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Lokomotive Fragemann setzt die SPD in Dorsten noch mal unter Dampf
Kommunalwahl 2020
Einen Bürgermeisterkandidaten hat die SPD in Dorsten nicht mehr. Aber einen Spitzenkandidaten, der das Heft in die Hand genommen hat. Spät, aber nicht zu spät, meint Friedhelm Fragemann.
Zugpferd. Lokomotive. Hoffnungsträger. Diese Begriffe beschreiben ganz gut, was Friedhelm Fragemann für die SPD derzeit bedeutet. Dorstens dienstältester Kommunalpolitiker treibt seine Partei nach chaotischen Wochen an, um bei der Kommunalwahl ein ordentliches Ergebnis einzufahren.
Eigentlich wäre am 2. September und nach 36 Jahren seine letzte Ratssitzung gewesen. Doch als Bürgermeister Tobias Stockhoff sich bei allen Politikern für die Arbeit in den vergangenen sechs Jahren bedankte und eine Abschiedsfeier für all diejenigen ankündigte, die künftig nicht mehr dabei sind, fühlte Friedhelm Fragemann sich nicht angesprochen. Nicht mehr. „Ihr werdet mich noch nicht los“, sagte der 68-Jährige mit einem Augenzwinkern. Fragemann macht weiter, muss weitermachen, als Spitzenkandidat der Sozialdemokraten.
Herr Fragemann, wie geht es der SPD-Lokomotive in diesen Tagen?
Sie dampft und schnaubt, aber sie ist zuversichtlich und hat das Ziel fest im Auge.
Ein Ziel, das wie noch mal lautet?
Mit einer ähnlich starken Mannschaft, auch was die Anzahl der Sitze (15, Anm. der Redaktion) angeht, in den Stadtrat einzuziehen.
Wie haben Sie Ihre Partei nach dem Rücktritt von Jennifer Schug erlebt?
Sie war ein paar Tage in Schockstarre. Ich bin aber sofort angerufen worden von mehreren Seiten, dass ich meinen Kopf als Gesicht der SPD nochmal hinhalten muss. Ich selber habe tatsächlich auch keine andere Alternative gesehen, aber ich habe nach ein paar Tagen Bedenkzeit klargestellt, dass ich kein Parteisoldat bin und dass künftig gilt, was ich sage.
Das klingt ganz schön diktatorisch ...
So meine ich das nicht. Aber ich habe natürlich bestimmte Vorstellungen und möchte nicht, dass es Reibereien gibt, weil ich etwas in den Vordergrund rücke, was mir wichtig ist, anderen aber vielleicht nicht so sehr. Ich bin zwar flexibel, wo es notwendig ist, aber ich bleibe auch standfest, wo es wichtig ist. Und dann habe ich begonnen, einiges aufzuarbeiten, was im Argen lag.
Was zum Beispiel?
Es gab zwar ein paar Vorbereitungen, aber noch kein Wahlprogramm. Das habe ich dann in die Hand genommen, Dinge rausgeschmissen, die ich so nicht vertreten wollte, und habe ein knackiges Kurzprogramm verfasst. Wir machen keine große Programm-Lyrik wie andere Parteien, sondern stellen unsere zentralen Aufgabenfelder vor und untertiteln sie mit konkreten Forderungen.
Was haben Sie rausgeschmissen?
Das ist intern, dazu äußere ich mich nicht.
Na gut, was zum Beispiel steht drin?
Wir brauchen neue planerische Ansätze in der Stadtentwicklung. Dieser Neo-Minimalismus führt dazu, dass wir teilweise 0815-Reihenhäuser haben. Was den Wulfener Markt oder das Habiflex-Gebäude angeht: Das muss die Stadt in die Hand nehmen und in den nächsten Jahren eine architektonisch anspruchsvolle Bebauung entwickeln, bei der endlich mal wieder mehr Wert gelegt wird auf Aufenthaltsqualität, auf Plätze, Parks und Begrünung.
Und Sie machen das alte Fass „Freibad“ wieder auf ...
Es gibt viele Menschen in Dorsten, die ein Freibad vermissen. Jetzt gibt es meines Erachtens einen realistischen Ansatzpunkt, nämlich ein Freibad ans Atlantis anzudocken. Da könnte man dann wählen, ob man nur ins Freibad möchte oder aber, bei höherem Eintrittspreis, das Atlantis mitbenutzen will. Diese Idee ist bisher nur intern im Verwaltungsrat und in der Geschäftsführung besprochen, aber nie öffentlich diskutiert worden.
Der Stadtrat wird bunter in der nächsten Legislaturperiode. Welche Rolle wird die SPD einnehmen: mehr Opposition oder mehr Mehrheitsbeschaffer?
Der künftige Bürgermeister wird sicherlich mehr Probleme haben, Mehrheiten zu organisieren. Umso wichtiger ist es, dass Fraktionen wie die SPD mit starker Präsenz in den Rat kommen, um in wichtigen Fragen zur Mehrheitsbildung beizutragen. Aber Sie können sicher sein: Ich rede Klartext und gehe auch auf Konfrontation, wenn es nötig ist. Einen Kuschelkurs wird es mit mir nicht geben.
Veränderungen gab es immer, doch nie waren sie so gravierend. Und nie so spannend. Die Digitalisierung ist für mich auch eine Chance. Meine journalistischen Grundsätze gelten weiterhin, mein Bauchgefühl bleibt wichtig, aber ich weiß nun, ob es mich nicht trügt. Das sagen mir Datenanalysten. Ich berichte also über das, was Menschen wirklich bewegt.
