Cannabis Dorstener Amtsgerichts-Direktor: „Drogeninduzierte Psychosen werden zunehmen“

Amtsgerichts-Direktor erwartet mehr Psychosen durch Cannabisgesetz
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Viele Vertreter der Justiz hatten im Vorfeld vor der teilweisen Legalisierung von Cannabis gewarnt. Dennoch trat das umstrittene Cannabisgesetz zum 1. April in Kraft, das Kiffen unter gewissen Voraussetzungen legalisiert. Kommt es nun zur oft befürchteten Überlastung der Justiz?

Für die Staatsanwaltschaft Essen, in deren Bezirk auch Dorsten fällt, bedeutete das Gesetz im März einen Kraftakt: Denn laut Staatsanwalt Leif Seeger mussten 6619 Verfahren im gesamten Bezirk überprüft werden, bei denen Erwachsene wegen Cannabis-Delikten verurteilt wurden. Jetzt dürfen Erwachsene ab dem 1. April bis zu 25 Gramm Cannabis mit sich führen und daheim 50 Gramm besitzen. Bei einem Großteil der alten Verfahren habe die Staatsanwaltschaft nicht aktuell eingreifen müssen. „Wir müssten jetzt durch sein“, sagt Seeger, aber zu Beginn der letzten März-Woche hätten beispielsweise noch 1500 Verfahren zur Überprüfung angestanden.

Situation in Dorsten

Was die Sache schwierig macht: Oft sind es nicht nur Cannabis-Delikte, die verurteilt werden, sondern auch andere Straftaten, aus denen dann eine Gesamtstrafe gebildet wird. Während für die Vollstreckung bei Erwachsenen die Staatsanwaltschaft Essen zuständig ist, ist es im Jugendbereich das Amtsgericht Dorsten.

Der Direktor des Dorstener Amtsgerichts, Dr. Stephan-Robert Hillebrand, sagt, er könne noch nicht abschätzen, wie viele Verfahren nun neu bewertet werden müssen. „Das wird bei uns verzögert ankommen“, sagt Hillebrand, da man erst tätig werde, wenn die Staatsanwaltschaft dem Amtsgericht Akten zuschicke.

Grundsätzlich sei es aber so, dass die Staatsanwaltschaft die meiste Arbeit mit den Folgen des Cannabisgesetzes habe, so Hillebrand. Auch beim Landgericht, bei dem Fälle mit höheren Strafen landen, werde es vermutlich mehr Arbeit geben als in Dorsten.

Gesetz „verfehlt“

Hillebrand macht aber keinen Hehl daraus, dass das Cannabisgesetz aus seiner Sicht „verfehlt“ ist: „Ich halte von dem Gesetz gar nichts.“ Der Direktor des Amtsgerichts, der insbesondere mit Familiensachen betraut ist und häufig mit der Jugendpsychiatrie zu tun hat, befürchtet: „Drogeninduzierte Psychosen werden zunehmen.“

Hinter speziellen Psychosen stünden „fast immer Drogenkarrieren“, sagt Hillebrand. Bei Jugendlichen mit paranoider Schizophrenie sei es seiner Erfahrung nach „fast immer so gewesen, dass sie Drogenkonsumenten sind“.

Fernbedienung für Autos

Hillebrand berichtet von einem Fall, der schon länger zurückliege, aber in dem ein Jugendlicher nach Drogenkonsum dachte, er sei ein Superheld. „Er glaubte, er könne mit einer Fernbedienung vom Fernseher Autos im Straßenverkehr steuern. Und so lief er über die Straße.“

Viele Psychosen würden durch Angstzustände ausgelöst und könnten von einem auf den anderen Tag auftreten. „Die werden Sie nie wieder los.“ Man könne sie höchstens noch dämpfen.

Auf die Probleme sei in den Anhörungen zum Gesetz immer wieder hingewiesen worden, so Hillebrand. „Jugendärzte haben davor gewarnt.“ Diskutiert wird derzeit noch, welche Grenzwerte in Zukunft für Cannabis im Straßenverkehr gesetzt werden sollen. Hillebrands Erwartung: „Es werden mit Sicherheit mehr Straftaten im Straßenverkehr auftreten.“