Kritik an Auflagen für Karneval in Dorsten „Aufpassen, dass wir nicht überziehen“

Karnevalsumzüge sollen trotz neuer Sicherheitsvorgaben stattfinden
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Nach dem Anschlag auf dem Weihnachtsmarkt von Magdeburg mit sechs Toten forderten Polizei und Behörden verschärfte Sicherheitskonzepte für Freiluft-Umzüge. Doch es fehlen vielerorts Poller, Sperren und Geld, um die neuen Vorgaben umzusetzen.

Rudi Haller, Vorsitzender des Festkomitees Dorstener Karneval, jubelt beim Rosenmontagszug 2020 in Dorsten.
Rudi Haller, Vorsitzender des Festkomitees Dorstener Karneval, moniert schon seit Jahren die immer höheren Sicherheitsauflagen für den Rosenmontagszug. © Berthold Fehmer (Archiv)

In Neukirchen-Vluyn und Moers standen die Umzüge auf der Kippe, sollen jetzt aber doch stattfinden, wenn auch verkürzt. 40 zusätzliche Betonsperren, fünf mobile Lkw-Sperren, 23 weitere Fahrzeuge und eine Bauzaunkette sind in Moers nötig, um den Nelkensamstagszug angeblich sicher zu machen und auch die Veranstalter juristisch abzusichern, wenn doch etwas passieren sollte.

In Marburg, Kempten (Allgäu) und Erfurt sind alle närrischen Umzüge vor allem aus Kostengründen abgesagt worden. Viele weitere Städte könnten noch folgen. Denn nach der Amokfahrt von München am Donnerstag wird erneut über die Sicherheitsvorkehrungen bei größeren Umzügen im Freien debattiert.

Bürgermeister warnt vor Aktionismus

Die beiden karnevalistischen Züge in Holsterhausen (Kinderkarneval, Sonntag, 2. März) und rund um die Innenstadt (Rosenmontag, 3. März) werden daran wohl nicht scheitern, versichert Bürgermeister Tobias Stockhoff, findet aber deutliche Worte: „Wir müssen aufpassen, dass wir nicht überziehen und in Aktionismus verfallen. Es wird am Ende niemals 100-prozentige Sicherheit geben. Ich warne auch davor, dass einige Behörden den Eindruck erwecken, dies sei möglich.“

Rudi Haller, Vorsitzender des Festkomitees Dorstener Karneval, hatte schon vor zwei Jahren die immer schärferen Vorgaben moniert, die ihn und seine Mitstreiter an die Grenzen bringen. Er hatte sogar ein Sicherheitskonzept schreiben müssen, weil der Rosenmontagszug als Großveranstaltung eingestuft wurde.

Tobias Stockhoff glaubt: „Bei allen Ansprüchen an Sicherheit muss immer auch beachtet werden: Die Ehrenamtlichen, die Polizei und auch die Städte und Gemeinden müssen das noch leisten können.“

Dass in Dorsten hunderte Meter „Überfahrsperren“ errichtet werden, nur um im Falle des Falles rechtlich abgesichert zu sein, sei kaum vorstellbar.

Müllfahrzeuge als Absperrfahrzeuge

Rund 20 Gruppen machen sich am 3. März in Dorsten auf den Weg, einen Prinzenwagen werden die Jecken am Straßenrand womöglich nicht sehen. „Ein Landeserlass macht wieder Probleme. Die rechte Hand weiß nicht, was die linke Hand tut“, sagt Haller, ohne ins Detail zu gehen. „Aber wir haben bis zur Klärung der Lage schon einen Plan B entwickelt.“

„Die Stadt Dorsten hat in den vergangenen Jahren mit der Polizei und den Veranstaltern immer sinnvolle Maßnahmen abgestimmt und eingesetzt“, betont Bürgermeister Tobias Stockhoff, „zum Beispiel werden Müllfahrzeuge als Absperrfahrzeuge auf Hauptstraßen eingesetzt. Den gleichen Weg gehen jetzt auch Raesfeld und Olfen mit wesentlich größeren Umzügen.“

Wie widersprüchlich manchmal die Sicherheitsauflagen sind, zeigt das Beispiel München: Bei der Demonstration einer Gewerkschaft gab es am Donnerstag keine Überfahrsperren - weil sie - anders als bei Karnevalsumzügen, nicht ausdrücklich gefordert sind.
Ziel der aktuellen Debatte muss es aus Sicht von Dorstens Bürgermeister sein: Sicherheit maßvoll und leistbar gestalten und zugleich ein niemals auszuschließendes Risiko rechtlich für diejenigen absichern, die als Veranstalter oder Behörde den Kopf hinhalten müssen.