Feldmark: Ein guter Platz zum Aufwachsen, aber ein Ortsteil ohne Grundschule

© Michael Klein

Feldmark: Ein guter Platz zum Aufwachsen, aber ein Ortsteil ohne Grundschule

rnOrtsteilcheck Feldmark

Dorstens viertgrößter Stadtteil erzielt einen Höchstwert bei der Nahversorgung und punktet mit der gleichzeitigen Nähe zur Stadt und zur Natur. Doch ein Manko stört vor allem die Eltern.

Feldmark

, 30.03.2019, 04:50 Uhr / Lesedauer: 5 min

Sie fühlen sich in der Feldmark richtig wohl, das betonen Peter Schapal (43) und seine Ehefrau immer wieder. „Wir sind hier nah am städtischen Leben und gleichzeitig schnell in der Natur“, sagt der Chemikant, der im Chemiepark in Marl arbeitet. Yvonne Schapal (41), die als Altenpflegerin in einer Seniorenresidenz in Dülmen angestellt ist, ergänzt: „Wir beide kommen von hier aus gut zur Arbeit und unsere Tochter kann in einer total ruhigen Gegend aufwachsen.“

Die Schapals wohnen im Feldmärker Wohngebiet Stadtsfeld, das in den 1980er-Jahren entstanden ist. Vor vier Jahren ist das Ehepaar aus Dülmen hierhin gezogen. „Eine bewusste Entscheidung“, sagt Yvonne Schapal. Ihre Eltern wohnen nämlich in Wulfen, „ich wollte wieder näher zu ihnen zurück“. Auch Töchterchen Melissa zuliebe. Fünf Jahre alt ist sie. Melissa findet es „ganz toll, wo ich wohne“. Ihre Freundinnen sind nämlich auch alle im St.-Johannes-Kindergarten an der Marler Straße - und der Abenteuerspielplatz mitten im Wohngebiet ist für sie sowieso der „absolute Lieblingsort“.

Wenn da nicht „ein ganz großes Manko“ wäre, wie Mutter Yvonne Schapal betont. „Ich finde es wirklich traurig, dass es hier keine Grundschule gibt.“ Seitdem die Johannesschule an der Marler Straße 2011 wegen zu geringer Anmeldezahlen geschlossen wurde, ist die Feldmark mit ihren gut 7600 Einwohnern der einzige Dorstener Stadtteil ohne eigene Grundschule. Wenn Melissa im Sommer eingeschult wird, muss sie zum neuen Standort der Agathaschule am Nonnenkamp, einmal quer durch die Stadt. Dorthin fährt dann zwar morgens ein Bus, „aber als Wechselschichtler müssen wir unsere Tochter dann trotzdem mit dem Auto hinfahren“, sagt ihre Mutter.

Trotz aller Kämpfe wurde die Johannesschule im Jahr 2011 geschlossen, seitdem hat der viertgrößte Stadtteil Dorstens keine eigene Grundschule mehr.

Trotz aller Kämpfe wurde die Johannesschule im Jahr 2011 geschlossen, seitdem hat der viertgrößte Stadtteil Dorstens keine eigene Grundschule mehr. © Archiv Dorstener Zeitung

Die fehlende Grundschule haben mehrere Teilnehmer unsere Umfrage bemängelt. Auch die Verkehrssituation in der Händelstraße war immer wieder ein Thema. „Die wird von vielen Autofahrern als Abkürzung genutzt und da wird viel zu schnell gefahren“, sagt Yvonne Schapal. „Und der Einmündungsbereich an der Marler Straße ist nicht ungefährlich“, meint ihr Mann.

Gute Betreuungsangebote für Kinder, ein Ärztezentrum in der Nähe, die Sauberkeit im Stadtteil, die vielen Radwege, die perfekte Nahversorgung, das viele Grün - es gibt vieles, mit dem der Stadtteil in unserer Umfrage punkten kann. Und was es vor Ort nicht gibt, ist ein, zwei Kilometer weiter in der Innenstadt zu bekommen.

Das gilt nicht nur für die Feldmark 1. Sondern auch für die Feldmark 2, zu der das Wohngebiet „In der Miere“ gehört. Hier wohnt Beate Linnemann, die in unserer Umfrage folgende positiven Punkte aufzählt: „Ich schätze hier Freizeitaktivitäten wie die nahen Kulturangebote in der St.-Ursula-Aula, das aktive Vereinsleben und die gesellige Nachbarschaft“, betont sie.

Aber: Feldmark 1 und Feldmark 2 haben oft nur wenig miteinander zu tun. Denn die Bahngleise trennen den Stadtteil in zwei Bereiche. Immerhin hat der gemeinsame Schützenverein vor ein paar Jahren dafür gesorgt, dass mit der vom Abriss bedrohten „Hohen Brücke“ die einzige zentrale Fuß- und Gehwege zwischen den beiden Bereichen saniert werden konnte. Dessen Vorsitzender ist Dieter Dreckmann. Der Ur-Feldmärker ist auch Sprecher der Stadtteilkonferenz „BürgerRunde Feldmark“, die auch versuchen will, „die Interessen aller Feldmärker besser unter einen Hut zu bringen“, wie Dreckmann betont.

Denn die Feldmark ist ein höchst unterschiedliches Sammelsurium: Der Stadtwald Barloer Busch neben der Bergbauhalde, große Gewerbegebiete neben vielen landwirtschaftlichen Flächen, vier verkehrsbelastete Ausfallstraßen und immer wieder ruhige Wohngegenden, die überaus beliebt sind.

Dreieinhalb Jahre hat das Ehepaar Schapal gesucht, bis es hier endlich ein bezahlbares Haus nach seinen Wünschen gefunden hat. Auch andere Umfrageteilnehmer bemängeln, dass es in der Feldmark bei der Wohnungssuche schwierig sei. „Langfristig sollte gerade auch in beliebten Wohnlagen der Feldmark der Fokus bei den Neubauten auf dem mittleren Preisniveau liegen, um der breiten Mittelschicht das Wohnen zu ermöglichen“, urteilt das Büro „InWis“, das für die Stadt kürzlich das Quartierskonzept Wohnen erarbeitet hat. Auch für Singles und Paare ohne Kinder fehlen demnach Wohnungen.

Feldmark: Ein guter Platz zum Aufwachsen, aber ein Ortsteil ohne Grundschule

© Verena Hasken

Bei Wohn-, aber auch bei Sport-, Jugend- und Seniorenangeboten kommt die Feldmark schlechter weg als andere Stadtteile, aber auch bei der seelsorgerischen Arbeit. Dieter Dreckmann, Sprecher der Stadtteilkonferenz „BürgerRunde Feldmark“, nennt die Gründe: „Bei der Gemeindefusion war unsere katholische St.-Johannes-Gemeinde die Verliererin, sie ist nämlich die einzige, die ihre Kirche aufgeben musste.“ Das Gotteshaus ist profaniert worden, in den Räumlichkeiten entsteht eine Familienbildungsstätte. Seitdem finden hier nur noch in einer Mini-Kapelle Gottesdienste in kleinerem Rahmen statt.

Das wurde positiv bewertet

Nahversorgung: In der Feldmark kann man alle Dinge des täglichen Bedarfs kaufen - und hat dabei eine Riesenauswahl. Deswegen hat die Nahversorgung in der Feldmark die Höchstpunktzahl erreicht. „Zum Einkaufen ist es hier perfekt“ sagt das Ehepaar Schapal. Mit „Netto“ an der Vestischen Allee, mit „Lidl“ an der Marler Straße, mit „Penny“, „dm“ und dem benachbarten Rewe-Supermarkt ist die Feldmark I bestens versorgt. „Ich kriege sogar sonntags morgens frische Brötchen und muss dafür nicht mal ins Auto steigen“, sagt Peter Schapal.

Beim Thema Nahversorgung erreicht die Feldmark einen Spitzenwert. Ein Supermarkt und mehrere Discounter sind im Stadtteil zu finden.

Beim Thema Nahversorgung erreicht die Feldmark einen Spitzenwert. Ein Supermarkt und mehrere Discounter sind im Stadtteil zu finden. © Michael Klein

Auch Beate Linnemann aus der Feldmark 2 kann nicht klagen: „Hier ist der nächste Discounter nicht weit weg“, sagt sie. Und den Edeka-Supermarkt an der Seikenkapelle hat sie auch quasi vor der Haustür.

Grünflächen: Wiesen und Felder Richtung Altendorf oder Kirchhellen, das Waldgebiet Barloer Busch, Kanal- und Lippedamm: Wer ins Grüne möchte, für den ist es in der Feldmark immer nur einen Katzensprung entfernt. Doch auch in den Siedlungsgebieten soll es noch schöner werden. Dieter Dreckmann, Sprecher der Stadtteilkonferenz, kündigt an: „Wir wollen jetzt verstärkt Werbung für Grünpatenschaften machen“, zudem hat das Gremium Geld für mehrere Bänke entlang des Schölzbachs bewilligt.

Und dann gibt es da ja noch die rührige Ideenfabrik Stadtsfeld, die entlang des Rossiniweges einen regelrechten „Aktiv-Grünzug“ mit Spiel-, Sozial- und Naturaktivitäten plant. „Mit der Streuobstwiese und der Boulebahn werden wir dort einen tollen Anlaufpunkt für die Bewohner schaffen“, kündigt deren Mit-Initiator Gerhard Jendrzey an.

Verkehrsanbindung: „Ist für uns perfekt“, sagen die Eheleute Schapal. Mit dem Auto sind sie schnell auf der Autobahn 52 Richtung Norden und Süden. Wer auf der anderen Feldmark-Seite wohnt, hat eine Sofort-Anbindung an die A 31. Und mit öffentlichen Verkehrsmitteln kommt man aus dem Stadtteil bestens nach Recklinghausen oder Buer (Feldmark 1) oder Kirchhellen und Gladbeck (Feldmark 2) und natürlich auch zum nahe gelegenen Dorstener ZOB und zum Bahnhof. Bemängelt wurde in unserer Umfrage allerdings, dass es seit vergangenem Jahr keine direkte Schnellbus-Verbindung nach Bottrop und weiter nach Essen mehr gibt.

Der Verkehrsanbindung im Stadtteil wird positiv bewertet.

Der Verkehrsanbindung im Stadtteil wird positiv bewertet. © Michael Klein

Das wurde negativ bewertet

Angebote für Jugendliche: Das Motto für die Jugend-Aktivitäten lautet: „Tote Hose“. Und die immerhin fünf von zehn Punkten vergaben unsere Umfrage-Teilnehmer wohl nur deshalb, weil der städtische „Treffpunkt Altstadt“ (Auf der Bovenhorst) für die „jugendheimfreie Zone Feldmark“ in erreichbarer Nähe liegt. Das Problem dabei: Die Einrichtung ist derzeit wegen Umbaus bis Herbst 2020 geschlossen. Christian Joswig, Leiter vom Treffpunkt, wird bis dahin mit Kooperationspartnern ein Übergangs-Programm anbieten. „Nach der Wiedereröffnung bieten wir ein ganz neues und erweitertes Konzept, da wird auch für die Feldmärker Jugendlichen eine Menge dabei sein.“

Angebote für Senioren: Dass die Feldmark in der Sparte „Betreuungsangebote für Senioren“ lediglich 5 von 10 Punkten bekommt, überrascht Familie Schapal sehr. „Mit dem St.-Anna-Heim der Caritas gibt es doch ein großes und gutes Altenzentrum“, sagt Yvonne Schapal. „Und in der Stadt gibt es genug weitere.“

Auch Petra Kuschnerenko, die Demographie-Beauftragte der Stadt, war ob des Ergebnisses zunächst überrascht. „Doch wenn man nachdenkt, finden sich wirklich keine offenen Begegnungsmöglichkeiten für ältere Leute“, sagt sie. „Vielleicht hängt das mit dem Rückgang der kirchlichen Aktivitäten zusammen.“ Die schlechte Bewertung sieht Petra Kuchnerenko als Aufforderung, dem gemeinsam noch stärker entgegenzusteuern. Sie verweist auf den Bücherbringdienst, den die „Ideenfabrik Stadtsfeld“ gemeinsam mit dem Seniorenbeirat in der Feldmark ins Leben rufen will. „Ich finde es besser, solche Initiativen aus der Nachbarschaft zu unterstützen“, sagt sie. „Sie funktionieren oft besser, als wenn man den Leuten von außen etwas aufdrängt.“

Gastronomie: Ebenfalls nur fünf Punkte gab es für den Bereich Gastronomie. „Es gibt hier wirklich fast nichts“, sagt Peter Schapal. „Wir fahren meist zum Griechen nach Hervest oder zum Zechengelände, wenn wir mal rausgehen wollen.“

Früher, da sah es anders aus. „Da reihte sich vor allem an der Bochumer Straße Kneipe an Kneipe“, sagt Dieter Dreckmann, der Sprecher der BürgerRunde Feldmark. „Aber heute setzen sich die Leute nicht mehr zum Frühschoppen oder Dämmerschoppen an die Theke.“

Die Gaststätte Maas-Timpert an der Bochumer Straße war früher auch der „kommunikative Treffpunkt" der Feldmark, jetzt ist es ein gehobenes Restaurant,

Die Gaststätte Maas-Timpert an der Bochumer Straße war früher auch der „kommunikative Treffpunkt" der Feldmark, jetzt ist es ein gehobenes Restaurant, © Michael Klein

Dreckmann sieht diese Entwicklung mit etwas Verdruss, ist er als Vorsitzender des Schützenvereins Feldmark I und II doch selbst davon betroffen. Hat sich der Verein sonst immer im Saal der Gaststätte Maas-Timpert an der Bochumer Straße getroffen, haben sich die Mitglieder nun eine andere Bleibe für ihre größeren Versammlungen, Kegelrunden, Fahnen- und Ahnengalerien suchen müssen: Ihr traditioneller Treffpunkt Maas-Timpert ist zum gehobenen Restaurant umfirmiert worden.

Historie

Früher reines Ackerland

Dieses historische Luftbild der Feldmark zeigt vorne die ehemalige Hähnchenfabrik Dr. Koch und hinten das alte Lehrerseminar an der Bochumer Straße, wo später das Gymnasium Petrinum gebaut wurde.

Dieses historische Luftbild der Feldmark zeigt vorne die ehemalige Hähnchenfabrik Dr. Koch und hinten das alte Lehrerseminar an der Bochumer Straße, wo später das Gymnasium Petrinum gebaut wurde. © Archiv: Britta Lange

Das Gebiet der Feldmark, früher ein reines Feld- und Ackerland, ist bereits auf uralten Stadtplänen erwähnt und wurde ab 1870 besiedelt. 1892 begann hier mit der „Dorstener Glashütte“ die Industrialisierung, im Laufe der Zeit kamen weitere große Industrieflächen hinzu. 1909 wird an der Bochumer Straße das Königliche Lehrerseminar erreichtet, später wird hier das Gymnasium Petrinum gebaut. 1911 nahm die erste Volksschule ihren Betrieb auf. Ab 1970 weist die Stadt Neubaugebiete wie „In der Miere“ oder „Stadtsfeld“ aus, sie haben eine deutlichen Anstieg der Einwohnerzahl zur Folge.
Lesen Sie jetzt