
© CDU-Kreisverband Recklinghausen
Der neue Landrat gewann mit viel weniger Wählerstimmen
Kommunalwahl 2020
Bodo Klimpel (CDU) ist neuer Landrat im Kreis Recklinghausen. Doch das Ergebnis von Sonntag lässt Zweifel aufkommen, wie sinnvoll eine Stichwahl überhaupt ist - eine Analyse.
Es war um 19.33 Uhr am Sonntagabend, da brandete Jubel auf im Gildehaus der Halterner Schützen. Bodo Klimpel riss die Arme hoch und schrie seine Freude heraus. Mit etwas mehr als 1500 Stimmen Vorsprung hatte er die Stichwahl gegen Michael Hübner (SPD) gewonnen. „Es ist die pure Freude“, sagte der neue Landrat des Kreises Recklinghausen.
Knapp war es und spannend in den 95 Minuten der Stimmenauszählung. Klimpel war es dann natürlich herzlich egal, unter welchen „Umständen“ er die Wahl gewonnen hatte. Sie waren demokratisch, die Umstände, keine Frage, aber welchen Aussagewert hat das Ergebnis wirklich? Da müssen Zweifel an der Sinnhaftigkeit einer Stichwahl erlaubt sein.
Weniger Stimmen als zwei Wochen zuvor
Bodo Klimpel erhielt am Sonntagabend 72.135 Wählerstimmen im gesamten Kreis Recklinghausen. Gerade mal 14,5 Prozent aller Wahlberechtigten haben also dem CDU-Kandidaten ihre Stimme gegeben. Im ersten Wahlgang am 13. September erhielt der ehemalige Bürgermeister von Haltern 19.577 Stimmen mehr - obwohl es damals acht Kandidaten für das Amt des Landrats gab.

Mit knappen Vorsprung gewann Bodo Klimpel am Sonntag die Stichwahl. In absoluten Zahlen erhielt er aber deutlich weniger Stimmen als zwei Wochen zuvor. © Grafik: Nina Dittgen
Die Wahlbeteiligung bei der Stichwahl war deutlich niedriger als vor zwei Wochen. Das ist kein neues Phänomen und natürlich nicht Bodo Klimpel anzulasten. Was kann er dafür, wenn die Menschen keine Lust auf einen zweiten Wahlgang haben? Hätte das Ergebnis vom 13. September gezählt, wäre Klimpel ebenfalls Landrat geworden - mit deutlich größerem Vorsprung.
Abschaffung der Stichwahl gescheitert
Eigentlich hatte die NRW-Landesregierung die Stichwahl bei Kommunalwahlen im letzten Jahr abschaffen wollen. Der NRW-Verfassungsgerichtshof gab im Dezember jedoch der klagenden Opposition mit 4:3-Richterstimmen Recht. Die Landesregierung habe bei der nun gekippten Neuregelung die „zunehmende Zersplitterung der Parteienlandschaft“ nicht beachtet, teilten die Richter in ihrer Begründung mit. Auch habe Schwarz-Gelb nicht überzeugend dargelegt, dass ein Wegfall der Stichwahl zu einer Stärkung der demokratischen Legitimation führe.
Doch welche Legitimation gibt es, wenn zum Beispiel in Dorsten nur jeder vierte Wahlberechtigte in der Stichwahl sein Kreuzchen gemacht hat? Und dass auch nur wegen des „Briefwahleffekts“, wie es Bürgermeister Tobias Stockhoff am Montag beschrieb.
Bei der reinen Landrats-Stichwahl im Jahr 2004 lag die Wahlbeteiligung sogar bei unter 20 Prozent. Diesmal jedoch haben über 10.000 Dorstener ihren Wahlzettel mit der Post geschickt, fast alle dürften die Unterlagen schon mit dem ersten Wahlgang am 13. September angefordert haben.
Immer dann, wenn auch ein Bürgermeister in Dorsten per Stichwahl ermittelt wurde (1999, 2014), war die Wahlbeteiligung wesentlich höher. Der Landrat „zieht“ halt nicht.
88 Wähler binnen zehn Stunden
Und so war der Andrang in den Wahllokalen in Dorsten am Sonntag sehr überschaubar. Im Gemeinschaftshaus Wulfen wollten binnen zehn Stunden nur 88 Wählerinnen und Wähler ihr Kreuzchen machen - drei Prozent aller Wahlberechtigten. Noch weniger waren es in der Albert-Schweitzer-Schule in Hervest (76), der Wahlbezirk ist allerdings auch deutlich kleiner.
Bodo Klimpel und die CDU wird das am Tag nach der Wahl nur noch am Rande interessieren. Für sie gilt, was vor Jahrzehnten die schwedische Popband ABBA besungen hat: „The winner takes ist all.“
Veränderungen gab es immer, doch nie waren sie so gravierend. Und nie so spannend. Die Digitalisierung ist für mich auch eine Chance. Meine journalistischen Grundsätze gelten weiterhin, mein Bauchgefühl bleibt wichtig, aber ich weiß nun, ob es mich nicht trügt. Das sagen mir Datenanalysten. Ich berichte also über das, was Menschen wirklich bewegt.
