Gold- und Silber-Tickets, Flatrates für unbegrenzte Sex-Abenteuer und jede Menge Schwarzgeld: In Essen hat am Freitag (16.2.) ein millionenschwerer Steuerstrafprozess begonnen. Angeklagt ist der ehemalige Chef eines Wulfener Bordells. Einfach wird das Verfahren nicht.
Der Angeklagte ist 60 Jahre alt, lebt inzwischen in Osnabrück und will offenbar nicht glauben, was ihm da vorgeworfen wird. Im Prozess geht es um rund eine Million Euro, die er zwischen 2016 und 2020 hinterzogen haben soll. Plus noch einmal rund eine Million, die von der Staatsanwaltschaft als versuchte Steuerhinterziehung eingestuft wird.
„Flatrate-Angebote“
Es geht um den ehemaligen „Partytreff“ beziehungsweise „Club 25“, der Kunden aus der ganzen Region angelockt haben soll. Das Erfolgskonzept war offenbar ein „Flatrate-Angebot“. Dabei sollen unbegrenzte Sex-Kontakte erlaubt gewesen sein. Später wurde die Möglichkeiten aber offenbar wieder eingeschränkt.
Nach Angaben eines Steuerfahnders, der vor der 21. Strafkammer des Essener Landgerichts als Zeuge vernommen worden ist, mussten zuletzt 50 Euro für 25 Minuten mit einer Prostituierten gezahlt werden. Für 70 Euro waren bis zu drei Kontakte möglich, für 100 Euro sogar bis zu sechs. Die Prostituierten haben dabei „Token“ von ihren Kunden eingesammelt, die sie nach Ende ihrer Schicht offenbar in Bargeld umtauschen konnten.
Ständiger Inhaber-Wechsel
Das zuständige Finanzamt Marl hatte schon seit Jahren ein Auge auf das Rotlicht-Etablissement in Barkenberg geworfen. Doch die Ermittler kamen lange Zeit nicht weiter. Die offizielle Inhaberschaft hat nach Angaben des Steuerfahnders ständig gewechselt. Wer tatsächlich abkassiert hat, ließ sich kaum feststellen.
Dass der Angeklagte im Hintergrund die Fäden gezogen hat, sei schließlich durch Zufall herausgekommen. Bei Ermittlungen in einer ganz anderen Sache soll eine der Prostituierten gesagt haben: „Er war der Chef.“ Die offizielle Inhaberin sei nur eine Strohfrau. In Wahrheit putze sie nur.
Kameras vom Zoll
In der Folgezeit wurde der „Partytreff“ von außen mit Videokameras überwacht, die vom Zoll installiert worden sind. Anschließend wurden die Kunden gezählt, die dort ein- und ausgingen. Im Schnitt angeblich 50 bis 60 in einer Nacht. Außerdem wurde das Telefon des Angeklagten abgehört. Zum Prozessauftakt hat der 60-Jährige bereits zugegeben, dass er der wahre Inhaber gewesen ist.
Die Höhe der angeblichen Steuerhinterziehung wird allerdings vehement bestritten. Das Problem: Die Zahlen in der Anklage basieren auf Schätzungen und Durchschnittswerten. Der Angeklagte hofft auf Bewährung. Die Staatsanwaltschaft strebt zurzeit noch eine Gefängnisstrafe an. Mit einem Urteil ist voraussichtlich Mitte März zu rechnen