Medikamentenmangel in Dorsten Apotheker Gerrit Nattler: „Wir laufen da in eine Falle!“

Medikamentenmangel: „Wir laufen da in eine Falle!“
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Wenn Gerrit Nattler, Inhaber mehrere Dorstener Elisana-Apotheken, über den Medikamentenmangel in Dorsten spricht, hat er viel zu sagen. Seit Monaten werden immer wieder die Schlagzeilen davon bestimmt, dass Medikamente fehlen. Teilweise sind sie frei verkäuflich. Manchmal handelt es sich aber auch um lebenswichtige Medikamente. Doch wie angespannt ist die Lage jetzt, im Sommer 2023?

Dazu hat sich Nattler am Mittwoch (14.6.) geäußert - am Rande des Apotheker-Protests in der Dorstener Innenstadt. Und seine Antwort hat es in sich: Mehrere hundert Artikel umfasse derzeit die Liste der fehlenden Medikamente. Solange es noch Mittel mit ähnlichen Wirkstoffen gebe, sei die Lage noch nicht ganz so dramatisch. Häufig fallen aktuell aber nicht Artikel einzelner Firmen aus, sondern alle Hersteller, die die Medikamente überhaupt noch in Deutschland anbieten. Und das fast zeitgleich.

Fiebersäfte waren knapp

Um den Jahreswechsel 2022/23 mussten Eltern beispielsweise lange nach Apotheken suchen, die noch Fiebersäfte für Kinder verkaufen konnten. Derzeit seien es unter anderem vor allem Medikamente aus drei Bereichen, die besonders schwierig zu bekommen seien.

Nattler zählt auf: „Im Moment sind vor allem Antibiotika betroffen. Es sind zudem Blutdrucksenker und magenschonende Mittel betroffen.“ Problematisch werde es immer dann, wenn Artikel nicht lieferbar und gleichzeitig schwer austauschbar seien.

In solchen Fällen, so versichert Nattler, würde jede Apotheke versuchen, Lösungen zu finden. Herausfordernd sei das allerdings dann, wenn es sich um lebensnotwendige Mittel handele, die eher selten vorkämen, aber vor Ort schnell lieferbar sein müssten. Dann müsse Rücksprache mit den Ärzten, den Herstellern und den Großhändlern gehalten werden.

„Ein Problem mit Ansage“

Die ganze Situation sei ein Problem mit Ansage, meint Nattler. Er weist darauf hin, dass der Medikamentenmangel in Deutschland schon seit Jahren Thema in den Apotheken ist. „Das gibt es seit etwa zehn Jahren“, sagt Nattler. „Seit, fünf, sechs Jahren spielt es eine größere Rolle“, führt er weiter aus.

Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Dorstener Apotheken haben am Mittwoch demonstriert.
Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Dorstener Apotheken haben am Mittwoch demonstriert. © Lisa Wissing

Damals seien jedoch Mittel betroffen gewesen, die eher selten im Alltag vorkamen oder für die es noch Alternativen gegeben habe. Daher sei das Thema in der Öffentlichkeit nicht so präsent gewesen, zumal die Apotheken mit viel Einsatz diese Engpässe noch hätten managen können. Trotzdem hätten die Apotheken darauf hingewiesen: „Wir laufen da in eine Falle.“

Nattler spart nicht mit Kritik an der Politik: Erst habe es wegen Corona einen anderen Schwerpunkt gegeben. Und aktuell würden alle über Heizungen diskutieren. „Die Politik setzt leider nicht immer den richtigen Schwerpunkt. Viel Geld wird an anderer Stelle ausgegeben. Nun sind die Kassen leer. Aus meiner Sicht stimmt der Fokus nicht - Gesundheit geht uns alle an!“

Produktion nicht attraktiv

Neben der überbordenden Bürokratie geht es also bei den fehlenden Medikamenten ebenfalls schlicht ums Geld. Denn für die Hersteller sei es nicht mehr lukrativ, Medikamente für den deutschen Mark zu produzieren. Nattler nennt Beispiele: „Zehn Paracetamol-Zäpfchen kosten die Krankenkassen 1,19 Uhr. Die Hustenbonbons von Em-eukal kosten hingegen 1,35 Euro. Und das kann nicht sein.“

Einen wirklichen Mangel an Medikamenten gebe es nicht per se. Die Medikamente seien teilweise da, so Nattler. Nur eben nicht in Deutschland. So sei es auch bei den fehlenden Fiebersäften gewesen. Denn aufgrund einer Verordnung sei ein höherer Betrag von den Krankenkassen übernommen worden.

„Die Hersteller durften so den Preis um bis zu 30 Prozent erhöhen“, führt der Apotheker aus. „Man hat gemerkt: Der Versorgungsmangel war relativ schnell behoben. Es gab weltweit dadurch nicht mehr Säfte. Aber es wurde wieder gerechter verteilt.“ Eine Lösung gegen die fehlenden Medikamente könnte also eine moderate Preisanpassung sein. Tragen sollen diese dann die Krankenkassen, so Nattler.

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