
© Julian Preuß
Lembecker Milchbauer Johannes Thier: „Milchpreise müssten höher sein!“
Lebensmittelversorgung
Johannes Thier lebt von der Milchproduktion. Damit das Geschäft weiter rentabel bleibt, müsste der Milchpreis noch weiter steigen. Begründen lässt sich auch dies mit dem Krieg in der Ukraine.
Anfang April hatte der Discounter Aldi die Preise für viele Lebensmittel erhöht. Unter anderem waren davon Milchprodukte betroffen. „Die Preise für einen Liter Milch sind um etwa acht Cent gestiegen“, erzählt Johannes Thier. Der Milchbauer führt einen Betrieb in Lembeck, zu dem 500 Kühe gehören.
„Machen uns davon nicht die Taschen voll“
Von dem Geld, das die Kundinnen und Kunden im Supermarkt mehr bezahlen, hat Thier allerdings wenig. Im Gegenteil. „Wir Landwirte machen uns davon nicht die Taschen voll.“
Im Gespräch mit ihm wird deutlich, dass die Milch eigentlich noch viel mehr kosten müsste und Milchprodukte wie Käse oder Sahne somit noch teurer werden müssten. Thier erklärt: „Unsere Kostenexplosion ist dramatisch. Im Vergleich zum letzten Jahr sind unsere Produktionskosten um zwölf bis 15 Cent pro Liter gestiegen.“ Für Thier und seinen Betrieb bedeutet das also ein Defizit von vier bis sieben Cent pro Liter.
Energie- und Treibstoffpreise treffen Landwirte hart
Doch was macht die Produktion so teuer? Die Antwort auf diese Frage scheint zunächst banal. Thier: „Strom zum Melken, zum Kühlen der Milch und für die Ventilatoren. Diesel für die Maschinen.“ Die Preise für Energie und Treibstoff sind in den letzten Wochen extrem gestiegen - als Folge aus dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine.
Hinzu kommt ein wenig offensichtlicher Kostenfaktor: Dünger. Doch wozu benötigt ein Milchbauer mit 500 Kühen Dünger? „Wir bewirtschaften 200 Hektar Land und bauen darauf große Teile des Futters an, das die Kühe bekommen“, erklärt Thier. Dazu zählen Gras (für Grassilage), Körnermais (Maissilage), Zuckerrüben (Zuckerrübenschnitzel) und Stroh. Eine Maschine vermengt die einzelnen Bestandteile.

Futter für die Kühe besteht aus mehreren Bestandteilen: Mineralstoffe, Körnermais, Rapsschrot, Rübenschnitzel, Grassilage und Maissilage (von vorne). © Julian Preuß
Stefan Nießing, Geschäftsführender Vorstand der AgriV Raiffeisen eG kennt die Hintergründe für die explodierten Dünger-Preise. Bei dem Unternehmen können landwirtschaftliche Betriebe beispielsweise Futter für die Nutztiere oder eben Dünger kaufen.
„Ohne Dünger läuft nichts“
Nießing erklärt: „Ohne Dünger läuft nichts. Stickstoff, Phosphor und Kalium sind die Hauptnährstoffe für Pflanzen.“ Der Preis für Stickstoffdünger sei „durch die Decke“ gegangen, weil für die Herstellung viel Energie nötig sei. Phosphor sei kaum noch zu bekommen, da die Ukraine ein großer Exporteur sei.
Lediglich die Kaliumversorgung sei noch relativ sicher, so Nießing. Die einzige Alternative bestünde darin, den Mineraldünger teilweise durch Naturdünger zu ersetzen - beispielsweise durch Gülle und Mist.
Die logische Konsequenz: Es braucht Tiere, die versorgt werden müssen. Unter anderem mit Bestandteilen, die die Landwirte selber anbauen. Landwirtschaft bedeutet also, in Kreisläufen zu arbeiten.
Obergrenze für Düngen mit Mist und Gülle
Doch diese Kreisläufe haben Lücken. Gefüllt werden müssen diese beispielsweise durch Mineraldünger, der nicht eins zu eins durch Naturdünger ersetzt werden kann. Grund dafür sind unter anderem festgelegte Obergrenzen für das Düngen mit Mist und Gülle. Das hatte ebenfalls Regina Böckenhoff, Kreisverbandsvorsitzende des Westfälisch-Lippischen Landwirtschaftsverbandes Recklinghausen, gegenüber dieser Redaktion erklärt.
Damit ist auch Johannes Thier weiter auf Mineraldünger angewiesen. Und muss dafür den höheren Preis bei den Betriebskosten zahlen. Die Kundinnen und Kunden in den Supermärkten haben erste Konsequenzen bereits jetzt erlebt. Und es könnten noch weitere kommen. Denn Johannes Thier fehlen noch bis zu acht Cent pro Liter Milch, damit die Produktionskosten vollständig gedeckt werden können.
Geboren in der Stadt der tausend Feuer. Ruhrpott-Kind. Mag königsblauen Fußball. Und Tennis. Schreibt seit 2017 über Musik, Sport, Wirtschaft und Lokales. Sucht nach spannenden Geschichten. Interessiert sich für die Menschen und für das, was sie bewegt – egal in welchem Ort.