Fiona Mertins war auf der Suche nach einer Selbsthilfegruppe in Dorsten. Die nächste gibt es aber erst in Recklinghausen. Aus dem Problem entwickelte sie eine Lösung, von der bereits Dutzende weitere Menschen aus Dorsten profitieren: Bei „Anders Bunt“ treffen sich einmal im Monat queere Menschen, um sich auszutauschen, zu vernetzen und gemeinsam Projekte für ihre Stadt umzusetzen.

Unter „queer“ versteht man alle Personen, deren geschlechtliche Identität nicht zweigeschlechtlich oder ihre sexuelle Orientierung nicht heterosexuell ist. „Anders Bunt“ hat sich Ende Februar zum ersten Mal im Treffpunkt Altstadt getroffen: „Wir haben eigentlich damit gerechnet, dass nur zwei bis drei Menschen kommen“, erzählt Fiona, die sich vor einem Jahr als Trans-Frau geoutet hat. Doch dann kam es anders: 23 Personen haben sich von dem Angebot angesprochen gefühlt und wollten teilhaben.
„Ich konnte mich am Rand hinstellen und habe nur zugeguckt, wie die Menschen sich miteinander unterhalten. Das war richtig schön“, blickt Fiona beeindruckt zurück. Keine Rolle habe dabei das Alter gespielt: Sowohl Menschen Anfang 20 als auch über 60 haben zusammengefunden und sich vernetzt. Was alle eint, ist, dass sie Teil der LGBTQI+-Community sind.
Die englische Abkürzung LGBTQI+ repräsentiert Lesben, Schwule, Bisexuelle, Transpersonen, queere sowie intergeschlechtliche Menschen. Das Pluszeichen dient als Platzhalter für zusätzliche Identitäten und Geschlechter.
Monatliche Treffen im geschützten Raum
„Ich habe mich einsam gefühlt“, sagt Fiona. Über Evi Hemmert von der Lebenshilfe kam die Idee, eine eigene Gruppe zu gründen, ins Rollen. Sie steht für die Gruppe auch als Ansprechpartnerin zur Verfügung. „Das Hauptziel davon ist wirklich, dass die Menschen, die sich alleine gelassen oder verloren fühlen, die einfach nicht in die gesellschaftliche Norm passen, dass sie in die Gesellschaft integriert werden“, erklärt Fiona.
Bei den monatlichen Treffen jeden letzten Freitag im Monat ab 18 Uhr im Treffpunkt Altstadt am Geschwister-Scholl-Platz 1 gibt es einen geschützten und anonymen Platz. Bis zum nächsten Treffen am 28. März möchte die Gruppe Ideen für Projekte sammeln, die sie zusammen umsetzen will.
„Damit wir auch öffentlich irgendwann mal zusammenstehen und zusammen Aktionen durchführen“, erklärt Fiona die Pläne. Eine Idee wäre zum Beispiel zusammen mit Nils Huxoll von Müllfrei Dorsten regelmäßig Müll zu sammeln. „Um auch dort ein Zeichen zu setzen“, erklärt die 28-Jährige. Es soll aber auch gemeinsame Unternehmungen wie Kino- oder Zoobesuche geben. Alles im Zeichen der Verbundenheit, damit sich keiner alleine fühlt.
„Wir wollen dort halt tatsächlich das Selbstbewusstsein von uns gegenseitig fördern und auch Projekte angehen, die dann auch für Dorsten was Schönes hergeben“, erklärt Fiona.
Treffen bewirken Veränderung
„Es war also wirklich einfach schön, so einen sicheren Ort zu haben, wo man gemerkt hat, die Leute sind entspannt und fühlen sich wohl und angenommen“, berichtet auch Kerstin Jeschmund vom ersten Treffen. Die 60-Jährige hat sich der Gruppe angeschlossen, weil sie sich selber oft als Außenseiterin gefühlt hat.
Sie hat ein Trauma durch ihre Frühgeburt erlebt und dadurch eine Geh- und Sehbehinderung. In jungen Jahren wurde sie daher viel gemobbt. Diese Themen liegen ihr am Herzen. Die Dorstenerin kann nachempfinden, wie es sein muss, wenn Menschen einem homophob oder transfeindlich begegnen.
Ihre Erfahrung möchte sie den anderen weitergeben und helfen. „Ich habe das Glück gehabt, mit 18 durch einen Zufall einen guten Therapeuten zu finden, der mich dann sehr selbstbewusst gemacht hat.“
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Fiona trieb besonders das Gefühl der Einsamkeit um. Nach ihrem Outing hat sich die Familie abgewendet. Auch wenn sie eine eigene Familie aufgebaut und zwei Kinder hat, nagt der Verlust an ihr. „Alleine sein ist ein Gefühl, das einfach Mist ist. Das Alter spielt dabei keine Rolle. Egal ob man 24 oder 60 ist. Wenn man sich alleine fühlt, fühlt man sich alleine“, verdeutlicht sie.
Nach dem bislang einzigen Treffen ist bei Fiona direkt eine Veränderung eingetreten: „Auf dem Weg dorthin war ich noch sehr eingeschüchtert von der Welt. Und auf dem Weg nach Hause war es anders. Wie geil ist das denn? Das Leben ist schön.“ Genau dieses Gefühl wollen sie als Gemeinschaft stärken, füreinander da sein und sich gegenseitig unterstützen.
Kontaktdaten
Die Gruppe „Anders Bunt“ trifft sich das nächste Mal am 28. März um 18 Uhr im Treffpunkt Altstadt, Geschwister-Scholl-Platz 1. Fragen oder Anregungen können direkt an den Instagram-Account „anders_bunt_dorsten“ oder an die E-Mail team.anders.bunt@gmail.com gehen.