Eine Leiter lehnt an der schmuddeligen Fassade des mehrgeschossigen Hauses. 24 Sprossen reichen allerdings nicht, um durch das offene Fenster im zweiten Obergeschoss in das verwaiste Gebäude zu kommen. Jedenfalls nicht ohne Helfer und Muskelkraft.
Und doch ist das Habiflex-Gebäude an der Jägerstraße im Dorstener Ortsteil Wulfen-Barkenberg offenbar einen Besuch wert. Jedenfalls dann, wenn man sich für einen „Lost Place“, einen vergessenen Ort interessiert. Tipps für eine abenteuerliche Entdeckungstour gibt es viele, auch von Organisationen wie dem ADAC. Die sind allerdings legal, das Betreten des Habiflex-Gebäudes ist streng verboten.

Für manch einen macht aber gerade das den Reiz des Hauses aus, das mal als innovatives und experimentelles Wohnprojekt gerühmt wurde. Die Stadt Dorsten hat vor einigen Jahren versucht, neugierigen Blicken einen Riegel vorzuschieben. „Alle Fenster im Erdgeschoss und im ersten Obergeschoss sind zugemauert, die Türen verschweißt“, sagt Stadtsprecher Ludger Böhne.
Unter anderem, weil es in dem ehemaligen Mehrfamilienhaus mehrfach gebrannt hatte. „In den letzten drei Jahren gab es keine Hinweise, dass jemand in das Gebäude eingedrungen ist“, betont Böhne. Inzwischen wuchert der Bau immer mehr zu, sieht schon beinahe „verwunschen“ aus. Positiv formuliert.
Wulfener Versuchsbauten
Neben Metastadt, Finnstadt und Ladenpassage gehört das Habiflex zu den mit Bundesmitteln geförderten Wulfener Versuchsbauten. 40 Wohnungen mit insgesamt 4.240 Quadratmetern sind in dem futuristisch anmutenden Gebäude um einen Lichthof angeordnet.
Eine Besonderheit sind die veränderbaren Wände in den Wohnungen. Auch kann aus dem Balkon im Winter ein zusätzlicher Raum gemacht werden. Das beim Bundeswettbewerb „Flexible Grundrisse“ prämierte Gebäude hielt in der Ausführung jedoch - anders als die Finnstadt - nicht, was die Idee versprach.

Viele Habiflex-Mieter hatten ständig Ärger. Die mangelhafte Isolierung führte beispielsweise dazu, dass sich überall Schwitzwasser bildete und manche Wohnungen zeitweise Tropfsteinhöhlen glichen.
Das Objekt hat mehrfach den Besitzer gewechselt und nur ein Teil der Wohnungen wurde modernisiert, viele stehen schon länger leer. Nach Zwangsversteigerungen hat der letzte Erwerber das Haus oberflächlich in Eigentumswohnungen umgewandelt und für rund 145.000 Euro als „Kapitalanlage“ verkauft.
Viele auswärtige Wohnungseigentümer
Dadurch gibt es jetzt viele auswärtige Eigentümer. Vermietet waren 2007 höchstens 15 der 40 Wohnungen, Anwohner hatten oft Ärger mit einigen Mietern. Die letzten zogen 2008 aus, danach wurde das Habiflex eingezäunt. Für einen Abriss fehlt vielen Eigentümern das Geld, weil sie sich vorher für diese „Schrottimmobilie“ verschuldet hatten.
Vermutlich wird es als Ruine noch lange Zeit stehen bleiben, da es nicht gelang, sie in den „Stadtumbau Wulfen-Barkenberg“ einzubeziehen. Schließlich wurde das Habiflex zur Gefahrenabwehr von der Stadt Dorsten zugemauert.

Kurios deshalb: Die Stadt hat vor Jahren vorgeschlagen, das Habiflex unter Denkmalschutz zu stellen. Eine politische Mehrheit fand sich dafür nicht.
Im Februar 2022 stellte die Dorstener Studentin Jennifer Eberlein in ihrer Masterarbeit Sanierung und Abriss des Gebäudes gegenüber und kommt zum Schluss, dass eine Sanierung ökonomisch und ökologisch überzeugender ist.
Stadtbaurat Holger Lohse hielt die Masterarbeit damals für „beachtenswert“, Politiker unterschiedlicher Parteien die Idee für „nicht realisierbar“.
Die SPD hatte schon vorher einen Architekten- und Investorenwettbewerb angeregt, die CDU war dafür, dass die Stadt die Ruine kauft und abreißt und das Grundstück eine andere bauliche Verwendung findet.
Beide Vorschläge scheitern bislang an den Eigentumsverhältnissen. „Die sind leider nach wie vor rechtlich nicht abschließend geregelt“, so Stadtsprecher Ludger Böhne, „sodass die Stadt an weiteren Maßnahmen gehindert bleibt.“
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