Die eigene Mutter hatte dem Mädchen den Kontakt zu der großen Schwester verboten. Dennoch machte sich die damals 13-Jährige immer wieder verbotenerweise auf den Weg zu ihrer sieben Jahre älteren Verwandten, deren Wohnung im gleichen Dorstener Stadtteil nur einen Kilometer weit entfernt lag. Und dort ließ sie sich zu etwas überreden, was die Schülerin im Nachhinein als „ganz großen Fehler“ ihres noch so jungen Lebens bezeichnet.
Denn die große Schwester (jetzt 22 Jahre alt) kiffte regelmäßig mit ihrem damaligen Lebenspartner - und gab der Heranwachsenden immer wieder etwas von den Joints ab.
„Ich fühlte mich irgendwie merkwürdig dabei und es war widerlich“, so die heute 15-Jährige, „aber ich fand es damals gleichzeitig auch cool, mit den beiden so abzuhängen und dachte, irgendwann gewöhne ich mich bestimmt daran“.
Die 22-Jährige muss sich derzeit vor dem Dorstener Schöffengericht verantworten. Die Anklage listet dabei nur die Fälle auf, die nach dem 21. Geburtstag der Beschuldigten stattgefunden hatten - denn wenn Erwachsene Drogen an Minderjährige abgeben, wird dies vom Gesetz als besonders strafwürdig angesehen.
„Schließlich sogar täglich“
Fast 80-mal, so rechnete die Anklageschrift vor, hat die 22-jährige Wulfenerin Cannabis an die jüngere Schwester verabreicht, „schließlich sogar täglich“. Die Mutter der beiden hatte erst nach anderthalb Jahren von den Vorfällen erfahren. Ihre Jüngere erzählte ihr immer, dass sie sich draußen mit Freunden treffen würde. „Das ist ja normal bei Jugendlichen, das habe ich ihr geglaubt“, so die Mutter im Gerichtssaal.
Herauskam die ganze Sache Anfang 2023, als die ältere Schwester der Mutter ein „Geheimnis“ verraten hatte, dass die Jüngere betraf. „Weil sie das gemacht hat, habe ich auch was Schlechtes über sie erzählt“, erklärte die 15-Jährige vor Gericht. Zudem verriet sie der Mutter, dass auch eine Ecstasy-Tablette mit im Spiel gewesen sei.
Das mit der Tablette stritt die 22-Jährige im Gerichtssaal ab - eine WhatsApp-Sprachnachricht, die im Gerichtsaal abgespielt wurde, lässt aber an ihrer Glaubwürdigkeit zweifeln. Zudem will die Angeklagte, so erklärte ihr Verteidiger, „allerhöchstens 10- bis 15-mal“ einen Joint an die Jüngere verabreicht haben.
Kein Urteil „für die Tonne“
Die Angeklagte - selbst Mutter von zwei Töchtern (5 und 7), die aber von Verwandten aufgezogen werden - hat aber noch keine Strafe bekommen.
Gericht, Staatsanwaltschaft und Verteidigung wollen nämlich abwarten, bis der Gesetzgeber das geplante neue Cannabisgesetz im Kraft treten lässt. Diese Novellierung könnte zur Folge haben, dass sich der Verbrechenstatbestands-Paragraf ändert - und Urteile, die bis dahin gefällt wurden, nachträglich angepasst werden müssen. „Ich habe keine Lust, jetzt ein Urteil für die Tonne zu produzieren“, so Richterin Lisa Hinkers. Fortsetzung wahrscheinlich im Sommer.