Wegen seiner Rolle in NS-Zeit Straßenbenennung: Diskussion in Dorsten um Gerhart Hauptmann

Wegen Rolle in NS-Zeit: Diskussion in Dorsten um „Gerhart-Hauptmann-Straße“
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In Dorsten sind in den vergangenen Jahren einige Schulen geschlossen worden, deren Namen an wichtige Personen des Widerstands gegen die Nazis oder auch an bekannte Schriftsteller erinnerten: Erich Klausener, Dietrich Bonhoeffer, die Geschwister Scholl oder Gerhart Hauptmann.

Die Rathausspitze und auch der damalige SPD-Fraktionschef Friedhelm Fragemann hatten deshalb unabhängig voneinander die Idee, an anderen Orten der Erinnerung diese Persönlichkeiten zu würdigen. Nachdem kürzlich das städtische Grundstück vor dem Treffpunkt Altstadt in „Geschwister-Scholl-Platz“ umbenannt wurde, geht es nun um den nächsten Kandidaten - doch dieser Vorschlag ist umstritten.

Friedhelm Fragemann regt nämlich in einem Schreiben an Bürgermeister Tobias Stockhoff an, die Erschließungsstraße im geplanten Neubaugebiet Marienviertel nach dem Schriftsteller und Literatur-Nobelpreisträger Gerhart Hauptmann zu benennen, ergänzt durch eine Geschichtstafel.

„Damit könnte einerseits an den dortigen ehemaligen Standort der Gerhart-Hauptmann-Realschule erinnert werden und andererseits dem Namensgeber ein Denkmal gesetzt werden“, so Fragemann und bringt für eine weitere Straße dort als Namensgeber den Schriftsteller Theodor Fontane ins Spiel.

Eine Straße im geplanten neuen Baugebiet auf dem Gelände der früheren Gerhart-Hauptmann-Realschule soll auf Vorschlag der SPD nach dem Schriftsteller benannt werden.
Eine Straße im geplanten neuen Baugebiet auf dem Gelände der früheren Gerhart-Hauptmann-Realschule soll auf Vorschlag der SPD nach dem Schriftsteller benannt werden. © Archiv

Auf Anfrage der Redaktion erklärt die Pressestelle der Stadt, dass Bürgermeister Stockhoff die Organisatoren der Hervest-Konferenz gebeten habe, den SPD-Vorschlag auf die Tagesordnung der nächsten Sitzung zu nehmen, und dass er auch die Initiative Zukunft Marienviertel über die SPD-Idee informiert habe. „Auch verwaltungsintern war die Option der Benennung einer Straße nach Gerhart Hauptmann in der Diskussion“, so Stadtpressesprecher Ludger Böhne.

Die Stadtverwaltung meint aber nun, dass „unter Beachtung der heute unstrittigen Erkenntnisse über den Schriftsteller kritisch diskutiert werden müsse“. Bei der Recherche sei man nämlich auf einige Einordnungen der Person gestoßen, die darauf verweisen, dass das Verhältnis des Schriftstellers zur NS-Politik „von Ambivalenz geprägt“ sei.

Das Gelände vor dem Treffpunkt Altstadt wurde kürzlich zum Geschwister-Scholl-Platz.
Das Gelände vor dem Treffpunkt Altstadt wurde kürzlich zum Geschwister-Scholl-Platz. © Michael Klein

Deshalb: Geschichtsstation mit Einordnung ja, alles andere nein. „Aus Sicht der Stadtverwaltung gibt es auch bei wohlwollender Einordnung der Person Gerhart Hauptmann in die damalige Zeit sicherlich geeignetere Personen, welche sich für die Benennung einer Straße eignen könnten“, heißt es.

Die Stadt verweist dabei auch auf den Antrag der SPD-Ratsfraktion aus dem Jahr 2019, der die Benennung von Straßen nach Frauen vorsieht. Dieser Antrag wurde im Rat dahingehend modifiziert, hierbei die ersten Frauen in den Dorstener politischen Gremien besonders zu würdigen: Gertrud Blome, Hedwig Geißler und Emilie du Moulin.

„Brauchen Abwägungsprozess“

Als früherer Geschichtslehrer weiß auch Friedhelm Fragemann, dass die Haltung von Gerhart Hauptmann zum Nationalsozialismus „zwischen Distanz und Opportunismus schwang, der sich zeitweilig auch in Zustimmung“ ausdrückte: „Ich habe also volles Verständnis für kritische Anmerkungen zu unserer Anregung.“ Aber: „Wir brauchen einen Abwägungsprozess“, so der SPD-Politiker: „Unseres Erachtens kann sein Lebenswerk und seine Bedeutung nicht allein aufgrund seines Versagens in der NS-Zeit beurteilt werden.“