
© Stefan Diebäcker
Kandidatengrillen: Die große Einigkeit in der Großraum-Sauna (Video)
Kommunalwahl 2020
Das Jugendgremium hat die Spitzenkandidaten der sieben Parteien in Dorsten befragt. Nach dem sogenannten „Kandidatengrillen“ sind manche Erstwähler ernüchtert.
Der Linke kommt nach links, der AfD-Vertreter wenig überraschend nach rechts. Doch die Sitzordnung beim Kandidatengrillen des Dorstener Jugendgremiums hat einen Haken. Die PARTEI gibt es im Bundes- und Landtag nicht. Also wird Simon Rodriguez Garcia zwischen die Koalitionspartner Tobias Stockhoff (CDU) und Lutz Ludwig (FDP) platziert - und fühlt sich dort augenscheinlich ganz wohl.
Erwartungen von Erstwählern wurden nicht erfüllt
Der Vertreter der „extremen Mitte“ setzt sein Dauergrinsen auf und gönnt sich als einziger Kandidat neben Limo und Wasser auch ein Fläschchen Bier. Das macht die Sporthalle des Gymnasiums Petrinum vermutlich erträglicher. Die ähnelt mehr einer Großraum-Sauna mit schwieriger Akustik als einem Grillplatz. Gegrillt, das wird schnell klar, wird hier ohnehin niemand.
Mit durchaus hohen Erwartungen ist Eva (17) gekommen. Die Erstwählerin spricht von einer „sehr guten Möglichkeit, sich zu informieren und Fragen zu stellen“. Nach der Hälfte der Veranstaltung ist sie enttäuscht: „Ich finde, die Fragen sind etwas ungünstig ausgewählt worden.“ Ein jugendlicher Zuhörer hat mittlerweile sogar „mehr Fragen als vorher“ und ist nach eigenem Bekunden „verwirrt“.
Die Moderatoren Johannes Kratz und Eric Pasov (16) hatten zehn Fragen aus einer Vielzahl von Einsendungen ausgewählt, die das Jugendgremium über Instagram oder per E-Mail erreicht hatten. Schnell zeigt sich jedoch, dass die Formulierungen kaum geeignet sind, die Unterschiede zwischen den Kandidaten deutlich zu machen - und Konflikte zu schüren.
- Sind alle Schulen in Dorsten mit ausreichend digitalen Medien ausgestattet? Natürlich nicht. Alle Kandidaten heben die„Nein“-Karte.
- Werden alle Schüler in Dorsten optimal gefördert? Das verneinen ebenfalls alle Parteien, geht ja auch gar nicht anders.
- Glauben Sie, dass Jugendliche und junge Erwachsene ein großes Interesse daran haben, in Dorsten zu leben? Nö, ganz sicher nicht. Aber einige kommen später bestimmt zurück.
So geht das eine zähe Stunde lang.

Statt im Bürgerpark fand das Kandidatengrillen unter „Sauna-Bedingungen" in der Petrinumhalle statt. © Stefan Diebäcker
Philipp ist nach den zehn Fragen und den jeweils 30 Sekunden langen Statements aller Politiker enttäuscht. „Es kommt mir so vor, als würden alle das Gleiche reden.“ Und nicht nur dem 20-Jährigen fällt auf, dass manch einer unten auf dem Spielfeld in die Taktikkiste greift und erst mal schaut, welche Karte die Mitbewerber ziehen, bevor er selbst Position bezieht.
Eva hatte schon geahnt, dass die Politiker „vor allem sich selber inszenieren“ wollen und Wahlkampf machen. „So ist es dann leider auch gekommen.“ Doch auch aus dem Publikum kommt wenig. Die jugendlichen Zuhörer, davon sicherlich die Hälfte im jugendlichen Alter, trauen sich kaum, die Kandidaten zu löchern, als sie endlich an der Reihe sind.
Was also bleibt hängen vom Grill-Abend? Vielleicht, dass es dem Jugendgremium im Vorfeld gelungen ist, junge Menschen für Kommunalpolitik zu interessieren. Das ist nicht so einfach. Und dass man nicht alles glauben muss, was einem die Kandidaten so erzählen.
Marco Bühne (AfD) würde, wenn er das Sagen hätte, binnen eines Jahres „die Haushaltskasse am Blühen bringen“. Das war wohl ernst gemeint. Simon Rodriguez Garcia (Die PARTEI) würde hingegen ganz schnell zehn Freibäder bauen lassen, Kita-Gebühren abschaffen und Busfahrten für Jugendliche kostenlos machen. „Danach wäre die Stadt dann restlos pleite.“
Stimmt.
Veränderungen gab es immer, doch nie waren sie so gravierend. Und nie so spannend. Die Digitalisierung ist für mich auch eine Chance. Meine journalistischen Grundsätze gelten weiterhin, mein Bauchgefühl bleibt wichtig, aber ich weiß nun, ob es mich nicht trügt. Das sagen mir Datenanalysten. Ich berichte also über das, was Menschen wirklich bewegt.
