Verdi-Demo in Recklinghausen 3000 Menschen gehen auf die Straße – Ton wird schärfer

Ton wird schärfer: 3000 Menschen gehen in Recklinghausen auf die Straße
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Einen solchen Lindwurm haben die Recklinghäuser Wälle in diesem Jahr schon einmal erlebt – doch da war er karnevalistischer und nicht gewerkschaftlicher Natur. Die Stimmung allerdings war durchaus vergleichbar: Locker, gelöst, bunt gewandet und mit schrillem Trillerpfeifengetöse zogen gestern 3000 Bedienstete des öffentlichen Dienstes über den Recklinghäuser Wallring und nutzten den erneuten Warnstreiktag, um ein weiteres Mal ihren festen Willen im noch ungeklärten Tarifstreit zu demonstrieren.

Dabei waren Anfang und Ende des allemal beeindruckenden Zuges keineswegs zufällig gewählt: Vom Rathaus, in dem der oberste Dienstherr der 2400 städtischen Mitarbeiter sitzt, ging es im großen Bogen zum Europaplatz, wo schon zum dritten Mal in dieser tariflichen Auseinandersetzung kein Bus ankam und wegfuhr. Die Vestische wurde genauso bestreikt wie die Sparkasse Vest, die Kommunalen Servicebetriebe Recklinghausen (KSR), die Kindertagesstätten und viele Behörden auch in den umliegenden Städten.

Die Spitze des Verdi-Demo-Zuges in Recklinghausen.
Die Spitze der Bewegung: So sah es ganz vorne am Demo-Zug aus. © Jörg Gutzeit

Und bei der finalen Zusammenkunft auf dem Busbahnhof wurde deutlich, dass gar nicht unbedingt die 10,5 Prozent mehr Lohn das gefühlte Sehnsuchtsziel der Streikenden sind, sondern vielmehr die Forderung nach mindestens 500 Euro zusätzlich.

Auch Andrea Becker als Hauptrednerin griff diesen Umstand taktisch umsichtig auf: Die Landesfachbereichsleiterin der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi freute sich nicht nur, in Recklinghausen „viele bekannte Gesichter“ wiederzusehen, sondern untermauerte einmal mehr die Notwendigkeit der Forderungen an die öffentlichen Arbeitgeber: „Man kann viel über Wertschätzung reden, man muss das auch mal mit konkreten Zahlungen unterstreichen. Und jetzt ist der richtige Zeitpunkt.“ Den Einwand, dass die Kommunen ohnehin leere Kassen hätten, ließ sie nicht gelten: „Dann ist es Aufgabe der Politik in Berlin, das zu ändern. Es ist ja nicht so, dass kein Geld vorhanden ist.“

Verdi-Landesfachbereichsleiterin Andrea Becker spricht während einer Streik-Veranstaltung in Recklinghausen.
Verdi-Landesfachbereichsleiterin Andrea Becker erneuerte die Positionen der Gewerkschaft mit Leidenschaft. © Jörg Gutzeit
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Nächste Woche werden 15.000 erwartet

Und wo man letztlich auch hinhörte: Überall wirkte die Entschlossenheit größer als die Kompromissbereitschaft. Zwar gaben Müllwerker und Kita-Erzieherinnen gleichermaßen an, dass sie die dritte Verhandlungsrunde in Potsdam vom 27. bis 29. März aufmerksam verfolgen werden, „doch wenn dabei kein gutes Ergebnis herauskommt, dann geht es eben über Warnstreiks hinaus“, so ein Mann in einer knallroten Sparkasse-Vest-Kutte.

Demo-Teilnehmer am Europaplatz in Recklinghausen.
Aufmerksam verfolgten die Demo-Teilnehmer die Kundgebung am Europaplatz. © Jörg Gutzeit

Bernd Dreisbusch, Geschäftsführer des Verdi-Bezirks Mittleres Ruhrgebiet, nahm diese Worte als Auftrag mit in die nächsten Tage: „Unser Kampf geht weiter und wird sich noch verstärken. Am nächsten Dienstag in Gelsenkirchen erwarten wir 15.000 Teilnehmer zur Kundgebung.“

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