Nach der kleinteiligen Beweisaufnahme, so die vorsitzende Richterin, sei die Kammer zu der klaren Überzeugung von der Schuld des 22-jährigen Mannes aus Dorsten-Rhade gekommen.
Mehrere Gruppen von Zeugen hatten das Geschehen in der Schützenfestnacht übereinstimmend geschildert. Zwar habe niemand die Stiche selbst gesehen. Aber die Beschreibungen des großen Blonden mit zwei Messern passten nur zu dem Angeklagten und nicht zu den anderen Angreifern. Der Blonde sei es auch gewesen, der den 29-Jährigen fragte, ob er auf dem Schützenfest sterben wolle.
Für die Schwurgerichtskammer gab es keinen Zweifel: Beim Schützenfest in Heiden am 13. August 2023 stach der Dorstener achtmal wuchtig mit seinen Messern auf den 29-jährigen Mann ein. Dabei habe er den Tod des Opfers in Kauf genommen.
„Habe nicht die Eier, ein Messer einzusetzen“
Zwei Stunden vor der Urteilsverkündung betrat der Angeklagte am Freitag (3.5.) zusammen mit seinem Verteidiger den großen Saal des Landgerichts. Allerdings zögernd und mit einem Aktenordner vor dem Gesicht.
Während der ersten sechs Verhandlungstage hatte er sich immer forsch und selbstbewusst auf die Anklagebank gesetzt. Diesmal war es anders. Vorsichtig wandte er sich in seinem letzten Wort an die Strafkammer. Genau wie das Gericht wolle er, dass die Sache aufgeklärt wird. Erneut gab er zu, dass er beim Angriff auf den 29-jährigen Heidener dabei war. Aber guten Gewissens könne er sagen, dass er nicht der Haupttäter war: „Ich habe nicht die Eier, ein Messer einzusetzen.“
Gangster-Rapper bei TikTok
Das hatte in seinen Rap-Videos kurz nach der Tat und in den Chats mit seinen Freunden ganz anders geklungen. Und so nahm das Gericht ihm seine Version der Ereignisse nicht ab, wie die Vorsitzende betonte: Man habe sich gefragt, ob der Angeklagte die Kammer für so blöde halte, ihm seine Geschichten abzukaufen.
Dabei spielte sie unter anderem auf die Einlassungen des 22-Jährigen an, er habe mit Messern und roher Gewalt nichts am Hut. Dagegen sprächen schon seine TikTok-Auftritte, in denen er sich als Gangster-Rapper präsentierte.
Die Richterin erinnerte an das Vorstrafenregister des Dorsteners, das brutale Delikte schon im frühen Jugendalter aufweist. Auch zwei Jahre vor der Tat in Heiden war der Angeklagte wegen einer rohen Gruppen-Gewalttat verurteilt worden.
Zusammen mit anderen hatte er einen jungen Mann traktiert und ihm durch einen Trichter zwangsweise hochprozentigen Alkohol eingeflößt, was das Opfer auf die Intensivstation brachte.
Auch die Manipulationsversuche des Angeklagten im laufenden Prozess gingen nach hinten los. So hatte er in der Haft einen Brief an seine Kumpels geschrieben, um ihnen Vorschriften für Falschaussagen zu machen. Die Gefängnisleitung fing den Brief ab. Wenn seine Version stimmen würde, erklärte die Richterin, dann hätte es dieser Regieanweisungen nicht bedurft.
Das Urteil lautete schließlich: Sieben Jahre und sechs Monate Haft wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung. Genau das hatte auch der Staatsanwalt gefordert.