An diesem Tag wartete ein ganz besonderer Fall auf Peter Goldhagen und seinem Kollegen Alfred Hofmann. Ein dringender Hilferuf aus Dorsten-Hervest hat die beiden Stromsparexperten über die Caritas in Recklinghausen, von wo aus der Stromsparcheck organisiert wird, erreicht.
Unglaubliche 8.000 KW/h Stromverbrauch in nur vier Monaten sollen in dem Haushalt angefallen sein. Wie schnell das zum finanziellen Kollaps führen kann, lässt sich schnell nachrechen: Bei einem marktüblichen Arbeitspreis von rund 35 Cent pro Kilowattstunde würden hier 8.400 Euro am Jahresende fällig werden – zuzüglich Grundpreis.
Ausgestattet mit Messgeräten und jeder Menge einschlägiger Erfahrung, machten sich die Stromsparexperten der Caritas nun auf die Spurensuche. Kein einfacher Fall, denn die üblichen Stromverschwender, wie z.B. ein alter Kühlschrank oder eine Elektroheizung, schieden nach der Überprüfung durch die beiden Stromsparexperten definitiv aus.

Am Ende des Tages war in diesem Fall der Übeltäter noch nicht entdeckt worden, doch zumindest ein Verdacht stand im Raum: „Man sollte den Zähler immer im Auge behalten. Das haben wir dieser Familie auch geraten. Möglicherweise ist der sehr alte Zähler defekt und dann müsste man sich mit dem Vermieter in Verbindung setzen“, erzählte Peter Goldhagen.
Solch akribische Detektivarbeit ist aber eher die Ausnahme für die drei in Dorsten ehrenamtlich tätigen Energiesparberater, Peter Goldhagen, Ulrich Heinbrokel und Alfred Hofmann. Denn durch langjährige Erfahrung kennen sie die Energieschlucker in den Haushalten nur zu genau.
Im Rahmen des bundesweiten Projekts „Stromspar-Check“ wurden sie intensiv geschult. Ihr Ziel ist es, Haushalte mit geringem Einkommen in der eigenen Wohnung kostenlos zum Energiesparen sowie zum Klimaschutz im Alltag zu beraten.
Energiebeauftragter auf der Zeche Fürst Leopold
Der sparsame Umgang mit Energie wurde dem Dorstener Peter Goldhagen schon in die Wiege seiner beruflichen Laufbahn gelegt. Als Starkstromelektriker begann er seine Lehre auf der Zeche Brassert und wechselte ein Jahr später zum Bergwerk Fürst Leopold. Von 1993 bis 2002 war der heute 70-jährige Rentner dort Energiebeauftragter.
Noch mehr der Theorie der Elektrik verbunden ist sein Kollege Ulrich Heinbrokel. Der diplomierte Physiker war in seinem aktiven Berufsleben Physik- und Informatiklehrer am Gladbecker Ratsgymnasium. Jetzt ist er nicht nur als Energieberater tätig, sondern auch im Dorstener „Repair-Cafe“.

Dritter im Bunde ist Alfred Hofmann. Nach seiner Ausbildung zum Starkstromtechniker bildete sich der heutige Rentner weiter zum Elektroingenieur „Starkstromtechnik“ und unterrichtete später an einem Berufskolleg. Auch er ist im Dorstener „Repair-Cafe“ aktiv.
Obwohl das Projekt kostenlos ist und schon seit 17 Jahren existiert, ist es noch lange kein Selbstläufer, so Peter Goldhagen. Der Zielgruppe sei der „Stromsparcheck“ oft nicht bekannt. Dass wollen Peter Goldhagen und seine Kollegen ändern und da sind sie sich nicht zu schade, auch vor Ort Werbung für „ihr“ Projekt zu machen. Vor Ort hieß in diesem Fall beispielsweise die Dorstener Tafel in der ehemaligen Aldi-Filiale an der Alleestraße 17, wo Peter Goldhagen immer wieder für das Projekt wirbt. „Man stellt dabei auch Mentalitätsunterschiede fest.“
Vor alle ältere Menschen seien oft sehr skeptisch. „Viele denken, ich will ihnen einen Stromvertrag aufschwatzen.“ In Wirklichkeit werden aber weder Verträge vermittelt noch abgeschossen. Auch Kosten für die Tätigkeit der Energiesparberater fallen nicht an.
Ist das Eis aber erst einmal gebrochen, können die Energiesparwilligen unbürokratisch einen ersten Termin über die Caritas in Recklinghausen vereinbaren. Und schon können die drei die Dorstener Energiesparberater in Aktion treten.
Nur zu gut erinnerte sich Peter Goldhagen an einen fünfköpfigen Haushalt in Wulfen-Barkenberg. Immense 12.000 KW/h jährlicher Stromverbrauch bei Kosten von 0,45 Euro pro Kilowattstunde plus 8.500 KW/a mit 35 Cent Kosten pro Kilowattstunde für die Nachtspeicheröfen und weitere Ausgaben für Wasser fielen hier pro Jahr an.
Der erste Hausbesuch startete mit einer Bestandsaufnahme: Daten – soweit vorhanden - wurden gesammelt. Raum für Raum galt es, die elektrischen Geräte zu erfassen und deren Verbrauch nachzumessen.
Unnötige Stromverschwender
„Ich habe einen Fall gehabt, da haben die Leute im Badezimmer die Waschmaschine aufgebaut und dann am Warmwasseranschluss angeschlossen. Wenn die dann die Waschmaschine bedient haben, lief der Durchlauferhitzer - auch zum Spülen“, erinnerte sich Peter Goldhagen. Genau auf solche unnötigen Stromverschwender haben die Energiesparhelfer ein besonderes Augenmerk. Auch die Wassermenge, die durch den Duschkopf und die Wasserhähne fließt, wird ermittelt und in ein Computerprogramm eingegeben.
Per Software werden die Energiesparpotenziale durch den Einbau sogenannter Soforthilfen ermittelt. Und das erste Ergebnis in diesem Fall war bereits vielversprechend: Mit „Soforthilfen“ in Form eines Kühlschrankthermometers, eines Wasserspar-Duschkopfes, eines Türbesens und eines Raumthermometers im Gesamtwert von 38 Euro versprach der Computer eine Ersparnis von 287 Euro pro Jahr - oder anders gerechnet 238 Kilogramm CO2. Und die Soforthilfen sind für Bedürftige zudem kostenlos.
Weitere Einsparpotenziale
Beim zweiten Hausbesuch gingt es zur Sache. Peter Goldhagen und Alfred Hofmann hatten die kostenlosen Soforthilfen auch gleich angebracht. Und natürlich wurde dabei auch gleich intensiv besprochen, wie man - z.B. durch eigenes Verhalten – den Energieverbrauch weiter reduzieren kann. Der mitgebrachte Energiebericht deckte weitere Einsparpotenziale auf: Ein Kochgeschirr passend zur Form der Herdplatte brächte hier 23 Euro pro Jahr, das Waschen mit 30 Grad statt 60 Grad bei zwei Wäschen pro Woche 5 Euro und Punkt für Punkt läpperte sich schnell ein stolzes Sümmchen zusammen.
Größtes Sorgenkind war in diesem Falle aber das Kühlgerät. Gut 554 KW/h würde ein modernes Gerät einsparen – versprach zumindest der Computer. Doch gerade das ist eine Kostenfalle: Denn um zu sparen, muss erst einmal investiert werden. Hier profitierte aber der Wulfener Haushalt von einem Förderprogramm und bekam so einen stattlichen Zuschuss zum Neukauf. Der alte Kühlschrank wurde mit einem Siegel markiert und somit konnte der Gutschein für ein neues Gerät eingelöst werden.
Nach einem Jahr fand ein sogenanntes Monitoring statt. Das außergewöhnliche Resultat: Der Jahresverbrauch konnte auf 7.300 kWh/a reduziert werden. Ein neuer Stromtarif (0,3 Euro/KWh) sorgte für zusätzliche Einsparungen. Allerdings ist der Tarif aber allein Sache des Haushalts, denn die Caritas-Energieberater machen die Kunden zwar auf hohe Kosten aufmerksam. Um die Verträge müssen sich die Betroffenen jedoch selbst kümmern.
Das wurde im Haushalt umgesetzt
Was wurde umgesetzt? „Der Haushalt achtet seit der Beratung mehr auf Duschdauer und die Einstellung der Nachtspeicheröfen. Außerdem wurde die alte Kühlgefrierkombi gegen eine neue ausgetauscht“, erzählte Goldhagen. Auch wenn ein Familienmitglied inzwischen ausgezogen war und sich das zusätzlich kostendämpfend auswirkte, konnte der Haushalt 1.450 Euro Stromkosten und rund 1.200 Euro Heizkosten im ersten Jahr einsparen. Auch der Wasserverbrauch wurde reduziert.
Auch wenn die Einsparungen in den meisten Fällen bei weitem nicht so hoch sind, werden Peter Goldhagen, Alfred Hofmann und Ulrich Heinbrokel durch solche Erfolge angespornt und versuchen auch bei kleinen Verbräuchen, den einen oder anderen Euro durch Energiesparmaßnahmen herauszuholen. Ohne Mithilfe der betroffenen Haushalte geht es allerdings nicht: „Es kommt darauf an, ob die Haushalte mitmachen und ihr Verhalten ändern“, weiß Peter Goldhagen. Manchmal müsse man auch von liebgewonnenen Gewohnheiten Abschied nehmen, um zu sparen. Unterm Strich, das zeigt die Erfahrung der drei Dorstener Stromsparexperten, hat sich ihr Einsatz bislang aber immer für die Haushalte gelohnt.
Kostenlose Energiesparberatung
Der Stromsparcheck ist eine kostenlose Energiesparberatung für Menschen mit geringem Einkommen. Dabei wird das Einsparpotenzial des Haushalts errechnet. Individuelle Verbrauchertipps und auch kostenlose Energie- und Wassersparartikel helfen den Haushalten, sofort und langfristig Energiekosten zu senken.
In Anspruch nehmen können diese Leistung alle Menschen mit geringem Einkommen, die z. B. Bürgergeld inklusive Aufstockung (ehemals ALG II), Grundsicherung und Sozialhilfe (SGB XII), Wohngeld Leistungen nach dem Asylbewerbergesetz Kinderzuschlag BAföG oder eine niedrige Rente, beziehen
Weitere Infos und Anmeldungen: Mohammed Yamen Osman von der Caritas in Recklinghausen (Tel. 0176-156668974) oder via Internet unter www.stromsparcheck.de.
Gesucht werden übrigens auch Menschen, die sich nach einer Ausbildung als ehrenamtliche Stromsparhelfer engagieren mochten. Ansprechpartnerin ist Sofia Bisslich, Tel. (0160) 96353079.
