
© Engel, Claudia
Familien in Dorsten leiden: „So schlimm wie jetzt war es noch nie zuvor“
Coronavirus
Dorstener Familien sind nach zwei Jahren Corona-Pandemie restlos fertig. Die Leiterin einer Familienpraxis sagt: „So schlimm, wie es jetzt ist, war es in der ganzen Corona-Zeit noch nicht.“
Kinder mit Essstörungen. Kinder mit Depressionen. Eltern, insbesondere Mütter, am Ende ihrer Kraft - zwei Jahre Corona-Pandemie mit Lockdowns und Schulschließungen hat Familien in Dorsten das Äußerste abverlangt. Viele sind unter der Last der persönlichen Anforderungen zusammengebrochen und haben glücklicherweise Hilfe gesucht und gefunden.

Einige Mitglieder des Familienpraxisteams um Leiterin Natascha Schäfer und die beiden Therapiehunde Loki und Nana. © privat
Das zeigt sich in der Inanspruchnahme der Familienpraxis Dorsten. Sie beschäftigt mittlerweile 20 Mitarbeiter, Heilpädagogen, Familien- und Paartherapeuten. „Wir mussten personell immer weiter aufstocken, weil sich die Zahl unserer Klienten 2020 und 2021 stetig und deutlich erhöht hat“, sagt Natascha Schäfer, Leiterin der Familienpraxis. Zum Team gehören auch die beiden Therapiehunde Loki und Nana. Wertvolle Helfer in einer Zeit, in der das Familiengefüge in vielen Fällen völlig aus den Fugen geraten ist und ein paar Streichel- und Kuscheleinheiten Wunder wirken können.
Natascha Schäfer spricht von dauerhafter Überforderung von Müttern: „Sie wollen Lehrerin, Mutter, Freundin sein und alle Bedürfnisse ihrer Kinder abdecken, denen der Halt durch ihre Schulfreunde und Freizeitaktivitäten in der Pandemiezeit weggebrochen ist. Viele Frauen haben nicht gelernt, ihre Grenzen zu zeigen und sich selbst Rückzugsräume zu schaffen.“
Als Konsequenz aus den hohen Anforderungen und Beanspruchungen brennen dann die Sicherungen durch - Konflikte zwischen Eltern und Kindern eskalieren, möglichweise auch in gewalttätigen Auseinandersetzungen. Die erzwungene häusliche Gemeinschaft schürte das Feuer unter dem Dach weiter an.
Innerfamiliäre Verhältnisse stabilisiert
Das Team der Familienpraxis ist in Krisenintervention geschult und hat 2021 rund um die Uhr und an sieben Tagen die Woche Familien in Not beigestanden, die innerfamiliären Verhältnisse stabilisiert. Gleichzeitig hat das Team Familien-, Kinder- und Jugendtherapien, Mediation sowie Paar- und Einzeltherapien geleistet. „Wir waren Weihnachten und Silvester rund um die Uhr im Einsatz“, verdeutlicht Natascha Schäfer, wie nachgefragt und dringend erforderlich der Team-Einsatz ist.
Natascha Schäfer arbeitet seit 18 Jahren mit Kindern, Paaren und Familien, um ihnen beim Finden neuer Lösungswege behilflich zu sein. „Die Themen, an denen ich mit meinen Klienten arbeite, sind nicht immer leicht, und doch macht mir mein Beruf große Freude. Vor allem dann, wenn ich sehe, dass ich einen Beitrag leisten kann, Leben glücklicher zu machen“, schreibt die Therapeutin auf der Homepage ihrer Familienpraxis.
Etwas glücklicher gemacht hat das Team ihrer Praxis vielfach auch alleinstehende und einsame Menschen, die im und an den Auswirkungen des Lockdowns völlig verzweifelt sind. Zusammen mit den Therapeuten und der Vermittlung psychiatrischer und medizinischer Angebote sei es gelungen, auch diesen Menschen Stabilität zu vermitteln. Nicht nur hier leisten die beiden Therapiehunde Loki und Nana besonders gute Arbeit.
Doch auch das Team der Familienpraxis hat seine Grenzen: „Im Dezember 2021 hatten wir einen Aufnahmestopp, weil wir keine weiteren Klienten verkraften konnten.“ Trotzdem hat die Familienpraxis Notfälle nicht im Stich gelassen: „Die offene Sprechstunde montags von 9 bis 12 Uhr haben wir beibehalten. Die Erreichbarkeit unserer Praxis ohne Termin ist ganz wichtig für Patienten“, so Natascha Schäfer. Denn: „An Wochenenden knallt es ganz besonders im häuslichen Umfeld.“
Für 2022 wünscht sich Natascha Schäfer dringend, dass die Schulen für die Kinder offenbleiben und es keine Blockschließungen mehr gibt. „Wir können das nicht mehr auffangen“, sagt sie.
Seit 20 Jahren als Lokalredakteurin in Dorsten tätig. Immer ein offenes Ohr für die Menschen in dieser Stadt, die nicht meine Geburtsstadt ist. Das ist Essen. Ehefrau, dreifache Mutter, zweifache Oma. Konfliktfähig und meinungsfreudig. Wichtige Kriterien für meine Arbeit als Lokalreporterin. Das kommt nicht immer gut an. Muss es auch nicht. Die Leser und ihre Anliegen sind mir wichtig.
