Bereits am zweiten Weihnachtsfeiertag 2023 deutete sich an, was am Folgetag passieren würde: Der Pegel der Lippe stieg in Dorsten unaufhörlich. Dann, am 27. Dezember 2023, wurde die markante 10-Meter-Marke überschritten. Das Hochwasser, bedingt durch stetige und wochenlange Regenfälle, entwickelte sich zu einem Rekord-Hochwasser. Der Fluss stand damit höher als 2003, schon damals sprach man von einem Jahrhundert-Ereignis.

Über die Formulierung lässt sich diskutieren. Der Lippeverband spricht erst von einem Jahrhunderthochwasser, sobald der Pegel an der Messstation an der Borkener Straße einen Stand von 10,41 Metern erreicht. Spektakulär, zumindest für all diejenigen, deren Hab und Gut nicht direkt vom Wasser bedroht wurde, waren die Fluten allemal.
Deiche sollten nicht betreten werden
Zwischen den Weihnachtsfeiertagen und Neujahr spazierten viele Menschen entlang des Flusses, um die Auswirkungen der Regenfälle zu begutachten. Zumindest so lange die Ausflüge im erlaubten Rahmen blieben. Denn: Die Deiche sollten aus Sicherheitsgründen nicht betreten werden.

Ein beliebtes Ziel und Fotomotiv: die Felder rund um die Höfe an der Ackerstraße. Wie eine Hallig aus dem nordfriesischen Wattenmeer hob sich der Hof der Familie Fengels aus der stark angeschwollenen Lippe hervor. Die einzige Verbindung zum „Festland“: ein Traktor. Schließlich standen die Felder und auch der asphaltierte Weg, der von der Fährstraße zu den Gebäuden führt, rund einen halben Meter unter Wasser. Auch Gummistiefel reichten nicht aus, um trockenen Fußes auf die andere Seite zu kommen.
Obwohl laut des städtischen Krisenstabes (Stab für außergewöhnliche Ereignisse, SAE) nie eine akute Gefahr bestand, wurde der Treffpunkt Altstadt vorsorglich als Notunterkunft vorbereitet.
Hilfskräfte mit etlichen Einsätzen
Für die Rettungs- und Hilfskräfte von Feuerwehr, DRK, Malteser, THW, Lippeverband und Co. gestalteten sich die Tage bis zum Jahreswechsel 2023/24 derweil enorm arbeitsreich. Etliche Einsatzstellen taten sich auf. Mit Sandsäcken bauten Feuerwehr und THW beispielsweise einen Deich, um den Campingplatz Zenker „anne Bänke“ zu schützen. Allerdings waren die Einsatzorte nicht immer unmittelbar in der Nähe der prall gefüllten Lippe.

So standen auch Teile der beiden Kleingärten Sonnengrund und Lippegrund an der Straße Im Ovelgünne unter Wasser. Das Gelände kurz vor dem Segelflugplatz liegt am Rapphoffs Mühlenbach, der mit Hilfe sogenannter Düker (Druckleitungen) unter dem Wesel-Datteln-Kanal hindurch zur Lippe geleitet wird. Das ließ der Pegelstand der Lippe allerdings nicht zu, sodass sich das Wasser des Rapphoffs Mühlenbach am Düker staute. Auch das gestiegene Grundwasser drückte an die Oberfläche.

Werner Diedrich, Vorsitzender des Kleingartenvereins am Lippegrund, schätzte Wochen nach dem Hochwasser, dass gut fünf Millionen Liter die Anlage geflutet hätten. Die Schäden in den Gärten und an den Lauben waren enorm. Eine kleine Spendenaktion hat dazu beigetragen, die Normalität wieder herzustellen. Mit geliehenen Geräten konnte das Wasser Anfang 2024 wieder aus der Kleingartenanlage herausgepumpt werden.
Wasser in Tiefgarage
Weil eine Pumpe ausgefallen war, stand derweil auch Andi Kremer in Gummistiefeln in der Tiefgarage an der Dimker Allee in Barkenberg - weit weg vom Hochwasser der Lippe. Er versuchte seinen VW Golf aus den 1990er Jahren vor dem Wasser zu schützen.

Nachdem der Lippe-Pegel am 27. Dezember 2023 seinen Peak erreicht hatte, sank das Wasser langsam. Am Mittag des 30. Dezembers 2023 maß die Station an der Borkener Straße noch immer 9,38 Meter. Zum Vergleich: Ein Jahr später, am 30. Dezember 2024 liegt der Lippe-Pegel mit 5,55 Metern (Stand 14.20 Uhr) wieder annähernd auf normalem Niveau.
Stadt verkauft Sandsäcke
Konsequenzen hatte das Rekord-Hochwasser dennoch. Damit die Menschen in Dorsten ihre Häuser künftig vor Wasser schützen können, bot die Stadt beispielsweise ab Mitte November 2024 Sandsäcke für 0,50 Euro an. Bürgermeister Tobias Stockhoff betonte in einer Pressemitteilung wie wichtig es für jeden Einzelnen sei, in Notfällen vorbereitet zu sein.

Zusätzlich veröffentlichte die Stadtverwaltung im Februar 2024 neue Gefahrenkarten, die die Auswirkungen von Starkregen zeigen. Abrufbar sind diese online im Geodatenportal der Stadt.

