Verrücktes Familienritual Gabriele Ridderskamp-Bonfiglio verwandelt sich in Aschenbrödel

Gabriele Ridderskamp-Bonfiglio verwandelt sich in Aschenbrödel
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Mit Holzgewehr und im Jäger-Outfit ist Bettina Müller zum Mädelsabend in Dorsten erschienen. „Ich habe schon so viel davon gehört - ich konnte mich eigentlich nicht dagegen wehren“, sagt sie und lacht. Sie ist zum ersten Mal bei einem verrückten Familienritual dabei, das jährlich weiter eskaliert. „Wir müssen uns jedes Jahr was Neues erarbeiten“, sagt Gabriele „Gabi“ Ridderskamp-Bonfiglio.

In vielen Familien gehört „Drei Haselnüsse für Aschenbrödel“ zu Weihnachten wie „Dinner for One“ zu Silvester. Bei Familie Ridderskamp wird der fast 50 Jahre alte Märchenfilm aber nicht nur geschaut, sondern zelebriert. Entstanden ist das Ritual bei den drei Schwestern der Familie Ridderskamp. „Bei meinem Vater haben wir sonntagnachmittags im Advent immer ‚Drei Haselnüsse für Aschenbrödel‘ geguckt“, erzählt Gabi. Das erklärt aber noch nicht, warum sie an diesem Abend in ein Schafsfell-Imitat gehüllt ist und ihre Wangen schwarz wie von Kohlenstaub sind.

In Verkleidung schaut die Frauenrunde "Drei Haselnüsse für Aschenbrödel".
In Verkleidung schaut die Frauenrunde „Drei Haselnüsse für Aschenbrödel". © Berthold Fehmer

Als eine aus der Runde in späteren Jahren die DVD des Märchenfilm-Klassikers von 1973 geschenkt bekommen habe, „haben wir gedacht, das kann man ja nicht nur sonntagnachmittags, sondern auch samstagabends gucken“, sagt sie.

Erst nur im Familienkreis, dann wurden auch gute Freundinnen eingeladen - mittlerweile sind es immer rund zehn Frauen. „Seit drei Jahren verkleiden wir uns“, sagt Gabi. Was eine Freundin zunächst für einen Scherz hielt, um dann als einzige unverkleidet aufzutauchen. Die Männer sind übrigens an dem Abend raus - „die wollten keine Strumpfhosen anziehen“.

Als Koch, Jäger, feine Dame oder Küchenmagd kommen die Frauen zum Filmgucken, ohne sich vorher in Kostüm-Fragen abzusprechen. Mit dem Verkleiden ist es nicht getan: Die weihnachtlich-geschmückte Wohnung ist liebevoll und passend zum Film dekoriert - hier und da liegen drei Haselnüsse, die Wohnung ist unter anderem mit Eulen geschmückt, wie Eule „Rosalie“ aus dem Film, die in Wirklichkeit ein Waldkauz ist.

Baguettes in Kronenform

Essen und Getränke werden passend zum Film gereicht, wobei die Baguettes in Kronenform angeordnet sind und auch Haselnuss-Likör getrunken wird. „Wir hatten mal einen ganz hochprozentigen Haselnussschnaps, der war ein bisschen heftig“, sagt Gabi und schmunzelt.

Baguettes in Kronenform gegen den kleinen Hunger
Baguettes in Kronenform werden gegen den kleinen Hunger gereicht. © Berthold Fehmer

Während der Film in Endlosschleife an dem Abend läuft, „entdecken wir immer was Neues“, sagt Gabi. Einig sind sich die Frauen, dass die Szene, in der ein Fuchs mit der Armbrust geschossen wird, heute so nicht mehr in einem Kinderfilm auftauchen würde. Dass der Fuchs aber wenige Sekunden nach seinem filmischen Ableben aufgehoben wird und dabei hart wie ein Brett ist, sorgt für Heiterkeit in der Runde: „Der ist schockgefrostet.“

Bei den Kostümen scheuen die Frauen keine Mühen. Sie tragen eine Kette mit einer Haselnuss. Veronika Thiemann sagt: „Meine Schwiegertochter hat versucht, das Hochzeitskleid zu nähen.“ Eine hat eine Pelzmütze und einen Muff rausgekramt: „So alt wie der Film, vielleicht noch älter“.

Bei den Kostümen geben sich die Frauen viel Mühe.
Bei den Kostümen geben sich die Frauen viel Mühe. © Berthold Fehmer

Besondere Probleme bereitete der voluminöse Hut der bösen Stiefmutter: „Da haben wir einen Anglerregenschirm umgedreht und mit Stoff bespannt und aufgesetzt“, sagt Gabi. Und fügt grinsend hinzu: „Der sah gut aus - tat nur weh beim Tragen.“

Im Laufe der Jahre haben die Frauen unfassbare Mengen an „unnützem Wissen“ über den Film angehäuft. Aus Versehen hatten sie beispielsweise mal die Version für Sehgeschädigte eingeschaltet, in der ein Sprecher sämtliche Bilder erklärt. „Seitdem wissen wir, dass Aschenbrödel 16 Jahre alt ist und die Stiefmutter 50“, sagt Gabi.

Die Wohnung ist passend zum Film geschmückt: hier mit Eule Rosalie.
Die Wohnung ist passend zum Film geschmückt: hier mit Eule Rosalie. © Berthold Fehmer

Absolutes Highlight für die Runde ist im Film immer der Ball, bei dem sich der Prinz in Aschenbrödel verliebt. Allerdings ist es nicht diese Szene, die bei den Frauen für Heiterkeit sorgt, sondern der „Tanz“ des Prinzen mit „Kleinröschen“. Gabi: „Da lachen wir uns immer kaputt.“ „Wer ist denn Kleinröschen?“, fragt eine der Novizinnen an diesem Abend. „Setzen! Sechs!“, so die Antwort aus der Runde unter lautem Lachen.

Ein Kissen mit Aschenbrödel zeigt Gabriele Ridderskamp-Bonfiglio.
Ein Kissen mit Aschenbrödel zeigt Gabriele Ridderskamp-Bonfiglio. © Berthold Fehmer

Hinter „Kleinröschen“ verbirgt sich die etwas gewichtigere Schauspielerin Helena Růžičková, die sich den im Vergleich zarten Prinzen schnappt und über die Tanzfläche wirbelt. Dass „Kleinröschen“ im echten Leben die Mutter des Küchenjungen war, wissen die meisten in der Runde - natürlich.

Selbst die Tassen sind auf den Film abgestimmt.
Selbst die Tassen sind auf den Film abgestimmt. © Berthold Fehmer

Immer wieder bewundern die Frauen die Kostümbildner, die in diesem Film vor keiner kreativen Fehlentscheidung zurückschreckten. „Das ist vor Schäbigkeit schon manchmal schön.“

Je später der Abend, desto verrückter werden die Ideen in der Runde. Im vergangenen Jahr hatten die Frauen versucht, die höfischen Tänze nachzustellen. „Das haben wir nicht so auf die Kette gekriegt - um Mitternacht“, sagt Gabi. Als ihr im Laufe des Abends im Schafsfell warm wird, sagt sie beim Anblick des Aschenbrödel-Kleids: „Ich muss jetzt anfangen, ein Kleid mit Perlen zu besticken.“ Als sie bei der Jagdszene vorschlägt, „wir müssen hier mal so ein Armbrustschießen machen“ und man sich fragt, wie das denn wohl im Wohnzimmer gehen soll, ist die Reaktion aus der Runde: „Eine schöne Idee!“

Sendetermine „Drei Haselnüsse für Aschenbrödel“ 2022:

24. Dezember: 13.40 Uhr (Das Erste), 16.05 Uhr (NDR), 18.50 Uhr (One), 20.15 Uhr (WDR) und 23.10 Uhr (SWR).

25. Dezember: 11.05 Uhr (Das Erste), 15.35 Uhr (rbb).

26. Dezember: 17.25 Uhr (MDR)

31. Dezember: 13.15 Uhr (hr)

1. Januar: 14.10 Uhr (SWR)