Dorstener Wissenschaftler schildert Gefahren durch die AfD Was bringt die Anti-Rechts-Demo?

Vor Anti-Rechts-Demo: Wissenschaftler schildert Gefahren durch die AfD
Lesezeit

Hunderttausende Menschen haben in den letzten Wochen bundesweit gegen Rechtsextremismus und den politischen Kurs der AfD demonstriert. Geplant ist das auch in Dorsten - und zwar am Freitag (26.1.) ab 17.30 Uhr auf dem Marktplatz in der Altstadt. Doch was bringt diese Demonstration wirklich?

Eine Antwort liefert Hendrik Cremer. Der aus Dorsten stammende Jurist arbeitet beim Deutschen Institut für Menschenrechte. Seine Schwerpunkte: Rassismus und Rechtsextremismus. Außerdem ist er Autor zahlreicher wissenschaftlicher Publikationen.

Neues Buch erscheint im Februar

Passend zur aktuellen politischen Lage erscheint am 1. Februar sein neues Buch „Je länger wir schweigen, desto mehr Mut werden wir brauchen. Wie gefährlich die AfD wirklich ist“ (Berlin Verlag, 22 Euro, 240 Seiten, EAN 978-3-8270-1508-2).

Zu den Demos und der in Dorsten geplanten Veranstaltung sagt Hendrik Cremer: „Die Demonstrationen sind sehr wichtig. Sie sind ein Zeichen gegen das Schweigen und gegen die Gleichgültigkeit. Und sie machen Mut.“

Allerdings würden die Demonstrationen alleine nicht ausreichen, um den Zuspruch zu mindern, den die AfD aktuell bundesweit erhält. Wäre am vergangenen Sonntag (22.1.) Bundestagswahl gewesen, hätte die AfD laut einer INSA-Umfrage 21,5 Prozent der Stimmen bekommen - und wäre damit zweitstärkste Kraft hinter der CDU mit 30,5 Prozent. Rund 2.000 Menschen wurden befragt.

Demonstrationen allein reichen nicht

Hendrik Cremer sieht die Demonstrationen jedoch nur als einen Baustein von mehreren, die es braucht, um gegen die AfD und ihren Kurs anzugehen: „Die Demonstrationen allein werden nicht ausreichen. Nötig ist eine kontinuierliche Aufklärung in Schulen und den Medien.“

Denn aus seiner Sicht verbreitet die AfD nicht nur rechtspopulistische, sondern sogar rechtsextreme Ansichten und Inhalte. In seinem Buch erklärt Hendrik Cremer dies anhand mehrerer Punkte mit Blick auf die Gesamtpartei:

  • Björn Höcke, Vorsitzender der AfD-Fraktion im Thüringer Landtag, dominiere den Kurs der Partei deutlich, sagt Hendrik Cremer. Der Bundesverfassungsschutz hat den Politiker als gesichert rechtsextrem eingestuft. Aber: Höcke erhalte aus seiner Partei keine Gegenstimmen, sondern vielmehr Unterstützung.
  • Gar nationalsozialistisch sei die Idee der „Remigration“. Menschen aus mehreren Zielgruppen sollen Deutschland dabei verlassen. Darunter: Asylbewerber, Ausländer mit Bleiberecht und nicht assimilierte Staatsbürger. Thematisiert wurde der Plan bei einem geheimen Treffen in einem Hotel nahe Potsdam, an dem auch AfD-Mitglieder teilnahmen. Berichtet hatte davon das Recherche-Netzwerk Corrcetiv. Hendrik Cremer nennt das Ziel dieses Plans: eine „homogene Volksgemeinschaft“. Ein Zustand, den die Nationalsozialisten mithilfe von Deportationen erreichen wollten.
  • Die AfD habe sich in den letzten Jahren immer weiter radikalisiert, sagt Hendrik Cremer. Damit meint er nicht nur die politischen Ansichten, sondern auch die Gewaltbereitschaft.
  • Aus Hendrik Cremers Sicht agiere die AfD „mit unterschiedlichen Gesichtern“. So verharmlose die Partei ihre Ansichten beispielsweise in Talkshows und Interviews. Im Gegensatz dazu stachele sie ihre Anhängerschaft auf, unter anderem mit Reden auf Veranstaltungen. Gleichzeitig verbreite sie „ihre Hetze“ im Internet.
  • Durch die ständige Präsenz im Internet bestehe die Gefahr, dass sich die Nutzerinnen und Nutzer an die AfD-Positionen gewöhnen. Eine „Normalisierung von Rassismus und Hetze“ trete ein, so Hendrik Cremer.

Die Ausführungen des Dorstener Juristen und Wissenschaftlers lassen sich auch bei der Dorstener AfD beobachten. Mehrmals täglich setzen die Ratsfraktion und der Stadtverband beispielsweise Facebook-Beiträge ab - mit verkürzten, verzerrten und emotional aufgeladenen Themen. So hatte PR-Experte Marc Raschke die Inhalte beschrieben.

PR-Experte Marc Raschke hat die Social-Media-Auftritte der Dorstener Parteien analysiert.
PR-Experte Marc Raschke hat die Social-Media-Auftritte der Dorstener Parteien analysiert. © Privat

AfD greift polarisierende Themen auf

Die Partei inszeniere sich als „Kümmerer“, führt Hendrik Cremer aus. Immer wieder haben Heribert Leineweber, Vorsitzender der Ratsfraktion, sowie Simone Paulsen, Sprecherin des Stadtverbandes, lokale und polarisierende Themen aufgegriffen.

So zum Beispiel den Verlust von 19,4 Millionen Euro durch Kredite in Schweizer Franken, den geplanten Bau des Konverters in Altendorf-Ulfkotte oder die Bauernproteste Anfang Januar. Aber, so Hendrik Cremer: „Die AfD täuscht die Bürgerinnen und Bürger.“ Dazu passt, dass die Fraktionsmitglieder in Ausschuss- und Ratssitzungen mehrmals mit falschen Fakten und Aussagen aufgefallen sind.

Und auch ein gewaltsamer Vorfall ist bekannt, der auf das Konto der Dorstener AfD geht: Ein Dorstener bezeichnete Mitglieder der AfD als „Faschisten“, als er an einem Infostand am Wulfener Markt vorbeiging. Daraufhin sei er gestoßen worden. Außerdem habe ihm ein AfD-Anhänger ins Gesicht gegriffen.

Breites Bündnis positioniert sich

Hendrik Cremer kommt zu dem Schluss, dass die AfD grundsätzlich - und damit auch in Dorsten - gefährlich sei. Zumal sie bereits in den Stadtrat gewählt wurde. Aber, so sein Eindruck: „Es gibt in Dorsten ein breites Bündnis, das sich deutlich gegen die AfD und ihre Politik positioniert. Das ist maßgeblich dafür, dass sich das rechtsextremistische Gedankengut nicht weiter ausbreitet.“

„Björn Höcke ist nicht das Problem“: Die AfD in Dorsten marschiert stramm nach ganz rechts

Kundgebung auf dem Marktplatz: Alle Dorstener Schützenvereine setzen politisches Zeichen

Große Kundgebung in Dorsten geplant: Alle Infos zur Veranstaltung in der Übersicht