Trotz unterschiedlicher Parteizugehörigkeiten sei ihm und auch dem SPD-Abgeordneten immer der Austausch zum Wohle Dorstens und der Menschen wichtig gewesen. „Wenn ich Anliegen hatte oder Bürgeranliegen weitergeleitet habe, haben er oder sein Büro sich der Sache immer angenommen.“

Dieses Büro ist inzwischen aufgelöst, die gepackten Kartons sind längst in Bottrop. Die Verträge mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern laufen aus. Der Abschied war emotional. „Sie haben mir ein Buch geschenkt mit all meinen Reden“, sagt Michael Gerdes. „Da wird einem noch einmal bewusst, was man alles erlebt und wofür man gekämpft hat.“

Ein neuer Lebensrhythmus

Kämpfen muss Michael Gerdes nicht mehr, zumindest nicht in Berlin. Ein paar freundschaftliche Kontakte in der Hauptstadt will er pflegen, dem Verein der Ehemaligen gehört er nun auch an.

Im September wird er noch einmal für den Bottroper Stadtrat kandidieren. „Ich werde mich an einen neuen Lebensrhythmus gewöhnen müssen“, ahnt er. Seine Frau hat das offenbar schon begriffen und plant ihn für Hausarbeiten und Einkäufe ein. Michael Gerdes berichtet davon mit einem Schmunzeln, freut sich natürlich auf mehr gemeinsame Zeit, auch mit Kindern und Enkeln.

Und auf Radtouren in die „Alpen des Ruhrgebiets“, wie er die Halden nennt. „Die werde ich rauf und runter fahren.“ So wie es im Bundestag auch war, mal oben als Vertreter einer Regierungspartei, mal unten in der Opposition.

„Das war eigentlich eine ganz ruhige Zeit“, sagt er scherzhaft. „Man konnte immer eine große Klappe haben, weil man wusste, dass es eh nicht durchkommt.“