Vor der 2. Großen Strafkammer des Landgerichts Münster wies der 23-Jährige aus Rhade am Dienstag (2.4.) alle Vorwürfe von sich. Stattdessen beschuldigte er einen Bekannten und nannte auch dessen Namen.
Laut Anklage soll der Dorstener in der Nacht des 13. August 2023 auf dem Schützenfest in Heiden zusammen mit drei Begleitern einen 29-jährigen Mann körperlich misshandelt haben. Mit zwei Klappmessern soll er mindestens siebenmal auf das Opfer eingestochen und dabei dessen Tod billigend in Kauf genommen haben, während die Begleiter den Heidener mit Schlägen und Tritten traktierten.
Noch in der Tatnacht hatte der schwer Verletzte gegenüber Polizisten den Messerstecher mit Merkmalen beschrieben, die auf den Angeklagten zutrafen. Doch zum Prozessauftakt am 14. März offenbarte das Opfer eine psychologische Blockade und konnte sich weder an den Tathergang noch an den Täter erinnern.
Und so tischte der Angeklagte eine völlig neue Version auf: Nicht er habe auf den Mann eingestochen, sondern ein anderer aus ihrer Gruppe. Er sei vielmehr schockiert gewesen über die Bluttat und habe sich übergeben müssen.

Dennoch habe er sich später in Absprache mit einigen Kumpels selbst als Messerstecher bezichtigt. Er wollte dies in Rap-Videos verarbeiten, um sich damit vor seiner Clique in Rhade groß zu machen und sich als Held feiern zu lassen.
Die Kumpels hätten ihn dazu ermuntert und gesagt, ihm könne ja nichts passieren, weil er in Wahrheit nichts gemacht habe. Tatsächlich postete der Angeklagte dann solche Raps im Internet, in denen es unter anderem hieß: „Beim nächsten Mal bekommst du 70 Stiche.“
Richter sind skeptisch
Die Vorsitzende der Strafkammer und ein beisitzender Richter nahmen diese Einlassungen mit Skepsis auf. In etlichen Fragen an den Angeklagten machten sie ihre Zweifel deutlich. Warum er erst jetzt, Monate später, damit komme, wollten sie wissen. Warum das LKA nicht nur Blut des Opfers, sondern auch DNA des Angeklagten an einem Messer gefunden habe? Warum er in der Nacht, zugedröhnt mit Drogen und Alkohol, schockiert war, am nächsten Tag aber alles so cool fand, um darüber zu rappen?
Man hätte ihm ja sowieso nichts geglaubt, antwortete der Angeklagte. Schon als das SEK Anfang September bei ihm eingedrungen sei, habe er doch als Schuldiger festgestanden. Dabei habe er niemals solche Butterfly-Messer besessen, wie in der Anklage beschrieben. Er wisse doch, dass das illegale Waffen seien.
Zwei Frauen als Zeuginnen
Dass er in der Tatnacht zusammen mit seinen Freunden große Mengen Kokain und Cannabis sowie Bier, Jägermeister, Wodka und Tequila intus hatte, räumte der Dorstener ein. Auch dass er regelmäßig größere Mengen Rauschgift konsumiert.
Nach seiner Aussage hörte die Kammer am Dienstag eine Reihe von Zeuginnen aus der Tatnacht. Darunter waren zwei junge Frauen, die das Opfer zum Parkplatz am Schützenfest begleitet hatte, wo es zu dem Gewaltausbruch kam. Die Frauen bestätigten im Wesentlichen die Auffassung der Staatsanwaltschaft.
Sie hatten in der Dunkelheit zwar nicht das Gesicht des Haupttäters erkannt, beschrieben ihn aber als blond, dünn und relativ groß, was zum Angeklagten passt. Die Begleiter seien dunkelhaarig und kleiner gewesen. Der Blonde habe ein oder zwei Messer gezogen und dem Opfer gedroht: „Willst du wirklich hier auf dem Heidener Schützenfest sterben?“
Schließlich habe einer aus der Gruppe mit einem Faustschlag die Prügelei eröffnet, worauf alle über den 29-Jährigen herfielen. Die Messerstiche sahen die Zeuginnen nicht. Als das Opfer regungslos am Boden lag, seien die Täter geflüchtet.