Erst kam das Wasser, dann das Eis. Teile der Kleingartenanlage im Lippegrund gleichen am Mittwochvormittag (9.1.) einer zugefrorenen Seenlandschaft. 17 von über 40 Gärten stünden seit den Weihnachtstagen 2023 unter Wasser, berichtet der erste Vorsitzende Werner Diedrich.
An seiner Seite steht Edwina Fleiß. Ihrer Familie gehört ein Garten, der direkt am Deich des Wesel-Datteln-Kanals liegt. Vom Parkplatz aus deutet sie über die dünne Eisschicht in Richtung einer weißen Terrassenüberdachung. Dort, in ihrem Garten, steht das Wasser bestimmt 80 Zentimeter hoch, schätzt die 37-Jährige.

Senke ist mit Grundwasser vollgelaufen
Während der Weihnachtstage sei die Senke des ehemaligen Lippebettes vollgelaufen, erzählt Werner Diedrich. Zuvor hatte es wochenlang ergiebig geregnet. In der Folge waren die Pegel der Lippe und des Rapphoffs Mühlenbachs stark angestiegen.
Letzterer fließt direkt am Kleingartenverein vorbei und soll eigentlich per Düker unter den Kanal hinweggepumpt werden. Dort hatte sich das Wasser jedoch gestaut. Und auch der Grundwasserspiegel ist soweit angestiegen, dass das Wasser zahlreiche Kleingärten unter Wasser gesetzt hat.

Edwina Fleiß erinnert sich noch gut an ihre Reaktion: „Als ich danach das erste Mal hier war, habe ich geweint.“ Denn für die zweifache Mutter hängt viel mehr an dem Garten, als der materielle Wert. „Hier haben die Kinder Krabbeln und Fahrradfahrern gelernt. Sie sind quasi im Kleingarten aufgewachsen.“
Wasser zerstört kleine Oasen
Vor mittlerweile sieben Jahren haben sich sich Edwina Fleiß und ihr Ehemann den Garten zugelegt. Mit viel Geld und Herzblut haben sich die beiden eine Oase geschaffen - für ihre Kinder und zum Abschalten vom stressigen Alltag. „Wir hatten gerade das Gefühl, fertig zu sein“, sagt die Dorstenerin. Doch das Wasser hat wieder alles zunichte gemacht.

Eine Couch, eine kleine Küche mit Gasofen sowie große Teile aus der Inneneinrichtung der Laube sind hinüber. Gleiches gilt für den Sandkasten, das Klettergerüst und möglicherweise auch für das Trampolin der Kinder. Und natürlich auch für alle Pflanzen, die nun von Wasser und Eis bedeckt sind. „Da blutet mir das Herz, das tut einfach weh“, so Edwina Fleiß. Mit Anglerstiefeln ausgestattet, habe ihr Mann lediglich noch die Batterien der Solaranlage retten können.
Am Wochenende hätten die Kleingärtner damit begonnen, das Wasser abzupumpen. Der Vereinsvorsitzende Werner Diedrich schätzt, dass sich noch gut vier Millionen Liter Wasser in den Gärten befinden. Mit geliehenen Geräten hätten sie in einer 30-Stunden-Schicht schon knapp 750.000 Liter abpumpen können.
Wasser schützt Mauerwerk vor Schäden
Doch ehe die Aufräumarbeiten starten können, muss auch noch das restliche Wasser weg. Aber erst, sobald es nicht mehr friert. Denn, so sagt Werner Diedrich: „Das Wasser schützt aktuell die vollgesogenen Mauerwerke der Gartenlauben. Wenn wir nun das gesamte Wasser abpumpen würden, würde die Feuchtigkeit in den Mauern gefrieren und die Lauben noch weiter beschädigen.“

Wie hoch der finanzielle Schaden für den Verein und die einzelnen Kleingärtner sein wird, lässt sich derweil kaum bestimmen. Edwina Fleiß geht allerdings von einer fünfstelligen, wenn nicht sogar sechsstelligen Summe für ihren Garten aus.
Aufgeben wollen die Kleingärtner allerdings nicht. Im Gegenteil: Alle ziehen an einem Strang, um ihre kleinen grünen Oasen langsam wieder herzurichten. Auch der benachbarte Kleingartenverein Sonnengrund habe Unterstützung zugesagt, erklärt Werner Diedrich.
Spendenaktion für Kleingartenverein
Um die Lauben trocknen, Sperrmüll beseitigen und Container aufstellen zu können, läuft zudem eine Spendenaktion auf der Plattform gofundme.com - gestartet von Kleingärtner Christian Perkams. Auch Unterstützung von Firmen sei willkommen, beispielsweise durch Rabatte beim Mieten von Pumpen oder Containern.
Werner Diedrich hofft, das das Gröbste bis Ostern geschafft ist. Doch bis sich die Seenlandschaft wieder in eine Kleingartenanlage verwandelt, wird es noch eine ganze Weile dauern.
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