Martin Janowitz sitzt mit seiner Frau Aneta im Eiscafé Michele am Marktplatz in Dorsten. Er wärmt sich die Hände an einer Tasse Kaffee. Gerade hat es zum ersten Mal in diesem Jahr ein bisschen geschneit. Für seine zwei Kinder ein besonderes Ereignis, da sie in Australien aufgewachsen sind.
Ihr Vater ist in Dorsten geboren, ist dort hier zur Schule gegangen, hat in Dortmund Betriebswirtschaft studiert, später im Familienbetrieb - im „Hotel zur Linde“ in Schermbeck - gearbeitet. Als er 2000 zu den Olympischen Spielen nach Australien reiste, verliebte er sich in das Land. Vier Jahre später packte er einen Container und wanderte aus.
„Das war ein Impuls, nichts war wirklich vorbereitet“, erinnert sich der 54-Jährige. Zwar fand er eine kleine Mietwohnung, eine Arbeitserlaubnis hatte er jedoch nicht. Also schrieb er sich an einer privaten Uni ein und konnte mit seinem Studenten-Visum 25 Wochenstunden arbeiten. Sechs Monate arbeitete er als Manager in einem Restaurant, dann fand er den Arbeitgeber, für den er auch heute noch tätig ist.
Job als National Sales Manager
Heute arbeitet der gebürtige Dorstener für das Spielwaren-Unternehmen „Tim The Toyman“ als National Sales Manager. 2011 lerne er seine heutige Frau Aneta kennen. Mittlerweile sind sie seit zehn Jahren verheiratet, haben zwei gemeinsame Kinder im Altern von acht und zwölf Jahren und leben in einem Haus in Sydney.

Auch wenn er Australien liebt, Deutschland und seine Heimatstadt Dorsten verlor Martin Janowitz in all den Jahren nie ganz aus den Augen. „Über Social Media habe ich immer verfolgt, was hier so passiert“, erzählt er. Den Kontakt zu Familie und Freunden zu halten, fiel ihm dennoch schwer, da er beruflich sehr eingespannt war und oft reisen musste. So versäumte er auch, seinen Kindern die deutsche Sprache beizubringen - ein Umstand, der ihn heute ärgert.
„Im vergangenen Jahr haben wir dann entschieden, dass die Kinder mein Heimatland, meine Heimatstadt und meine Muttersprache kennenlernen sollen“, so Janowitz. Also ließen sie alles in Sydney zurück und zogen Anfang Juli 2022 - nach langwieriger Suche - in eine Wohnung an der Sperberstraße. Der 54-Jährige selbst blieb vier Wochen, dann musste er zurück zur Arbeit nach Australien.
Es folgte ein Kulturschock
Für seine Frau und die zwei Kinder folgte ein Kulturschock. Keiner von ihnen sprach Deutsch, sie hatten nur wenige Kontakte in Dorsten. „Das war wirklich hart. Die Deutschen sind sehr distanziert. Ich habe oft das Gefühl, dass sie zwar Englisch sprechen könnten, es aber nicht wollen“, erzählt Aneta.
Ähnliche Erfahrungen mussten auch ihre Kinder in der Schule machen. Sie besuchen für ein Jahr die Agatha- bzw. St.-Ursula-Realschule. Es habe gedauert, bis die Unterstützung dort angelaufen sei. „Der Jüngere hat sich relativ schnell eingelebt und Freunde gefunden, für die Große war und ist es sehr schwer. Sie wird eher ausgegrenzt“, erzählt Aneta.
Zwei verschiedene Welten
Auch sie hat auch ein halbes Jahr später immer noch kaum Kontakte geknüpft, ist viel alleine in der Wohnung. In Australien seien die Menschen offener, die Nationalitäten seien dort so bunt gemischt, dass es niemanden interessieren würde, wo man herkomme. „Ich mag das Land und die Landschaft hier, aber ich fühle ich mich oft wie eine Außerirdische. Ich spreche nur wenig Deutsch, lache an den falschen Stellen - es sind zwei verschiedene Welten.“
Die 50-Jährige vermisst ihre Heimat, ihr Haus mit Pool in Sydney, ihre dort gebliebenen älteren Kinder. Aktuell ist Martin Janowitz wieder für einige Wochen in Dorsten. „Die Stadt - mit den neuen Wegen und so weiter - ist wirklich schön geworden, aber leider auch ziemlich ausgestorben“, sagt er. Das gelte auch für die Mercaden. In Australien würde wesentlich weniger im Internet gekauft - die Shopping Malls seien in der Regel voll. Insgesamt habe er Deutschland ganz anders in Erinnerung gehabt.

Erschreckend findet er, dass ein Industrieland wie Deutschland in vielen technischen und digitalen Dingen so weit zurück sei. So sei er beispielsweise in einem großen Dorstener Supermarkt in echte Bedrängnis geraten, da er dort nicht mit seiner Mastercard habe zahlen können. „Hier gibt es Schlangen in der Bank, in Australien war ich mindestens seit zehn Jahren in keiner mehr“, so Janowitz. Auch die deutsche Bürokratie und das lange Warten auf Anträge und Antwort-Mails sei ihm negativ aufgefallen.
Harte Zeit
Bald wird der gebürtige Dorstener wieder nach Australien zurückgehen und seine Familie erst im Juni wiedersehen, um gemeinsam nach Sydney zurückzukehren. Ob sie die Entscheidung für das Jahr in Deutschland noch einmal so treffen würden? „50 Prozent Ja, 50 Prozent Nein. Es ist eine harte Zeit für meine Familie, andererseits können die Kinder viel Lebenserfahrung sammeln und haben für später vielleicht mehr Optionen“, sagt Martin Janowitz. Seine Frau will sich da nicht festlegen. „Es war auf jeden Fall eine Once-in-a-lifetime-experience“, sagt sie. In Deutschland zu bleiben, ist für beide jedenfalls keine Option.
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