Brummen belastet Menschen Spurensuche in Dorsten und Haltern - welche möglichen Quellen gibt es?

Dem Brummen auf der Spur - welche möglichen Quellen gibt es?
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Es ist ein tieffrequentes Brummen, das die Menschen in Dorsten und Haltern, aber auch in Teilen von Marl und Schermbeck beschäftigt. Der Schall raubt den Schlaf, löst innere Unruhe aus und lässt ganze Familien verzweifeln.

In den vergangenen Wochen haben wir in der Halterner Zeitung und der Dorstener Zeitung mehrfach über einige Schicksale berichtet. Doch wo kommt das mysteriöse Brummen her?

Von vielen Menschen haben wir Zuschriften dazu erhalten. Fast alle haben uns den Standort mitgeteilt, an dem sie das Brummen wahrgenommen haben. Andere haben zusätzlich Vermutungen für die möglichen Ursachen geäußert. Und auch wir sind mögliche Quellen durchgegangen. Herausgekommen ist eine Spurensuche. Eine Suche nach dem mysteriösen Brummen.

Keine belastenden Belege

Vorab: Es gibt keinerlei Belege dafür, dass die hier aufgeführten möglichen Quellen wirklich für das tieffrequente Brummen in Dorsten, Haltern und den umliegenden Städten verantwortlich sind.

Grundsätzlich lässt sich keine spezielle Uhrzeit ausmachen, wann die Menschen das Brummen wahrnehmen. Immer wieder haben Betroffene dazu Protokolle geführt. So auch eine Frau aus Dorsten. Sie wohnt am Vosskamp nahe der Innenstadt, möchte aber anonym bleiben.

Eine Dorstenerin, die nahe der Innenstadt wohnt, hat eine Woche lang protokolliert, wann sie das mysteriöse Brummen wahrgenommen hat.
Eine Dorstenerin, die nahe der Innenstadt wohnt, hat eine Woche lang protokolliert, wann sie das mysteriöse Brummen wahrgenommen hat. © Julian Preuß

Vom 2. bis zum 9. Juli hat ssie das Brummen täglich zwischen 9.30 und 23.45 Uhr dokumentiert. „Sehr stark“ sei der Ton am 4. Juli um 21 Uhr gewesen, schreibt sie. An vier von sieben Tagen notierte sie Uhrzeiten in den späten Abendstunden nach 21 Uhr.

Im Halterner Ortsteil Lavesum wird das Brummen von einigen Bürgern ständig, von anderen dagegen zu wechselnden Zeitpunkten ausgemacht.

Ist eine einzige Ursache für das Brummen in allen Orten verantwortlich? Diese Frage lässt sich wohl mit „Nein“ beantworten. Anhaltspunkte dafür liefert die Karte, die wir anhand der Zuschriften erstellt, am 6. Juli veröffentlicht und danach weiter ergänzt haben.

An mindestens 28 Standorten in Dorsten, Haltern, Marl und Schermbeck ist das Geräusch wahrgenommen worden (Stand 20.7.). Mögliche Quellen verteilen sich über das gesamte Gebiet. Dazu haben wir unter anderem in Dorsten die große Levi‘s-Baustelle an der Dülmener Straße gezählt. Aber auch die Quarzwerke in Haltern oder die Windräder im Kreis-Gebiet.

Mehrere Ursachen wahrscheinlich

Es ist allerdings nicht so, dass sich die 28 gemeldeten Standorte um eine einzige Quelle herum versammeln. Genau das spricht dafür, dass es mehrere Ursachen für das tieffrequente Brummen gibt.

Eine kleine Auffälligkeit lässt sich allerdings in Haltern feststellen. Mindestens elf Mal ist das Brummen im Halterner Ortskern, in Lavesum und Sythen wahrgenommen worden. In der Mitte zwischen diesen Ortsteilen stehen elf Windräder, für die der Kreis Recklinghausen zuständig ist.

Die Windräder stehen immer wieder im Verdacht, das Brummen zu verursachen. Eine Studie im Auftrag des Bundesumweltministeriums bestätigt, dass Windenergieanlagen aber nur bedingt eine mögliche Quelle darstellen können.

Kreis schließt Windräder aus

Der Kreis Recklinghausen führt das noch weiter aus: „Nach aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen können Infraschall-Pegel im Nahbereich von Windenergieanlagen beobachtet werden.“ Aber: „Ab Entfernungen von 300 Metern beeinflussen Windenergieanlagen den Geräusch-Pegel im Infraschallbereich nicht mehr.“

Für das im Halterner Ortskern, in Lavesum und in Sythen sowie in Dorsten, Marl und Schermbeck registrierte Brummen kommen die Windräder nach Auffassung von Bund und Kreis damit nicht als Ursache infrage.

Auch bei den Halterner Quarzwerken wurde zuletzt die Ursache vermutet. Sprecherin Britta Franzheim findet auch bei erneuter Anfrage keine Ansatzpunkte für eine mögliche Lärmbelästigung durch den Sandabbau auf dem Silbersee I.

Keine zusätzlichen Baggerschiffe

Seit 2012 seien keine Veränderungen des Produktionsprozesses vorgenommen worden. „Es wurden keine zusätzlichen Baggerschiffe angeschafft, noch fand ein Austausch der Gewinnungsgeräte oder einzelner Aggregate statt. Alle Parameter laufen konstant“, stellte Franzheim klar.

Die Arbeitszeiten im Tagebau am Silbersee I seien in all den Jahren unverändert geblieben. Die Pumpen des Sandabbau-Unternehmens und auch die Saugbagger-Schiffe sind werktags überwiegend rund um die Uhr in Betrieb. Auch die riesigen Blockheizkraftwerke im Werk Sythen werden nur am Wochenende heruntergefahren.

Das neue Logistikzentrum von Levi's befindet sich derzeit in Dorsten im Bau.
Das neue Logistikzentrum von Levi's befindet sich derzeit in Dorsten im Bau. © Julian Preuß

Lärm ist auf Baustellen normal. Ein tieffrequentes Brummen sei aber auf der großen Levi‘s-Baustelle an der Dülmener Straße im Dorstener Stadtteil Wulfen indes nicht aufgefallen, schreibt die Presse-Verantwortliche Kim Köhler.

Logistikzentrum noch nicht fertig

Da das 70.000 Quadratmeter große Logistikzentrum noch nicht fertig sei, würden auch noch keine Betriebsanlagen dauerhaft laufen. Die Firma Delta Development, die für den Bau des Logistik-Zentrums zuständig ist, weist ihrerseits auf die umliegenden Windräder als Lärmquelle hin.

Gibt es außerdem weniger offensichtliche Geräuschquellen? Möglicherweise sogar unter Tage? Schließlich waren Dorsten und Haltern mit den Zechen Fürst Leopold, Baldur, Wulfen und der Schachtanlage Auguste Victoria 8 Bergbau-Standorte.

Die RAG Aktiengesellschaft schließt aus, dass das Abpumpen und Regulieren des Grundwassers Auslöser des Brummtons sein könnte. Die Grubenwasserwasserpumpen befänden sich in 700 Metern Tiefe. „Ausgeschlossen, dass sie zu hören sind“, sagt Sprecher Christof Beike. Außerdem seien im Bereich Haltern/Dorsten gar keine Pumpen zur Absenkung des Grubenwassers und damit zum Schutz des Grundwassers installiert.

Keine Hinweise auf Polderpumpen

Hinweise für Infraschall-Belästigungen durch die sogenannten Polderpumpen gibt es auch bei der Emschergenossenschaft, die im Auftrag der RAG rund 160 Pumpwerke betreibt, nicht. „Uns liegen keine Beschwerden von Bürgern vor“, erklärt Sprecherin Meike Delang in Essen.

In bergbaulich bedingten Senkungen ist eine künstliche Entwässerung mithilfe der Polder-Pumpwerke erforderlich. In dem großflächigen Anlagen-Netz, das sich über das gesamte Ruhrgebiet erstreckt, macht die Sprecherin aber lediglich ein Polder-Pumpwerk zwischen Haltern-Lippramsdorf und Dorsten-Wulfen aus.

„Und das liegt mitten im Wald im Bereich Gecksbach. Unmöglich, dass es zu hören ist.“ Die Emschergenossenschaft werde bei Beschwerden jedoch Messungen vornehmen, versprach Meike Delang.

Das Ergebnis der Spurensuche: Das Durchspielen der Quellen bleibt zunächst erfolglos. Aufschluss geben können möglicherweise nur professionelle und umfangreiche Gutachten.

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