Versuchter Mord in Dorsten Syrischer Schütze war polizeilich bekannt - was wir über ihn wissen

Spurensuche: Polizei sucht Mahmoud Hami (32) nach versuchtem Mord
Lesezeit

Es ist ruhig in der kleinen Wohnanlage Am Beisenbusch im Dorstener Stadtteil Hardt. Nichts lässt auf den ersten Blick erkennen, dass in Sichtweite des St. Elisabeth-Krankenhauses ein Mann angeschossen wurde - und das direkt vor seiner Wohnungstür.

Nur zögerlich öffnen die Anwohner ihre Tür. Sie sind verunsichert und vor allem verängstigt: Was ist am 12. Oktober in ihrer Nachbarschaft passiert? Wer kannte den Tatverdächtigen? Sind sie noch sicher?

Die ruhige Wohngegend sei abends schlecht beleuchtet. Das mulmige Gefühl hat sich seit dem Vorfall verstärkt, erzählt eine zweifache Mutter.

Täter lauert dem Opfer auf

Nur das schwarz-weiße Siegel der Polizei gibt an der Wohnungstür einen Hinweis auf den Tatort. Gegen 16 Uhr soll Mahmoud H. am Samstag (12.10.) hier vor der Wohnungstür eines Anwohners gewartet haben. Als dieser die Wohnung verlassen wollte, soll Mahmoud H. auf ihn geschossen haben. Seitdem wird nach dem mutmaßlichen Täter gefahndet.


Opfer lebte mit Familie zusammen

Dass es sich beim Motiv laut Polizei um Eifersucht handeln soll, ist für eine Anwohnerin nicht verständlich. Nach ihrer Aussage soll das Opfer zusammen mit seiner Partnerin und einem Kind gemeinsam in einer Wohnung gelebt haben. Eine weitere Nachbarin will beobachtet haben, wie das Opfer zusammen mit seiner Partnerin und einem Kind unter Polizeibegleitung mit Koffern die Wohnung verlassen hat. Dem Opfer soll es mittlerweile besser gehen und das Krankenhaus verlassen haben.

Im Wohnhaus nebenan bellt laut ein Hund. Trotzdem: Die meisten Anwohner wollen keinen Schuss gehört haben. Auch den Tatverdächtigen habe niemand gesehen oder gekannt. Ein Vater gibt an, dass sein Sohn etwas beobachtet habe.

Eine Wohnungstür mit Spurensicherungen der Polizei
Die Polizei sicherte Spuren an der Wohnungstür des Opfers. © BLUDAU FOTO

Bei der Polizei soll er bereits eine Aussage gemacht haben. Bevor er weitere Informationen herausgeben kann, tritt eine Frau aus der Wohnung: „Wir haben nichts gesehen.“ Die Haltung ist deutlich, die Tür fällt zu.

Polizei fahndet mit Hochdruck

Offiziell ist zu dem Tatverdächtigen wenig bekannt, aber immerhin mehr als in manch anderen Fällen. Die Polizei fahndet mit Hochdruck nach Mahmoud H., einem 32-jährigen Syrer. Deshalb veröffentlichten die Ermittler die wichtigsten persönlichen Daten und ein Foto am 21. Oktober. Sie ergänzt, dass der Täter womöglich noch bewaffnet und daher gefährlich ist.


Wohl aus Eifersucht lauerte er seinem Opfer auf und feuerte mit einer scharfen Pistole. In welcher Beziehung Täter und Opfer zueinander stehen, beantwortet die Staatsanwaltschaft Essen nicht. Die Kugel, so die Polizei, traf das Opfer im Brustkorb. Seitdem ist Mahmoud H. flüchtig. Eigentlich wohnt er in Viersen.

Viersen ist nur wenige Kilometer von der niederländischen Grenze entfernt. Rund 90 Kilometer und eineinhalb Stunden Fahrt mit dem Auto liegen zwischen Viersen und Dorsten.

Auf Nachfrage teilt die Stadt Viersen mit: „Der Betroffene befindet sich in der ausländerrechtlichen Zuständigkeit der Stadt Viersen.“ Was diese Formulierung konkret bedeutet, bleibt offen.

Sicher ist: Die Zuständigkeit der Ausländerbehörde ist abhängig vom Einzelfall. Ausschlaggebend sind beispielsweise Fragen wie: Gibt es eine Meldeanschrift? Handelt es sich um einen Besuchsaufenthalt? Liegt eine Wohnsitzauflage für eine andere Stadt vor?

Die zuständige Ausländerbehörde regelt sämtliche Angelegenheiten, die den Aufenthalt betreffen, zum Beispiel die Erteilung und Verlängerung von Aufenthaltserlaubnissen. Sie ist ebenfalls zuständig für Menschen, die ausreisepflichtig sind.

Unbekannter Aufenthaltsstatus

Welchen Aufenthaltsstatus Mahmoud H. hat, ist öffentlich unbekannt. Das nordrheinwestfälische Innenministerium (MI) verweist in dieser Frage auf das Ministerium für Kinder, Jugend, Familie, Gleichstellung, Flucht und Integration (MKJFGFI).

Eine Sprecherin erklärt, dass die Stadt Viersen zuständig für Fragen zum Einzelfall sei und dass seitens des Ministeriums aus datenschutzrechtlichen Gründen „grundsätzlich keine Informationen zu Einzelfällen“ mitgeteilt werden könnten. Die Stadt Viersen verweist ebenfalls auf den Datenschutz und das derzeit laufende Verfahren.

In seine Wohnung zurückgekehrt ist der Gesuchte nach der Tat augenscheinlich nicht. Eine Spezialeinheit (SE) der Polizei stürmte die Viersener Wohnung und stellte lediglich das Fluchtauto von Mahmoud H. sicher. Eine Mordkommission wurde eingerichtet.

Interessant: Weder in den lokalen und regionalen Medien, noch in größeren ortsbezogenen Facebook-Gruppen finden sich Hinweise auf einen SE-Einsatz in der Nacht vom 12. auf den 13. Oktober in Viersen.

Beteiligte halten sich bedeckt

Federführend bei den Ermittlungen sind die Polizei Recklinghausen und die Staatsanwaltschaft Essen. Beide Behörden halten sich allerdings mit weiteren Auskünften zur Tat und zu Mahmoud H. Stand Dienstag (22.10.) bedeckt. Aus „ermittlungstaktischen Gründen“ bleiben mehrere Fragen unserer Redaktion unbeantwortet.

So gibt die Staatsanwaltschaft Essen nicht heraus, ob der syrische Staatsbürger, der als tatverdächtig gilt, bereits polizeilich bekannt ist.

Etwas auskunftsfreudiger ist diesbezüglich die für Viersen zuständige Staatsanwaltschaft Mönchengladbach. Auf Anfrage erklärt Pressesprecher Florian Scheffel, dass Mahmoud H. Anfang 2024 „wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis zu einer Geldstrafe“ verurteilt wurde. „Weitere Erkenntnisse liegen nicht vor.“

Tatvorwurf im Wandel

Auffällig ist außerdem der Vorwurf, mit dem Mahmoud H. gesucht wird. Dieser änderte sich im Laufe der Ermittlungen.

Zunächst veröffentlichte die Polizeileitstelle in Recklinghausen am 13. Oktober die Information, dass es sich bei der Tat um ein versuchtes Tötungsdelikt handele. Dann wurde die Tat zu einer schweren Körperverletzung zurückgestuft.

Am 21. Oktober (Montag) lautete die Anschuldigung dann wieder: versuchter Mord. Hannah Wörmann von der Staatsanwaltschaft in Essen erklärt auf Nachfrage: „Die weiteren Ermittlungen haben den Verdacht bezüglich eines versuchten Tötungsdelikts erhärtet.“

„Top-Fahndung“ der Polizei

Im Fahndungsportal der Polizei läuft die Suche nach Mahmoud H. als sogenannte „Top-Fahndung“ ein. Die Gründe dafür liegen in der Schwere des Tatvorwurfs begründet, erklärt Andreas Lesch, Pressesprecher der Polizei Recklinghausen. Nur der tatsächliche Mord sei schwerwiegender. Zudem seien das öffentliche Interesse und die überregionale Bedeutung groß.

Auch zum aktuellen Stand der Suche äußerte sich die Staatsanwaltschaft Essen bislang nicht. Ob Mahmoud H. sich ins Ausland abgesetzt oder einen Komplizen gehabt haben könnte, bleibt offen.

Eine unterschwellige Angst ist bei einigen Nachbarn deutlich spürbar. Eine Anwohnerin und Mutter gibt an, ein mulmiges Gefühl zu haben. Sie hofft, dass die Situation bald geklärt wird.

Eindrücke vom Tatort auf dorstenerzeitung.de