Mehr Schimmelfälle Sachverständiger: „Die Leute haben Angst zu lüften“

Mehr Schimmelfälle - Sachverständiger: „Die Leute haben Angst zu lüften“
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Wenn schwarze Punkte oder Flecken an Wänden, Fensterbänken oder hinter Möbeln entdeckt werden, wird Marco Nussbaum vom Sachverständigenbüro ImmoWert Rhein-Ruhr in Dorsten gerufen. Oft gehen dem Streitigkeiten zwischen Vermietern und Mietern voraus, aber auch Hauseigentümer wenden sich an Nussbaum. Denn Schimmelsporen sind bekanntermaßen gesundheitsschädlich.

Warum kommt es jetzt zu mehr Schimmelfällen? „Das dysfunktionale Nutzungsverhalten nimmt zu“, sagt Nussbaum. Und nennt ein Beispiel. Erst kürzlich war er in einer Wohnung, wo die Bewohnerin aus Kostengründen Angst hatte, zu stark zu heizen. „Jetzt haben wir doch den Raum hier geheizt, da können wir doch nicht das Fenster aufmachen bei drei Grad. Dann ist doch die Wärme wieder weg.“

Die Tabelle zeigt, ab welchen Temperaturen und bei welcher Luftfeuchtigkeit in welchen Gebäuden Schimmel droht.
Die Tabelle zeigt, ab welchen Temperaturen und bei welcher Luftfeuchtigkeit in welchen Gebäuden Schimmel droht. © ImmoWert Rhein-Ruhr

In solchen Fällen muss Nussbaum dann erklären, was es mit der Luftfeuchtigkeit auf sich hat. Und zwar mit der relativen Luftfeuchtigkeit. „Kalte Luft kann weniger Feuchtigkeit speichern als warme.“ Sinkt die Temperatur unter den Taupunkt oder steigt die Feuchtigkeit über das temperaturbedingte Fassungsvermögen der Luft, kondensiert das Wasser. Und zwar genau da, wo der Raum am kältesten ist.

Oft ist dieser kälteste Punkt die Fensterscheibe. Da richtet das Kondenswasser in der Regel keine Schäden an und mit Lüften kann man Feuchtigkeit aus dem Raum transportieren. Dennoch prüft Nussbaum auch immer die Fenster, weil diese nicht richtig eingestellt sein können, vielleicht auch kaputte Dichtungen aufweisen. Dann kann kalte Luft eindringen.

Eine von Schimmel befallene Wand
Eine von Schimmel befallene Wand: So weit sollte man es nicht kommen lassen, weil Schimmelsporen gesundheitsgefährdend sind. © picture-alliance/ dpa

Nase nimmt Feuchtigkeit wahr

Wenn Marco Nussbaum eine Wohnung oder ein Haus betritt, merkt er sofort, ob die Luft zu feucht ist: „Die geschulte Nase nimmt die Raumfeuchte wahr.“ Nussbaum schaut dann, wo Wärmebrücken im Raum sind. Umgangssprachlich wird zwar oft auch von „Kältebrücken“ gesprochen, aber der Fachmann kennt nur Wärmebrücken, weil die Wärme dort aufgrund einer höheren Durchlässigkeit und Wärmeleitfähigkeit entweicht: etwa bei Fensterrahmen, Heizkörpernischen, Rollladenkästen und Ecken im Haus.

Aber auch eine kalte Außenwand im Schlafzimmer kann zu Schimmelbefall neigen. Nussbaum: „Oft wird im Schlafzimmer weniger geheizt, weil es weniger genutzt wird. Dann hängen manche Leute da ihre Wäsche zum Trocknen auf. Niedrige Temperatur, besonders hohe Luftfeuchtigkeit - und dann steht noch das Kopfteil vom Bett an der Wand.“

In solchen Fällen bringe auch Lüften nichts, weil keine Luftbewegung hinter dem Bett stattfinde. An kalten Außenwänden im Altbau würde Nussbaum deshalb keinen Schrank, kein Regal und kein Kopfteil vom Bett aufstellen. Und wenn dann nur mit genügend Abstand, „sodass die Luftbewegung sichergestellt ist“. Wenn man in Altbauten an solchen Stellen schon Schwierigkeiten hatte, würde Nussbaum dafür plädieren, im Mietvertrag festzuhalten, dass die Außenwand nicht großflächig zugestellt werden dürfe. „So kann man sich in Zukunft viel Ärger sparen.“

Andere Gründe für Feuchtigkeit

Feuchtigkeit kann natürlich auch bei Leckagen, etwa undichten Rohren, in ein Haus eindringen. „Für Leckage-Ortung bin ich kein Experte“, sagt Nussbaum. Häufig trifft er auch in Kellern auf Schimmel, die anders genutzt werden als eigentlich ursprünglich vorgesehen.

Er empfiehlt die Anschaffung von Hygrometern, also Luftfeuchtigkeitsmessern, die oft gleichzeitig ein Thermometer enthalten. Korrekt gemessen wird, wenn das Gerät in der Mitte des Raums steht. Bis zu 60 Prozent beträgt die optimale relative Luftfeuchtigkeit. Ab dann sollte spätestens gelüftet werden.

Die häufigsten Fehler beim Lüften seien: „Zu wenig und zu vorsichtig, dass Wärme verloren geht.“ Dass man mindestens fünf Minuten Stoßlüften sollte und nicht per Fenster auf Kipp, dürfte mittlerweile zum Allgemeinwissen gehören. Nussbaum empfiehlt allen Besitzern, sich Häuser und Wohnungen in Bezug auf Wärmebrücken und Schimmel aufmerksam anzuschauen: „Man muss die Schwachstellen kennen.“

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