Wenn Martin Lücke mit seinen Söhnen in den Barloer Busch geht, gibt es viel zu besprechen. Denn Dorstens Stadtwald steckt voller Abenteuer. Das will der Hegering künftig noch mehr betonen.

Dorsten

, 27.10.2018, 09:35 Uhr / Lesedauer: 5 min

Henri (6) und Maximilian (4) lieben den Barloer Busch. Hier gibt es für die Jungs von Martin Lücke viel zu entdecken. „Manchmal beobachten wir Tiere, manchmal bauen wir eine Bude aus Ästen“, sagen sie. Fast jedes Wochenende ist der Vater (34) mit seinen beiden älteren Söhnen im Dorstener Stadtwald. Unter der Woche haben die Kinder bis nachmittags Schule oder Kindergarten, da bleibt wenig Zeit.

Martin Lücke geht mit seinen Söhnen Henri (l.) und Maximilian regelmäßig in den Wald.

Martin Lücke geht mit seinen Söhnen Henri (l.) und Maximilian regelmäßig in den Wald. © Stefan Diebäcker

Hegering hat den Barloer Busch im Frühjahr gepachtet

Martin Lücke ist nicht nur Familienvater mit Hang zur Natur, sondern auch Obmann für die jungen Jäger im Hegering Herrlichkeit Lembeck und Dorsten und kennt den Stadtwald an der Marler Straße aus dem Eff-Eff. Der Barloer Busch ist als Naherholungsgebiet sehr beliebt. Was viele nicht wissen: Der Barloer Busch ist gleichzeitig Eigenjagd der Stadt Dorsten. Im Frühjahr hat ihn erstmals der Hegering gepachtet - nicht nur, um das Jagdrecht an dieser Stelle auszuüben und damit Martin Lücke den eigenen „Jäger-Nachwuchs“ ausbilden kann. Der Barloer Busch soll als außerschulischer Lernort für Kinder stärker als bisher genutzt und vermehrt in der Öffentlichkeitsarbeit und in der Aus- und Weiterbildung der regionalen Jägerschaft eingebunden werden.

„Wir hatten zahlreiche Interessenten“, sagt Bürgermeister Tobias Stockhoff. „Und praktisch alle waren geeignet.“ Mit der Verpachtung an den Hegering sei eine „optimale Lösung“ gefunden. Eine Bedingung hatte Stockhoff vor der Vertragsunterzeichnung im März noch hinzugefügt: „Unser früherer Stadt- und Revierförster Bernhard von Blanckenburg hat die Waldjugendspiele in Dorsten etabliert. Mir persönlich war es wichtig, dass diese wichtige Tradition fortgesetzt wird.“

Im März wurde der Vertrag von Bürgermeister Tobias Stockhoff auf der einen, sowie von Hermann Wolff (1. Vorsitzender, vorne rechts) und Martin Lücke (Obmann der Jungjäger, vorne links) für den Hegering auf der anderen Seite unterzeichnet. Franz Josef Gövert als Geschäftsführer des Hegerings (hinten links) sowie Willi Ridder (hinten rechts) als Leiter des Vermessungsamts und Zuständiger für die Verpachtung der Stadtjagd assistierten hierbei.

Im März wurde der Vertrag von Bürgermeister Tobias Stockhoff auf der einen, sowie von Hermann Wolff (1. Vorsitzender, vorne rechts) und Martin Lücke (Obmann der Jungjäger, vorne links) für den Hegering auf der anderen Seite unterzeichnet. Franz Josef Gövert als Geschäftsführer des Hegerings (hinten links) sowie Willi Ridder (hinten rechts) als Leiter des Vermessungsamts und Zuständiger für die Verpachtung der Stadtjagd assistierten hierbei. © Stadt Dorsten

Von der „Förderung des Artenschutzes“ ist in der Präambel des Pachtvertrages die Rede, von der „Förderung der tierschutzgerechten Jagd“ ebenso. Weiter heißt es da u.a.: „Gezielte Öffentlichkeitsmaßnahmen des Hegerings, Kontakte zu Erholungssuchenden und Freizeitnutzern sowie Veranstaltungen mit Schulen und Jugendgruppen sollen das Natur- und Umweltbewusstsein fördern.“

Gedenktafel erinnert an Ferdinand von Raesfeld

75 Hektar groß ist der Barloer Busch, durch den sich fünf Kilometer Wanderwege schlängeln. Der Name des Waldes ist abgeleitet von den Herren von Barlo, die in frühmittelalterlicher Zeit dort ein festes Haus hatten. Seit Sommer 2002 erinnert eine Gedenktafel an den Jäger, Forstmeister und Autor Freiherr Ferdinand von Raesfeld, der 1855 in Dorsten geboren wurde und mehrere Standardwerke über Hege und Pflege des Wildes schrieb.

Den Wald als Lernort nutzen

„Der Hegering wird den Barloer Busch noch stärker als bisher als außerschulischen Lernort nutzen, sagt Hermann Wolff, Vorsitzender des Hegerings. „Wir wollen verstärkt den Schulen das Angebot machen, die Natur kennenzulernen und insbesondere den Wald als Lebensmittelpunkt vielfältiger Pflanzen- und Tierarten ins Bewusstsein von Kindern und Jugendlichen rücken.“ Aber natürlich gehe es auch darum, die Jagd der Bevölkerung näherzubringen. „Ohne Bejagung kann es leicht zu Ungleichgewichten innerhalb der Wildpopulation kommen, wie wir es gerade beim Schwarzwild erleben.“

Ein halbes Jahr nach der Vertragsunterzeichnung räumen Hermann Wolff und Martin Lücke „Konfliktpunkte“ ein: „Der Barloer Busch ist stark frequentiert. Es kommen auch Menschen aus umliegenden Städten, nur um hier spazieren zu gehen“, sagt Lücke. Spaziergänger, Jogger, Radfahrer, Mountainbiker und Pilzsammler sind hier unterwegs, Hundehalter gönnen ihren Vierbeinern Auslauf. „Es ist schon eine Herausforderung, die Jagd mit allem anderen in Einklang zu bringen.“

Hunde dürfen frei laufen

Ein typischer Konflikt sei das „Urbedürfnis des Wildes nach Ruhe“, so Geschäftsführer Franz-Josef Gövert, und das Bedürfnis von Hunden, frei herumzulaufen. „Viele Besucher möchten nicht nur die Bäume sehen, sondern auch die wilden Tiere erleben. Je mehr Hunde wild durch die Büsche streunen, desto seltener gibt es dieses Erlebnis.“ Gövert selbst freute sich wie ein Kind, als er im April frühmorgens einen jungen Rehbock entdeckte, als er mit dem Fahrrad durch den Wald fuhr.

Die jungen Rehbock „erwischte“ Hegering-Geschäftsführer Franz-Josef Gövert an einem frühen Sonntagmorgen im April, als er mit dem Fahrrad im Barloer Busch unterwegs war.

Die jungen Rehbock „erwischte“ Hegering-Geschäftsführer Franz-Josef Gövert an einem frühen Sonntagmorgen im April, als er mit dem Fahrrad im Barloer Busch unterwegs war. © Franz-Josef Gövert

Der Barloer Busch ist allerdings kein Naturschutzgebiet, sondern ein öffentlicher Wald, da gibt es keine Anleinpflicht auf den Wegen. „Solange sich der Hund im Einwirkungsbereich des Halters befindet, gibt es keine Probleme“, sagt Hermann Wolff. „Bis jetzt hat das mit ein, zwei Ausnahmen wunderbar funktioniert.“ Schließlich klappt ja auch eine Jagd ohne Hunde nicht, „da ist man im Gespräch schnell auf einer Wellenlänge“.

„Das Wild ist den Publikumsverkehr gewöhnt“

Wilde Tiere, und das ist vor allem auch für Kinder ein besonderes Erlebnis, kann man im Barloer Busch immer wieder entdecken. Rehwild, Fuchs und Schwarzwild sind im Stadtwald zumindest zeitweise zuhause. „Das Wild ist den Publikumsverkehr gewöhnt und bleibt in sicherer Entfernung stehen“, weiß Martin Lücke. „Ich habe es schon mehrfach hinbekommen, dass ich einem meiner Söhne ein Reh zeigen konnte, das in 20 Metern Entfernung im Laub liegt.“

Ein tolles Erlebnis, aber eben nicht planbar.

Es gibt also Wild im Barloer Busch, aber ihm gilt nicht das Hauptaugenmerk des Hegerings. Sondern den Menschen, die der Hegering in den Wald holen und für die Natur sensibilisieren möchte. „Einfach mal mit offenen Augen durch den Wald gehen und sich bewusst machen, welche Verantwortung man hat“, sagt Martin Lücke, der Obmann für die jungen Jäger. Und damit fängt man am besten schon im Kindesalter an.

Nistkästen auch für seltene Vogelarten

Unterschiedliche Nistkästen wurden in den letzten Monaten bereits an Bäumen befestigt - „nicht die 08-15-Meisenkästen, die jeder im Garten hat“, sagt Lücke, „sondern zum Beispiel in exponierter Lagen eine Steinkauz-Röhre oder Kästen für Höhlenbrüter oder Fledermäuse. Da kann man Familien, Kindergarten-Gruppen und Schulklassen bei geführten Rundgängen wunderbar erklären, welche Arten es im Barloer Busch gibt und welche Anforderungen sie haben.“

Die ersten Nistkästen hat der Hegering im Barloer Busch aufgehangen, keine 08-15-Kästen für Meisen, sondern Behausungen u.a. für einen Steinkauz.

Die ersten Nistkästen hat der Hegering im Barloer Busch aufgehangen, keine 08-15-Kästen für Meisen, sondern Behausungen u.a. für einen Steinkauz. © Stefan Diebäcker

Hinweistafeln sollen, wenn der neue Waldlehrpfad eingerichtet ist, auf solche Besonderheiten hinweisen, damit auch ungeübte Waldbesucher darauf aufmerksam gemacht werden. „Keine laminierten DIN-A-4-Blätter, sondern eine dauerhafte Installation“, sagt Martin Lücke. „Und mindestens einmal im Jahr wollen wir die Kästen gemeinsam mit Kindern und Jugendlichen sauber machen.“

Beim Weltkindertag im September wollte der Hegering mit Kinder zusammen Nistkästen bauen und mit Namen beschriften. Die Aktion fiel dann dem Wetter zum Opfer, soll aber im kommenden Jahr beim ersten Familientag, zu dem die Jägerschaft in den Barloer Busch einladen wird, nachgeholt werden. „Es ist doch toll, wenn Kinder später im Wald sehen, wie in dem von ihnen gebauten Kasten Vögel nisten“, meint Martin Lücke. Und wenn es die Jäger es schaffen, Wildfleisch schmackhaft zu machen oder Wildkräuterseminare anzubieten, „dann gehen auch Erwachsene mit ganz anderen Augen in die Natur“, glaubt Familienvater Lücke. „Das ist eine gute Alternative zum heimischen Fernseher.“

Ein neuer Naturlehrpfad wird dauern

Wildlebende Vögel im Wald - das wird eine Station des neuen Naturlehrpfades sein. Über kurz oder lang sollen Schautafeln zu einzelnen Wildtieren hinzukommen, auch ein Schaukasten über Bienen ist geplant. „Das hat nicht unmittelbar etwas mit Jagd zu tun“, meint Martin Lücke, „aber irgendwie ja doch, denn alles ist Natur“. Finanziert werden kann das nicht nur über die Vereinsbeiträge der rund 350 Hegering-Mitglieder. „Es wäre ein Leichtes, jemanden zu beauftragen, einen Naturlehrpfad aufzubauen“, sagt Martin Lücke. „Doch das können wir nicht bezahlen. Also wird es dauern, bis alles fertig ist. Außerdem hoffen wir auf Sponsoren, die uns unterstützen.“

Auf den wenigen Lichtungen im Barloer Busch, teilweise durch Sturmschäden gezeichnet, lässt sich Wild gut beobachten. Auszubildener Karim Abassi, Hegeringsleiter Hermann Wolff, der Obmann für Junge Jäger, Martin Lücke, und Geschäftsführer Franz-Josef Gövert (v.l.) wollen die Menschen mehr für den Stadtwald interessieren.

Auf den wenigen Lichtungen im Barloer Busch, teilweise durch Sturmschäden gezeichnet, lässt sich Wild gut beobachten. Auszubildener Karim Abassi, Hegeringsleiter Hermann Wolff, der Obmann für Junge Jäger, Martin Lücke, und Geschäftsführer Franz-Josef Gövert (v.l.) wollen die Menschen mehr für den Stadtwald interessieren. © Stefan Diebäcker

„Waldlehrpfad“ steht auf dem großen Holzschild am Eingang zum Barloer Busch. Er war das Steckenpferd des ehemaligen Stadtförsters Bernhard von Blanckenburg, ist aber augenscheinlich in die Jahre gekommen. Die kleinen Schaubilder, auf denen es größtenteils um die Pflanzen- und Vogelwelt geht und die teilweise nur noch schwer lesbar sind, stehen mitunter auf morschen Pfählen. „Unser Ansatz ist ein anderer“, sagt Hermann Wolff. „Wir wollen das Wildtier in seinen Lebensräumen in den Vordergrund stellen.“

Das wird auch Henri und Maximilian, die Söhne von Martin Lücke, freuen. Mit viel Geduld harren sie zu dritt schon mal auf einem Hochsitz aus. Und freuen sich dann über das gemeinsame Erlebnis, wenn Maxi plötzlich ausruft. „Ein Hase!“

Die Jagd im Barloer Busch hat Tradition. Der passionierte Jäger und ehemalige Bürgermeister Hans Lampen nutzte den Stadtwald seiner Zeit für regelmäßige Stadtjagden. Seine Nachfolger Heinz Ritter, Friedhelm Fragemann, Dr. Karl-Christian Zahn, Lambert Lütkenhorst und auch der aktuelle Bürgermeister Tobias Stockhoff übten das Jagdrecht als „Nicht-Jäger“ seitdem nicht mehr selbst aus.