Sicherheitskonzept bei Dorstener Veranstaltungen „Gefahrenräume“ sind ein Kommunikations-GAU

Sicherheitskonzept: „Gefahrenräume“ sind ein Kommunikations-GAU
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Berthold Fehmer

Man kann verstehen, dass die Stadt nach dem Rosenmontagszug einen Ausweg suchte: Dieser Einsatz von Mensch und Material, der dort für die Sicherheit investiert wurde, ist auf Dauer nicht durchzuhalten. Auf der faktischen Ebene, und darüber können sich jetzt gerne Juristen, Sicherheitsexperten und Verwaltungsfachleute in den kommenden Monaten streiten, mag man nun einen Weg gefunden haben, der den Aufwand reduziert und gleichzeitig Veranstaltungen weiterhin möglich macht. Wenn es so wäre: Herzlichen Glückwunsch, Ziel erreicht!

Ganz so einfach ist es aber nicht, wie die vielen Reaktionen und das bundesweite Interesse von Medien zeigen. Denn mit der Verkündung des Sicherheitskonzepts hatten viele Menschen, inklusive uns als Redaktion, den Eindruck, dass mehr Fragen entstanden als beantwortet wurden. Wenn man eine Veranstaltungsfläche in drei „Gefahrenraum“-Kategorien einteilt, vermittelt man damit nicht nur eine sachliche Information, sondern löst zwangsläufig eine emotionale Reaktion aus.

Geschäftsschädigend?

Und eine solche Reaktion kann komplett unterschiedlich ausfallen - je nachdem, mit welchem persönlichen Hintergrund man die Nachricht liest. Wer eher vorsichtig oder gar ängstlich ist (und dies soll in keiner Weise abwertend gemeint sein!), könnte auf die Idee kommen, einer Veranstaltung komplett fernzubleiben. Ein Slogan wie „Feiern in Gefahrenräumen“ wäre auf jeden Fall keine gute Werbung - vielleicht sogar geschäftsschädigend?

Gänzlich anders triggerte der Begriff „Gefahrenräume“ eine andere Bevölkerungsgruppe: Das rechte Narrativ, der Staat schütze seine Bürger nicht oder nur unzureichend, wurde allein mit dem Wort bedient - und genüsslich ausgeschlachtet. Wer eh dem staatlichen Handeln kritisch gegenüber steht, sah hier eine „Bankrott-Erklärung“.

Wie eine Ampel oder nicht?

Und dann die Sache mit den Schildern: Drei Kategorien, die auf den ersten Blick an eine Ampel erinnern - auch wenn statt rot orange gewählt wurde. Im Kindergarten- und Grundschulalter lernt man, wie man sich bei einer Ampel verhält. Aber was bringt die Analogie beim Sicherheitskonzept? Wer sich damit nicht im Vorfeld beschäftigt hat, als Auswärtiger vielleicht am Sonntag extra nach Dorsten kam, trifft auf ein orangefarbenes Schild. Was das bedeutet, weiß er in der Regel nicht. Und wenn es das System verstanden hätte, könnte er auf die Idee kommen, die grüne Zone zu suchen. Aber die gab es gar nicht.

Was passiert bei den nächsten Veranstaltungen? Drängeln sich demnächst alle Besucher in grünen Zonen oder ist es ihnen einfach egal? Wäre für einen Attentäter eine grüne Zone nicht ein besonders reizvolles Ziel, um die Menschen dort zu treffen, wo sie sich sicher fühlten? Oder bekommt er mit der orangefarbenen Zone Tipps, wo er besonders leicht zuschlagen kann? Kann man als Standbetreiber überhaupt noch einen Stand dort aufstellen oder muss man befürchten, dass niemand dorthin kommt? Hat die gelbe oder orange Zone haftungsrelevante Auswirkungen?

Wenn Bürgermeister Tobias Stockhoff davon spricht, dass „Besucherinnen und Besucher auch in eine Mitverantwortung für die eigene Sicherheit genommen werden“, dann ist es die eine Sache, was er damit meint. Die andere Sache, was bei den Bürgern ankommt: „Schönes Outsourcing, gehste in den roten Bereich, haste halt Pech gehabt“, so ein flapsiger Kommentar. Aber ernsthaft formuliert: Welche Art von „Mitverantwortung“ soll das sein, wenn in einem orangefarbenen Bereich ein Terroranschlag verübt würde? Diese Frage stellen sich viele.

Retten, was zu retten ist

Nicht vorwerfen kann man der Verwaltung, vor allem dem Bürgermeister, dass er, nachdem das Thema „viral“ ging, nicht versucht hätte, möglichst viele Missdeutungen wieder einzufangen. Allein am Wochenende muss sein Smartphone geglüht haben bei der Anzahl von Kommentaren, die er in Sozialen Medien absetzte.

Dass es aber erst so weit kam, liegt daran, dass die Begrifflichkeiten und das Schilder-System zu viel Spielraum für Deutungen offenließen. Und zudem die Frage berechtigt ist, ob es wirklich den Dorsten-Weg, die Dorstener Pionier-Tat braucht, wenn doch alle Städte und Gemeinden vor demselben Problem stehen dürften?